Nr. 6
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 83
Der Kupferstichverlag war jedoch nicht die einzige
Sparte des rührigen Löschenkohl. Schon 1782 beginnt er
eine kunstgewerbliche Tätigkeit zu entfalten, die man ohne
zu übertreiben mit vollem Recht als Beginn der be
rühmten Wiener Kunstindustrie und ihrer Spezialitäten
bezeichnen kann. Er gründet eine Fächerfabrik,
die alsbald einen ganz gewaltigen Aufschwung nimmt
und die zu jeder möglichen Gelegenheit Fächer aller
Arten und in jeder Preislage liefert. So kündigt er am
20. Juli 1782 nicht weniger als 26 verschiedene Arten
von Fächern an. Zu jeder passenden Gelegenheit, zum
Fasching, zum Marien-, Theresien- und Annentag stellte er
sich mit einer Fächernovität ein, die er den Schönen
Wiens mit den schmeichelhaftesten Ausdrücken seiner
Hochachtung und Verehrung anempfiehlt. Fr erzeugte sie
in verschiedenster Ausführung, von der einfachsten bis
zur luxuriösesten Ausstattung, in Preislagen von 12 kr.
bis zu 6 Dukaten, mit einfachen, schwarzen oder kolo
rierten Stichen (Aichenstein erwähnt einen solchen,
»wo er in der Vorstellung des Praters das im Karassele
reitende Stubenmensch zur Erbauung des übrigen
schönen Geschlechtes mit drey Schneiderpurschen im
Wettritte zeigt«), Fächer mit Aquarellen und Miniaturen,
Szenen aus beliebten Theaterstücken, Porträts u. s. w.
Neben der Fächerfabrikation, die trotz der in
zwischen aufgetauchten Konkurrenz bis zu seinem Tod
das Hauptkontingent seiner Tätigkeit gebildet hat, beginnt
Löschenkohl fast gleichzeitig auch anderen Gebieten des
Kunstgewerbes seine Aufmerksamkeit zu schenken. Für
zahlreiche Branchen der Wiener Kunstindustrie ist
Löschenkohls Tätigkeit von initiativer Bedeutung. So ist
ihm zum Beispiel die Einführung der Tapeten
industrie in Wien, für die er eine spezielle Fabrik
errichtet hat, zu verdanken. Gesellschafts
spiele der verschiedensten Arten, die man bis dahin
in Wien höchst selten, und dann nur als importierte
Ware zu sehen bekam, machte er zu einem unentbehr
lichen Requisit der Familienunterhaltungen. Seine
Knopffabrik lieferte Knöpfe in luxuriösester Aus
führung, und zwar alle 14 Tage einen neuen. 1788 kündigt
er zum Beispiel »gemalte, von Elfenbein fein ausge
schnittene, mit Steinen besetzte und mit Folie belegte
Knöpfe an, von denen das Dutzend 4 fl. bis 12 Dukaten
kostete.« Für die Detailhändler war der direkte Dutzend
verkauf der Knöpfe an das Publikum nicht angenehm,
weshalb sie sich, wie sie im Wiener Blättchen vom
7. Februar 1788 erklären, entschlossen haben, ihm alle
seine Knöpfe im Ganzen abzunehmen, »wenn er verspricht,
sie nicht mehr zu einzelnen Dutzenden zu verkaufen«.
Kupferstiche, Fächer, Knöpfe, Spiele bilden jedoch
nur einen Teil des umfangreichen Geschäftsgebietes des
rührigen Mannes. So hat er mit seinen äußerlich und
innen luxuriös ausgestatteten Kalendern, deren
Schildkrot- und Emaileinbände zu den schönsten Erzeug
nissen der Wiener Kunstindustrie des 18. Jahrhunderts
gehören, die ausländische Konkurrenz erfolgreich aus
dem Felde geschlagen. Künstlerisch ausgestattete Visit-
karten, heute geschätzte Sammelobjekte, verdanken
eigentlich erst ihm die allgemeine Verbreitung in Wien,
ebenso die G r a t ul a t i o n s-, speziell die Neujahrs
karten, die er 1786 nach englischem und französischem
Muster zu verlegen begonnen hat und deren An
kündigung er damals mit folgender Notiz begleitet:
»Da auch die Mode, einander bloß mit einem trocke
nen Komplimente: Ich gratuliere zum neuen Jahre, ziem
lich abgekommeri ist, und nur unter denen noch Statt
findet, die nichts besseres zu sagen wissen, und in Frank
reich, England und im deutschen Reiche dafür der Ge
brauch aufgekommen, einander in einem sinnreichen
Verse Glück zum neuen Jahr zu wünschen, so glaube ich,
wird es den Einwohnern Wiens angenehm seyn, w r enn
ich ihnen nicht nur dergleichen zierliche, feine, auf alle
Umstände anpassende poetische Neujahrswünsche bogen
weis, sondern auch in schönen, illuminirten und anpassen
den Einfassungen und Sinnbildern, theils auf Seide, theils
auf Papier gedruckt anbiete.«
Später geht er auch unter die Musikverleger. Unter
anderem erschien bei ihm Beethovens Op. 88, »Das
Glück der Freundschaft« 1803.
Das Bild der künstlerischen und kunstgewerblichen
Tätigkeit Löschenkohls wäre nicht vollständig, würde ich
nicht auch noch der Mittel und Wege gedenken, deren
er sich zur Bekanntmachung seiner Verlagsstücke be
dient hat. Er war, um es kurz zu sagen, ein Meister der
Reklame, die in der von ihm geübten Form einen voll
kommen modernen Charakter zeigt. Abgesehen von den
oft spaltenlangen Anzeigen in der »Wiener Zeitung«,
findet man oft ungemein geschickt lancierte Reklam-
notizen in der einen oder anderen Zeitung, die ihre Pro
venienz nur durch die gleichlautende Textierung verraten.
Am 12. Juli 1789 liest man in drei verschiedenen
Zeitungen, im »Wiener Tagebuch«, in der »Brünner
Zeitung« und in der »Prager Zeitung« die gleiche Notiz:
»Herrn Löschenkohls Kriegstheater, welches bis itzt schon
aus 129 Stü'kken, nämlich Plännen, theils Angriffen, Karten
und Abbildungen besteht, meistens nach Origintlzeich-
nungen entworfen, findet in der Türkei vorzüglichen Ab
satz, und er hat diessfalls von griechischen Kaufleuten
von Smyrna, Jassy und Salonichi beträchtliche Be
stellungen erhalten, die vermutlich großentheils selbst für
Konstantinopel bestimmt seyn dürften.« Es ist kaum an
zunehmen, daß sich die bilderfeindlichen Türken für die
Darstellung ihrer Schlappen besonders interessiert haben
dürften, doch wird die Reklamuotiz wohl ihre Schuldig
keit getan haben.
Es dürfte nicht uninteressant sein, auch noch einiger
Momente in der Tätigkeit Löschenkohls, wie zum Bei
spiel seines Verhältnisses zu den Behörden und der Be
urteilung seiner Leistungen im Lichte der Zeitgenossen
zu gedenken. Was das erstere anbelangt, so bemühte er
sich, schon als Ausländer, jedwelchem Konflikt aus dem
Wege zu gehen. In der Josephinischen zensurlosen Zeit
war die Gefahr einer behördlichen Beanstandung seiner
Verlagsstücke nur gering. Als er im Jahre 1786 anläßlich
der Aufsehen erregenden Tat des Raubmörders Zahl
heim eine Silhouette desselben mit der Aufschrift:
»Zahlheim Dieb und Mörder« herausgab, protestierte die
Familie des Verbrechers gegen eine derartige Ver
unglimpfung ihres Namens. Trotzdem das Blatt mit Er
laubnis der Zensur ausgegeben wurde, setzte die Familie
die Beschlagnahme desselben durch. Löschenkohl ließ
sich die polizeilische Maßregelung nicht gefallen und betrat
den Instanzenweg. Die Sache erregte großes Aufsehen,
zumal die mächtige »Studien- und Censurs-Hof-Kom-
mission« durch die Verfügung der Polizei in der briiskesten
Weise desavouiert wurde.
Ein zweites, nicht minder amüsantes Zensurstückchen
knüpft sich an die kleine Karte von Arabien mit einem
Teile von Aegypten, die Löschenkohl 1799 herausgab.
Derartige kleine Karten, hauptsächlich mit der Dar
stellung von »Arabia felix«, waren als Visit- und Gratu
lationskarten sehr beliebt. Eine solche Karte wurde nun
unglückseligerweise in dem Reisegepäck einer Gräfin an
der österreichisch-russischen Grenze gefunden. Die Sache
war ungemein verdächtig. Man bedenke, daß sie in die
Zeit fällt, wo Bonaparte seinen Kriegszug zu den
Pyramiden angetreten hat. Grund genug, die Angelegen
heit weiter zu verfolgen. Die Untersuchung ergibt, daß