Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
6. Jahrgang. Wien, 15. April 1914. Nr. 8.
Alte Uhren.
Von August Strobel (Prag).
Im Prager Kunstgewerbemuseum ist eine Uhrenaus
stellung zu sehen. Wer das fröhliche, ganz an eine lustige
Menschengesellsc'haft erinnernde Ticktack-Geschwätz
eines Uhrenladens noch im Ohr hat, wird dieser Aus
stellung den einen großen Mangel
nicht nachsehen können: fast alle
Uhren dort sind tot, stumm, man
fühlt sich wie in einer Leichen-
kammer. und erschrickt wie über
einen erwachenden Scheintoten,
wenn plötzlich die einzige gehende
Spieluhr — sie entstammt der
Prager Sammlung Rademacher
— mit Pfeifchen und Zitherklang
in die Stille bricht. Vielleicht
konnte K a r 1 V. in seiner Einsam
keit zu St. Just darüber seufzen,
daß nicht alle seine Uhren in
gleichem Gang zu halten waren:
in dieser Ausstellung hätte die Un
pünktlichkeit nichts verschlagen
und die hundert verschiedenen
Pendelschläge, die feinen Sümm
chen der Salonipendulen und die
ernsten Bässe der Wanduhren
hätten ein liebes Konzert der Un
ruhe ergeben, wie es sich in einer
Zeitmesserausstellung schickt.
Denn nachdenklich und be-
trachtsam wird man in einer
Uhrenausstellung schon Von
selber. Liegt es doch in ihrem
Wesen, an die Vergänglichkeit des
Irdischen zu mahnen. »Nütze die
Zeit, sie geht vorüber!« Freilich;
aber auch: »Dem Glücklichen
schlägt keine Stunde!« Das war
gewiß kein sorglos-fröhlicher Mann, der die ersten Uhren
erfand. Wie lange das schon her ist? Es wird kaum sicher
festzustellen sein. Das natürliche Maß der Zeit war dem
Menschen, kaum daß er denkend die Natur zu beob
achten vermochte, schon mitgegeben; denn die Jahres
zeiten in ihrer Wiederkehr, der Wechsel von Tag und
Nacht, die Regelmäßigkeit der Mondphasen boten sich
von selbst zu Handhaben bei der Bildung des Zeitbe
griffes. Aber unter das Ausmaß des Tages ging keine
natürliche Skala herab und es
war menschliche Willkür, die den
Riesenbogen der Sonnenbahn am
Himmel, den kleinen Bogen des
Schattens an der Sonnenuhr in
gleiche Teile zerteilte und »Stun
den« benannte. Die Uhr war er
funden. Bald folgte die Sanduhr,
und die Wasseruhr, die Rleps-
hydra der Alten, ging ihr wohl
noch voran. Aber erst das Mittel-
alter kannte die Räderuhr mit Ge
wichten oder Federn, und noch
später erfand ein Genie unter den
Uhrmachern die »Hemmung«,
jenen kleinen Doppelhaken, der
erst den regelmäßigen und lang
samen Ablauf des Räderwerkes
verbürgte. Gar das Pendel wurde
erst im 17. Jahrhundert, man weiß
nicht gewiß,, ob von dem großen
Galilei zuerst, als Uhrenregu
lator verwendet. Im 18. Jahr
hundert aber zog die Uhr, bis da
hin meist nur als Gemeinschafts
eigentum auf dem Turm der
Kirche und des Rathauses anzu
treffen, in die Bürgerwohnung ein
und wurde ein nicht mehr zu
missender Teil der Wohnungsaus-
stattung. Auf einem anderen
Wege war unterdes auch die
Erfindung Peter Henleins, das
»Nürnberger Ei«, als Taschenuhr zum Bestandteil der
Garderobe geworden, und so begegnete sich in diesen
beiden Entwicklungsgängen das ehrsame Uhrmacher
handwerk auf dem Wege zum Kunstgewerbe. —
Der älteren Zeit war noch das kunstvolle Räder-
Fig. 1. Becher-Sonnenuhr, 1590.