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Nr. 8
Internationale Sammler-Zeitung.
sonders oft gefälscht, von den beiden ersten Arten
sind mir Originale überhaupt kaum bekannt. Die Gehäuse von
Hals- und Sackuhren des 16. und 17. Jahrhunderts aus Messing
oder Kupfer und Vergoldung werden nachgegossen: man be
achte Färbung und Patina, der man ihre Entstehung aus
einer Flüssigkeit noch deutlich anzusehen pflegt. Der Anti
quitätenmarkt ist auch überschwemmt mit Taschenuhren, deren
Werke aus allen möglichen nicht zusammengehörigen Teilen,
die oft verschiedenen Jahrhunderten angehören, neu zu
sammengesetzt sind. Dies hat seinen Grund zum Teil darin,
daß nach der allgemeinen Einführung des Zylinderganges in
Taschenuhren um die Mitte des 19. Jahrhunderts und später
nach der Ersetzung der Schlüsseluhren durch Kronenaufzugs
uhren alte Spindelwerke ganz wertlos und mißachtet waren,
bis sich der Antiquitätenhandel seit dem Ende der Siebziger
jahre ihrer wieder annahm und die oft ganz demontierten
Werke willkürlich wieder zusammenzusetzen suchte. Genaue
Beachtung der Vergoldungsfarbe ist zur Erkennung
alter Ergänzungen oder neuer Zusammensetzungen vor allem
unerläßlich. Schließlich sollen Uhren durch neue Zutaten wert
voller gemacht werden. Die seltenen Jahreszahlen wer
den natürlich gefälscht, ebenso Inschriften, auf deren Schrift
stil genau zu achten ist. und auf die Tatsache, ob die Jahres
zahl oder Inschrift in die unvergoldete Platte oder etwa erst
nachträglich graviert worden ist. im letzten Falle ist die
Gravur selbstredend falsch. Scharfe, rauhe Kanten machen die
Gravur an sich schon verdächtig. Namen berühmter Besitzer,
wie Cromwell, Luther, Melanchthon. großer Astronomen ist
stets mit größtem Mißtrauen zu begegnen. Man gravierte
früher ebenso selten wie heute seinen Besitzernamen auf
Uhren, und Namen auf altem Kunstgewerbe nennen fast stets
den Meister oder den Schenker, fast niemals aber den Be
sitzer oder den Beschenkten. Bei Uhren mit gefälschtem Be
sitzernamen pflegen übrigens selten die Lebensdaten des Ge
nannten mit dem Alter der gravierten Uhr übereinzustimmen,
und manche gute echte Uhr der zweiten Hälfte des 16. Jahr
hunderts wurde verdorben durch Inschriften, wie Peter Hehle,
Henlein, P. H. Nürnberg, die alle von vornherein als falsch
angesehen werden können.«
Die Glassammlung
Im königlichen Kunstgewerbemuseum zu B e r 1 i n
ist jetzt eine Sammlung zu besichtigen, die den be
deutendsten deutschen Privatbesitz an Gläsern des 17.
und 18. Jahrhunderts darstellt.
Wenn man die Säle des Museums betritt, in denen
die Schränke mit diesen kostbaren Gläsern stehen, dann
ist man über den Formenreichtum einer Zeit überrascht,
die mit feinstem kunstgewerblichen Verständnis die
Dinge des Alltags schmückte. Denn diese Gläser sind alle
reich verziert mit einer Technik, die aus dem spröden
Material heraus geboren ist, und die aus diesem Stoffe,
der unter unseren Händen zerbrechen würde, Möglich
keiten herausgcholt 'hat, die uns in Erstaunen setzen.
Da sind vor allem die punktierten holländi
schen Gläser des 18. Jahrhunderts, bei denen die
Verzierung aus einzelnen Punkten gebildet ist, die mit
der Diamantspitze oder mit einer spitzen Radiernadel ein-
gchämmert werden. Und diese zusammengesetzten
Pünktchen ergeben dann auf dem Glase das zarteste
Bild, das man sich denken kann; ein Bild, das wie der
flüchtigste Hauch erscheint, von dem wir fürchten
müssen, daß es jeden Augenblick verschwindet. Oft
Ueberaus lehrreich sind auch die Abschnitte über
»Meister und Marken«, »Kauf«, »Behandlung und Verpackung«
u a.; das deutsch-englische Verzeichnis der Fachaus-
drücke wird besonders dem Antiquar willkommen sein.
Ein reiches Illustrationsmaterial — 110 Abbildungen —
erhöht den Wert des trefflichen Handbuches. Der kundige Ver
fasser hat möglichst wenig bekannte Stücke ausgewählt, von
denen wir mit freundlicher Erlaubnis des Verlages hier einige
vorführen.
Fig. 1. Becher-Sonnenuhr von Markus Pur man, Mün
chen 1590. Eigentum des Germanischen Museums, Nürnberg.
Fig. 2. Taschensonnenuhr mit Horometer, 1456. (München,
Nationalmuseum.)
Fig. 3. Altrömische Reise-Sonnenuhr (viatorium pensile)
in Schinkenform. Bronze. Aus Herkulanum. (Neapel, Museo
Nationale.)
Fig. 4. Tischuhr. Am Fries Orpheus und Eurydike. Süd
deutsch um 1570. (München, Bassermann-Jordan.)
Fig. 5. Uhren auf schiefener Ebene. Die Uhr links von
Wisthoff, Hall, 1665. (Dresden, Mathematisch-Physikalischer
Salon.)
Fig. 6. Automatenuhr. Messing, vergoldet. Süddeutsch,
Beginn des 17. Jahrhunderts.
Fig. 7. Taschenuhr, Goldemail, Werk bezeichnet Job. van
Ceulen, Haghe. Um 1680. (Berlin, Sammlung Marfels.)
Fig. 8. Taschenuhr, Goldemail. Um 1680. (Berlin, Marfels.)
Fig. 9. Sanduhr zum Gebrauch auf der Kanzel. Mit Vor
richtung zur Erleichterung des Umwendens. 18. Jahrhundert.
(München, Deutsches Museum.)
Fig. 10. Sanduhr zum Gebrauch auf der Kanzel. Mit Vor
richtung zur Erleichterung des Umwendens. 18. Jahrhundert.
(München, Deutsches Museum.)
Fig. 11. Standuhr Philipps des Guten von Burgund.
Aelteste erhaltene Uhr mit Federzug, Schnecken, Spindelhem
mung, Schlagwerk, Radunruhen, früher drei bewegliche t'igiir-
chen. Um 1430. (Wien, Privatbesitz.)
Jacques Mühsam.
wirken diese Bilder wie der Widerschein aus einer
weiten, nebelhaften Ferne. Reizende Schäferszenen, tief
sinnige Allegorien, Darstellungen des Volkslebens und
Porträts ergeben die Zusammensetzungen der Punkte.
Der Hauptschöpfer dieser Gläser war der Holländer Dr.
Wolff, nach dem sie auch »Wolff-Gläser« benannt
wurden. - Aus dem Holland des 16. und 17. Jahrhunderts
kamen auch die diamantgerissenen Gläser, die mit schön
geschwungenen Inschriften, in der sogenannten »Kalli
graphenmanier«, mit Wappen und Porträts der oranischen.
Statthalter und mit Jagd- und Tanzszenen dekoriert
wurden. Hier waren die Arbeiten der Anna Roemers-
V i s s c h c r aus Amsterdam am berühmtesten, von der
wir auch einige Arbeiten in der Sammlung vorfinden.
In Deutschland finden wir geschliffene und ge
schnittene Gläser hauptsächlich in Deutschböhmen und
Schlesien. Pokale, I eekannen und Kelchgläser sind mit
den üppigen Ornamenten des Barocks und mit den derben
Volksszenen jener Zeit verziert. Auch diese Arbeiten,
deren Muster oft reliefartig herausgearbeitet ist, beweisen
ein reiches Form Verständnis. Wir fühlen es bei all diesen
Gläsern, wie die Handwerker ihr zeichnerisches Können