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Internationale Sammler- Zeitung. 
Nr. 9 
Eine Auktion von Shakespeare-Fälschungen. 
Eine Laune des Zufalles will es, daß gerade jetzt, wo 
Shakespeares Geburtstag sich zum 350. Male iiihrt, in 
London (bei Sotheby) eine Reihe berühmter Shakespeare- 
Fälschungen versteigert werden. 
Diese eigentümlichen »Reliquien« stammen aus der 
Sammlung des verstorbenen J. E. Ho d g k i n. Gegen Ende des 
18. Jahrhunderts, als die Fälschungen in die Welt gesetzt wur 
den, erregten sie gewaltiges Aufsehen; viele davon wurden 
zunächst ohneweiters als echt hingenonunen, und es bedurfte 
heftiger Auseinandersetzungen, ehe Klarheit in die merkwürdige 
Angelegenheit gebracht wurde. Ein gewisser William Henry 
I r e 1 a n d, der Sohn eines Antiquars, damals ein junger Mann 
von siebzehn Jahren, war es, der die Shakespeare-Fälschungen 
anfertigte und sie dann angeblich im Nachlasse eines reichen 
Mannes auffand. Zuerst legte er der erstaunten Welt einen 
Vertrag zwischen Shakespeare und seinem Verleger Con- 
dell vor; als dieses Schriftstück mit Begeisterung aufge 
nommen worden war, ging Ireland dazu über, alte »Urkunden« 
aufzufinden, die die Echtheit dieser Shakespeare-iReliquie und 
anderer, die er in Vorbereitung hatte, bestätigten; unter 
anderem erfand er einen obskuren Vorfahren »William Henryc 
Irelannde«, dessen hinterlassene Papiere (oder Pergamente) 
aus dem Jahre 1604 datiert wurden. Unter diesen »Urkunden« 
fand sich auch eine überaus Wertvolle »Reliquie«, nämlich eine 
verbürgt echte Locke, die, nach den Angaben dieses Ire 
lannde, Shakespeare von seiner Gattin Anna Hathaway be 
kommen hatte. Durch die Erfolge mit seinen Shakespeare- 
Fälschungen wurde der junge Ireland aufgestachelt, immer 
neue Fälschungen in die Welt zu setzen, und nach einiger Zeit 
zog er gar eine Tragödie »Vortigern and Rowena« ans Licht, 
auf die viele angesehene Persönlichkeiten, darunter Sheridan, 
hineinfielen. Dieses falsche Shakespeare-Stück gelangte sogar 
im Drury Lane-Theater einmal zur Aufführung. Edmund 
Malone, einer der berühmtesten Kritiker jener Zeit, lehnte 
allerdings alle diese Shakespeare-Funde Irelands ab. Weder 
von dieser Tragödie, noch von den »Lear«- und »Hamlets- 
Fragmenten sowie dem Glaubensbekenntnisse Shakespeares 
und seinen Briefen an Anna Hathaway, mit denen Ireland dann 
hervortrat, wollte er etwas wissen. Dem großen literarischen 
Streite wurde dadurch ein Ende gemacht, daß im Jahre 1796 
Ireland selbst einen »authentischen Bericht der Shakespeare- 
Manuskripte« veröffentlichte, in dem er die Fälschung mit allen 
Einzelheiten einräumte. 
Ein Exemplar dieser Schrift von Ireland gehört übrigens 
auch zu den Hodgkinschen Sammlungen und wird mit den 
Shakespeare-Fälschungen und anderen (echten) literarischen 
Merkwürdigkeiten aus dieser Sammlung zusammen versteigert 
werden. 
Chronik. 
Ansichtskarten. 
(Die »unzüchtigen« Tango-Postkarten.) 
Postkarten mit Federzeichnungen bekannter französischer 
Künstler bildeten den Gegenstand eines »Sittlichkeitsprozesses«, 
der die 12. Strafkammer des Landgerichtes I\e r 1 i n I be 
schäftigte. Im Aufträge der Staatsanwaltschaft waren in 
mehreren Papiergeschäften Postkarten beschlagnahmt worden, 
die ein Tangotänzerpaar darstellten. Der Tänzer trägt einen 
Frack, die dargestellte Dame eine Decollete-ßalltoilette. Von 
der Kleidung dieser Dame wird zum Beweise der Unzüchtig 
keit der Darstellung von der Staatsanwaltschaft gesagt, »diese 
Ballkleidung verhülle den Körper nicht in schamhafter Weise, 
sondern hebe vielmehr seine Reize ln pikanter Weise hervor. 
Auch der Brustausschnitt sei so tief, daß er der Wirklichkeit 
unmöglich entsprechen kann, vielmehr die Pikanterie der Dar 
stellung zu erhöhen geeignet ist. Außerdem sei die Stellung 
der tanzenden Paare zueinander so. daß die Vorstellung er 
weckt wird, als befänden sich die Xanzenden in Gedanken an 
Vorgänge intimster Art«. Gegen diese Hineinlegung des un 
züchtigen Momentes erhob der Verteidiger des Angeklagten 
Protest. Wenn der Staatsanwalt eine Balltoilette verlange, die 
die Reize der Frau verhülle, so verlange er etwas Unmögliches. 
Er wäre dann in der Konsequenz gezwungen, bei den Hofbällen 
einzuschreiten, bei denen bekanntlich ein ziemlich tiefes 
Decollete Vorschrift sei. Nicht zulässig sei es auch, wenn die 
Staatsanwaltschaft mit der Kombination arbeite, die tanzenden 
Paare könnten »Gedanken an Vorgänge intimster Art« haben. 
Es komme lediglich auf das Empfinden des normalen Menschen 
an, und die Gedanken, die ein solcher beim Anblick eines 
tanzenden Paares habe, seien wirklich nicht »beschlagnahme 
fähig«. Das Gericht kam zur Freisprechung des Ange 
klagten und überbürdete die Kosten des Verfahrens der 
Staatskasse. 
Autographen. 
(Die Autographen- und Bildersammlung 
Erich Schmidts.) Aus Berlin wird uns geschrieben; 
Martin Breslauer hat nun den Termin für die Versteige 
rung der Autographen- und Bildersammlung zur deutschen 
Literaturgeschichte aus dem Besitze Erich Schmidts sowie 
der Bibliothek des Pfarrers Lenn artz fixiert. Die Versteige- 
rungstagc sind der 18.—2». Mai. Die Sammlung Erich Schmidts ist 
besonders reich an hochinteressanten Schriftstücken und Bildern 
von Goethe, Lessing und Kleist, enthält aber auch eine 
große Anzahl interessanter Stücke anderer deutscher Dichter 
und Schriftsteller. Die wertvolle und umfangreiche Bibliothek 
Erich Schmidts ist durch Vermittlung Breslauers an Herrn 
Rudolf Mosse in Berlin verkauft worden, der sie der ge 
lehrten Welt zugänglich machen wird. Die Bibliothek des 
Pfarrers Lennartz ist wohl eine der größten deutschen 
Sammlungen irri Privatbesitz. Sic enthält fast alle Vorzugs- 
drucke der führenden deutschen und ausländischen Pressen. 
Wir erwähnen nur Insclverlag, Hyperionverlag, Ernst Ludwig-, 
Pan-, Janus-, Einhorn-, Ganymed- und Orplidpresse, die Ru- 
dolfinischen Drucke, die neue Alduspresse, die Verlagsbuch 
handlungen von Eugen Diederichs, Georg Müller, Julius Bard, 
Ernst Rowohlt, Kurt Wolf, S. Fischer, Hans von Weber, Julius 
Zeitler, R. Piper & Co. u. a., die fast vollständig mit ihren ge 
wöhnlichen und Vorzugsausgaben vertreten sind. Außerdem 
findet sich in der Sammlung ein fast vollständiges Exemplar 
der Doves Press, zum Teil in doppelten Exemplaren: auf Papier 
und auf Pergament. Zahlreiche Bände sind nach besonderen 
Entwürfen in kostbare Einbände unserer ersten Buchbinder 
werkstätten, wie Karl Sonntag jun., Paul Kersten, Cobden- 
Sanderson u. a„ gekleidet. Die Versteigerung bietet eine ganz 
ungewöhnliche Gelegenheit für Sammler und Bibliophilen, ihre 
Bestände zu bereichern, beziehungsweise Hausbüchereien in 
vorteilhafter Weise auszugestalten. 
(T hacke ray- Manuskripte und -Skizze n.) 
Aus London wird uns geschrieben: In einer Bücher- und 
Handschriftenauktion, die Sothe b y vom 6. bis 8. April ver 
anstaltete, wurde für eine Serie von Th a c k e r ay - Manu-
	        
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