Nr. 9
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 139
Skripten und »Skizzen, die aus dem Besitze seiner Tochter, der
Lady Ritchie, stammten, 1520 Liver Sterling gezahlt, und
zwar erzielten: Zeichnungen und Brieffragmente, über 150 Stück,
in einem Bande gesammelt von Edward Fitzgerald, 73(1, Manu
skripte und Aufzeichnungen zu den »Notes of the Four Georges«
305, 30 farbige und 45 andere Skizzen für »A. Journey from
Cornhill to Cairo« 400 und ein Fragment von etwas über vier
Seiten aus einer unveröffentlichten Beschreibung einer Reise
nach Antwerpen 85 Liver Sterling.
Bibliophilie.
(Eine seltene Erstausgabe.) Das jugendliche
Genie Artur Rimbauds, des Freundes von Verlaine, dessen
eigenartige Produktivität nicht länger als vom 15. bis zum
19. Jahre dauerte und mehr zu kühner Formalität als zu dichte
rischer Tiefe gelangte, wird im modernen literarischen Frank
reich vielleicht mehr aus Verkennung, denn aus Kenntnis ge
schätzt. Möglicherweise aber mehr noch als bei den Literatur
freunden steht er bei den Bibliophilen in Ansehen, die für die
Literatur Frankreichs eine bedeutende Rolle spielen. Das An
sehen Rimbauds beruht darauf, dal! er mit ersten Ausgaben im
Handel selten ist. Er selber hat sich zu seinen Lebzeiten nie
um das einmal Geschriebene gekümmert, und überhaupt nur ein
Werk, ein kleines Büchelchen, ist von ihm selbst veröffentlicht
worden. Das ist die »Saison en Enfer«, eine unzusammen
hängende Sammlung von Bekenntnissen, Anschauungen und
Philosophie, mit Prosa und Vers in dichterische Form von
kühner Wildheit gebracht. »Une Saison en Enfer«, die. ein
lfijähriger Dichter schrieb, als Schwanensang sozusagen, denn,
obwohl er erst 19 Jahre später, 1891, starb, ist es das eigentlich
letzte Werk dieses meteorischen Geistes, gilt als sein Haupt-
und Meisterstück. Auch den Bibliophilen ist es der Gipfel des
Begehrs, denn die von dem Dichter besorgte Erstausgabe, die
im Jahre 1873 bei Poot & Co. in Brüssel erschien, bestand
nur in etwa sechs Exemplaren. Rimbaud hatte nämlich aus
irgendwelchen Gründen die ganze Auflage sofort nach dem
Druck zurückgezogen, und so wurde das halbe Dutz md schon
verteilter Exemplare zu einer Kostbarkeit, die heute von den
Bibliophilen mit Gold aufgewogen wird. Nun aber, gerade
nachdem der Verlag der Nouvelle Revue Francaise eine neue
Monumentalausgabc der Saison en Enfer angekündigt hatte,
um minder glückliche und anspruchslosere Bibliophilen zu be
friedigen, tauchte das Gerücht auf und bestätigte sich bald,
daß von der Erstauflage ein rätselhafter Stock von 200 Exem
plaren auf einmal bei einem Drucker in M o n s entdeckt wor
den sei, der Rest jener Auflage, die man längst vollständig
vernichtet glaubte. Man sollte denken, das sei .eine allgemein
begrüßte Entdeckung gewesen. Aber im Gegenteil, sie er
weckte den Eindruck einer schrecklichen Katastrophe, denn
plötzlich sind die sechs bestehenden Exemplare Sozusagen ent
wertet. Die Bibliophilen sind wie die Freimaurer. Selbst jene,
die nicht eines der sechs Rarissima besaßen, handelten selbst
los für die gute Sache und versuchten und versuchen weiter
alles mögliche, zu verhindern, daß die 200 neu entdeckten
Bücher auf den Markt kommen. So lagert diese Entdeckung
nun vorläufig im Dunkeln und wartet auf den Schicksalsspruch,
ob sie jemals das Licht des Marktes erblicken soll.
(Ankauf der Bibliothek Johannes V a h 1 e n s.)
Aus Leipzig wird uns geschrieben: Die Bibliothek des ver
storbenen Berliner Philologen Professors Joh. Va h 1 e n, die
von der Buchhandlung Gustav Fock, G. m. b. H. in Leipzig,
erworben wurde, ist von dieser nach den Vereinigten Staaten
verkauft worden. Die Vahlensche Sammlung ist wohl die
schönste klassisch-philologische Bibliothek, die seit Mommscns
Tod auf den Markt gekommen ist. Sie umfaßt etwa 25.000
Bände und Abhandlungen.
Bilder.
(Ein neuer Botticelli.) Ein bisher unbekanntes
Werk des Botticelli ist in England aufgetaucht, das Bildnis
eines Medici. Es ist der charakteristische Kopf des Giuliano
de' Medici. Derselbe Kopf erscheint im Brustbild in zwei bereits
bekannten Werken, einer Tafel im Kaiser Friedrich-Museum
in Berlin, die 1878 aus dem Palazzo Strozzi zu Florenz er
worben wurde, und einem Bilde in der Galerie von Bergamo,
i das aus dem Besitze von Giovanni Morolli, dem berühmten
Kunstforscher, stammt. Morelli hat stets die Originalität seines
Bildes gegenüber dem Berliner betont, die Berliner Gelehrten
erklärten das andere für eine geringere Wiederholung. Aber
die neueren Forscher halten zum Teil an der Echtheit keines
von beiden mehr fest und meinen, das eigenhändige Werk Botti
cellis mit dem Bildnis jenes Giuliano, des Bruders von Lorenzo
Magnifico, der mit 25 Jahren 1478 bei der Verschwörung der
Pazzi im Dom von Florenz ermordet wurde, während sein
Bruder entkam, sei noch zu suchen. Seltsamerweise erscheint
hier der Medici nach links gewendet, während die beiden bisher
bekannten Bilder, die doch in alter Zeit, möglicherweise noch
im 15. Jahrhundert und in der Werkstatt des Meisters als
Wiederholungen des persönlichen und frischer profilierten
Kopfes der neuen Tafel entstanden sein müssen, ihn nach rechts
gewendet zeigen.
(Die Weltheimat des Frans Hals.) In einer
Besprechung des von W. v. Bode herausgegehe.nen großen
Werkes über den großen niederländischen Maler Frans Hals,
das demnächst (im Verlage der Photographischen Gesellschaft
in Berlin) erscheinen und alle bekannten Gemälde des Meisters
bringen wird, stellt Dr. Max Fried-län d g r, der Direktor
des Berliner Kaiser Friedrich-Museums, fest, daß die zur Zeit
bekannte Gesamtzahl von nahezu.300 Werken des Künst
lers sich auf folgende Länder verteilt: »Deutschland steht
mit 63 Nummern an der Spitze. Der öffentliche Besitz ist hier
besonders reich, der Privatbesitz ist in jüngerer Zeit ein wenig
vermehrt worden. Die Vereinigten Staaten folgen mit
58 Bildern: sie haben sehr viel aus England, das letzt mit
54 Gemälden an dritter, und aus Frankreich, das mit 40
an vierter Stelle steht, berausgezogen. Rechnet man Kanada,
wo 6 Hals-Bilder bewahrt werden, zu den Vereinigten Staaten,
schlägt Amerika Deutschland, fiebrigen« ist es nur eine Frage
der Zeit, daß die Vereinigten Staaten auch ohne Hilfe Kanadas
an die Spitze rücken werden. An fünfter Stelle steht scheinbar
H o 11 a n d, die Heimat des Malers. Aehnlich wie im Falle Rem-
brandt ist der holländische Besitz weit bedeutender, als die
nackten Zahlen erkennen lassen. So viel Holland im 18. und
19. Jahrhundert hergeben mußte, noch heute kennt niemand den
Maler, der Haarlem nicht besucht hat. Dort und nur dort
sind seine großen Porträtgruppen, seine Gildenstücke zu sehen.«
Numismatik.
(M ii n z a u k t i o n e n.) Am 5. Mai und den folgenden
Tagen finden bei Dr. Jakob Hirsch in München Zwei
Auktionen statt, von denen die eine Münzen und Medaillen
nebst einigen Plaketten, hauptsächlich aus detn Besitze eines
bekannten deutschen Sammlers, enthält, während die andere
die kleine, aber ausgewählte Sammlung von Renaissancc-
medaillen und Plaketten des Dr. Artur Sambon in Paris
umfaßt. Unter den griechischen Münzen ist an großen Selten
heiten unter anderem eine Didrachme von Camarina mit der
Nymphe auf dem Schwan in unedierter Variante, eine Kimon
Dekadrachme auf besonders breitem Elan in herrlicher Er
haltung sowie eine Didrachme von Abdera zu erwähnen. Die
Serie der Römer weist fast alle, auch die seltensten Impera
toren auf. Unter den Renaissancemedaillen der Sammlung
Sambon finden sich gleichfalls Stücke von größter Seltenheit,
so eine Monumentalplakette des hl. Hieronymus, die auf der
Auktion Falke in London mit 21.500 Mark bezahlt wurde.
Von Italienern sind Donatello, Riccio, Sperandio, de Pasti
u. a. mit Prachtstücken vertreten, die deutsche Renaissance
ist durch Künstlernamen, wie Hans Krafft, Valentin Maler,