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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XII (1897 / 11)

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Text der Holzschnitte nichts bemerkt zu haben scheint. Die Cartouche 
des zweiten Bilderräthsels ist kleiner geworden, der Horizont der ganzen 
Darstellung ist tiefer gelegt. Bei einigen Tugenden, z. B. wTemperantiau, 
nModeratiow, "Opportunitasn sind die Formen üppiger, die bekleidenden 
Stolfe noch dünner und durchsichtiger, dagegen haben alle Sandalen als 
Fussbekleidung erhalten. Diese größere Freiheit in der Toilette der weib- 
lichen Umgebung des kaiserlichen Triumphwagens erregt Aufmerksamkeit, 
wir erinnern uns aber, dass zwischen den Aquarellen vom Jahre 1518 
und den Holzschnitten vom Jahre 1522 die niederländische Reise Dürer's 
liegt, wir erinnern uns, dass er am 23. September 1520 einen wirklichen 
königlichen Triumphzug, den Einzug Karl's V. in Antwerpen erlebte, 
und dass er bei dieser Gelegenheit die schönsten Mädchen der edelsten 
Familien in mythologischen Gruppen fast nackt bewundern konnte, wie 
er und Melanchthon uns erzählen. 
Und nun seien noch die wenigen übrigen Veränderungen des Zwölf- 
gespannes und der Begleiterinnen aufgezählt. Bei der nModeratiou ist das 
rechte Bein, Spielbein, richtiger gezeichnet, bei der wOpportunitasn ist die 
Lage des Lorbeerkranzes verändert, die Blätter laufen nicht gegen die 
Fingerhaltung, sondern in gleicher Richtung, eine unwesentliche aber sehr 
feinfühlige Abänderung, der rechte Arm der wVelocitasu wurde im Ell- 
bogengelenke nach oben abgebogen, das ausschreitende und überstreckte 
linke Bein der vVirilitasu (im Holzschnitte wAcrimoniau) ist zu einem 
soliden Standbeine umgestaltet. Die Hand der vSolertian greift etwas 
tiefer in das Kummer des Pferdes und der Arm selbst ist entsprechend 
gedreht. Bei den schönen und so charakteristischen Pferden findet sich 
keine Abänderung, nur der rechte Vorderfuss des Pferdes nVirilitasn 
kommt durch verändernde Stellung der Begleiterin besser hervor. Schließ- 
lich sind die Leitseile statt in langweiligen Geraden in Curven gezogen. 
Das sind sämmtliche Veränderungen, die Dürer in den sechs Holzschnitten 
des Gespannes gegenüber den Aquarellen von t5t8 vorgenommen hat, 
alles Uebrige ist mit peinlicher Genauigkeit in gleicher Größe den Aquarellen 
entnommen. Erwägt man, dass die Aquarelle von 1518 in sehr kurzer Zeit 
gemacht wurden -- am 5. Februar befiehlt der Kaiser in Innsbruck die An- 
fertigung, am 29. März bestätigt er schon den Empfang, es blieben also 
den Postenlauf etc. abgerechnet, für die Conception und Ausführung kaum 
sechs Wochen - so sind durch die Eile, mit welcher Pirkheimefs ldee, 
dem Triumphwagen 32 Tugenden beizugesellen, ausgeführt werden 
musste, die kleinen Mängel der Aquarelle genügend erklärt. Nach all' 
dem können diese nie und nimmer als Werkstattarbeit bezeichnet werden, 
sie sind sicherlich eigenhändige Arbeiten Dlirer's, bei welchen einzelne 
Details der Ausführung von Gehilfen herrühren. 
Die Facsimile-Reproductionen sind mit großer Treue hergestellt, 
nebst dem Tondrucke kamen fünf Farbenplatten zur Verwendung, braun 
für die Contouren und Schratfen, blau, gelb, roth (lncarnat), violett (Ge-
	        
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