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Nr. 1
Internationale Sammler-Zeitung
Bilder.
(Ein wiederauf gefundenes Werk des Giotto.)
Unter dieser Überschrift veröffentlicht F. Mason Perkins
in der „Rassegna d’Arte“ eine Tafel mit der Darstellung des
Todes der Maria, die in der älteren Giotto-Literatur durchaus
nicht unbekannt, seit längerer Zeit verschollen war und im
vergangenen Jahre im englischen Privatbesitz auftauchte.
Waagen sah das Bild,noch in der Sammlung Bromley-Daven-
port und beschrieb es in seinen Art Treasures in Great Britain.
Ebendort kannte es Cavalcaselle, in dessen History of
Painting die Tafel eingehende Würdigung fand. In der italieni
sehen Ausgabe des Werkes notiert eine Anmerkung den Über
gang des Bildes in die Sammlung Martin in London.
Und hier taucht zum ersten Male die Vermutung auf, die Tafel
könne identisch sein mit dem von Vasa ri besonders gerühmten
Marientod, den Giotto für die Kirche von Ognissanti gemalt
hatte. Schon Ghiberti kannte dieses Werk. Vasari berichtet,
es sei von Michelangelo sehr hoch geschätzt worden. In der
zweiten Ausgabe seiner „Vite" erwähnt er dann, das Bild sei
aus der Kirche entfernt worden. Es muß also zwischen 1550
und 1568 seinen ursprünglichen Standort verlassen haben.
Seitdem blieb es verschollen, bis Cavalcaselle den Gedanken
aussprach, die Tafel, die er in London sah, und auf die die alten
Beschreibungen in der Tat passen, sei keine andere als eben die
aus der Kirche Ognissanti. Aber zu der Zeit, als Cavalcaselle
auf diese glückliche Vermutung kam, war das Werk bereits
wieder verschwunden. Eine Sammlung Martin in London
hat nie existiert. Ein Martin w-ar vielmehr nur der Agent,
der im Aufträge der Familie das Bild zurückkaufte, als es in der
Versteigerung der Sammlung Bromley im Jahre 1863 nicht
den gewünschten Preis erzielte. Die Summe war allerdings
für die damalige Zeit hoch genug. Sie betrug 997 % Pfund.
Die Londoner National Gallery gab das letzte Gebot ab und
bemühte sich auch nachträglich nochmals um das Bild. Für
einen Trecentisten war ein ähnlicher hoher Preis bis dahin noch
nicht gezahlt worden. In der Folgezeit nahmen alle, die sich für
das Werk interessierten, an, es sei in jener Versteigerung ver
äußert worden, und suchten es nun überall, nur nicht bei der
Familie Bromley, in deren Hause in Woottcn Hall es bis zum
Jahre 1869 verblieb, um dann auf die entfernte Besitzung in
■Capesthorne verbracht zu werden. Eine glückliche Ent
deckung förderte es dort jetzt zutage. Herr Langton Douglas
in London erwarb es. Verkaufsverhandlungen, die das Metro
politan Museum in New-York anknüpfte, scheiterten an der
Preisforderung wie ehedem die der National Gallery. Un nun
trat das Berliner Kaiser Friedrich-Museum ein, das noch
kurz vor Ausbruch des Krieges das Werk erwerben konnte.
Berlin darf sich von nun an rühmen, eines der ganz seltenen,
eigenhändigen Tafelbilder Giottos zu besitzen.
(Die Wandmalereien zu Rupperswil.) Die spät
gotische Pfarrkirche zu Rupperswil im Aargau ist in verschie
dener Beziehung sehenswert. Aus der Zeit des Kirchenbaues
stammt noch der alte Turm mit seinem Satteldach („Käs
bissen''), eine spätgotische, geschnitzte Holzdecke mit Ranken
werk und eine, freilich defekte Wappenscheibe. Ein weiteres
Glasgemälde wurde gestiftet durch Hans Rudolf v. Hallwyl
(1643), Anna Maria v. Hallwyl, geborene v. May (1615) und
Johanna v.Hallwyl, geborene v.Ernau(1643); Samuel Imhoff und
seine Gattin Margareta v. Hallwyl errichteten im Jahre 1684 den
Taufstein, wie die Inschrift desselben meldet. Neuerdings sind
im Schiff des Gotteshauses Wandmalereien zutage getreten;
eine Figur ist bloßgelegt. Sie stellt den Apostel Bartholomäus
dar, mit einem Evangelienbuch in der Rechten, seinem Marter
instrument, dem Messer, in der Linken. Der Heilige steht in
einem oben rundbogig abgeschlossenen, sternbesäten Feld.
Die Arbeit verrät einen ländlichen Maler vom Ausgang des
Mittelalters ;dieFigur selbst weist auf eine Bilderreihe der zwölf
Boten hin, von denen elf aber noch unter der Tünche verborgen
sind.
(Radierungen von Ulbrich.) Wir lesen in der „Frkf.
Ztg.": Unsere liebe, alte Mainbrücke steht nicht mehr.
Nur im Bilde lebt sie weiter. Hat sie doch, die breite,
behäbige, mit ihren malerischen Bogen, ihrem alten
Wahrzeichen, ihrem rötlichen Gemäuer und den trutzig-
lichen Pfeilern seit jeher die Künstler gelockt. Noch kurz vor
ihrem Ende ist sie Gegenstand eifrigsten künstlerischen Be
mühens gewesen und eine eigene Ausstellung hat die damals ent
standenen Werke vereinigt. Als Letzter, der sie umworben,
stellt sich der durch seine Radierungen schlesischer Städte
bekanntgewordene Radierer Hugo Ulbrich mit zwei Blättern
von der alten Brücke ein. Das eine rückt den mittleren Teil
der Brücke in seiner ganzen Massigkeit vors Auge. Sie ist von
Sachsenhausen aus erfaßt, man sieht jenseits den Dom aufragen,
im Durchblick eines Bogens zeigt sich der Saalhof, auf der
Brücke selbst sticht der Hahn in die Luft, steht die Figur des
Kaisers Karl. Das Bild ist gut geschlossen, die Linienführung
kraftvoll und auf Kontraste bedacht, die technische Behandlung
sehr sorgfältig. Lieber als dieses Blatt mit den drohenden
Eisbrechern ist uns das andere, das die intimen und liebens
werten Reize der „Alten" festgehalten hat. Hier ist der Stand
punkt auf der Insel genommen, das Holztreppchen ist da,
das zur Brücke hinaufführt, der Brückenmühle Würfel dahinter,
der Blick schweift nach der Sachsenhäuser Seite mit dem herr
lichen (leider so vernachlässigten) Bau des Deutschordenshauses
und der Kirche. Hier ging die Nadel des Künstlers auf trauliche
Wirkungen aus, das Bild ist licht und heiter, das Schwere scheint
gelöst, es ist ein, man möchte sagen herzliches Bild mit zarten
Übergangsstimmungen, blanken Lichtern, warmen Schatten.
Auch hier zeigt sich das technische Vermögen des Künstlers
in der Zeichnung des Architektonischen, in der tuschmäßigen
Behandlung des Wassers, in der bewölkten Luft in rühmlichster
Weise. Dem Künstler war in Frankfurt noch eine besondere
Aufgabe gestellt: die Stadt bestellte ihm eine Radierung vom
Neuen Rathaus mit Pauls-Platz und Einheitsdenkmal.
Sie erwarb die Platte und gedenkt die Abzüge als Ehrengabe
zu verwenden. So löblich es ist, wenn Stadtverwaltungen der
artige Aufträge verteilen und so sehr es zu verstehen ist, "daß die
Stadt den Sitz ihrer Verwaltung dargestellt zu haben wünscht —•
für den Künstler war die Aufgabe nicht eben dankbar. Er hat
dieSteinmassen der Riesengebäude, das Brückchen, den vorderen
Teil der Paulskirche und das Denkmal gewiß kraftvoll hin
gesetzt und ist in der Behandlung der Fronten auf malerische
Wirkungen bedacht gewesen, aber es blieb ein Versuch am
untauglichen Objekt. Die Ehrengabe der Stadt bietet den damit
Ausgezeichneten ein repräsentatives Schmuckbild, aber ver
lieben kann man sich in ein Bild vom neuen Rathaus nun ein
mal nicht.
Handschriften.
(Rückfärbung verblichener Urkunden.) Nach
einer Mitteilung der „Süddeutschen Apotheker-Zeitung“ ist
dem Apotheker W. Th. Sauter in Schorndorf (Württemberg)
ein Verfahren zur Rückfärbung erloschener oder verblichener
Schriftstücke patentiert worden. Die Erfindung bezieht sich
aber nur auf Schriftzeichen von Eisentinten (Schreib
maschinentinten werden wohl ausnahmslos aus Anilinfarb-
stoffen hergestellt). Das Verfahren beruht auf der Rückwandlung
der abgebauten Eisengallusverbindung durch eine fermentierte
Gallussäure-Gerbsäurelösung in eine der ursprünglichen
Formel ähnliche Verbindung. Erweist sich eine Schrift als nicht
diiekt rückfärbungsfähig, so wird das Eisen der Schriftzüge
mittelst eines farblosen Schwefelammoniums ausgefällt und das
erhaltene Schwefeleisen durch geeignete, sauerstoffabspaltende
Stoffe oxydiert. Die neugebildeten Verbindungen derartig
rückgefärbter Schriftzeichen sind laut des Gutachtens des
chemischen Laboratoriums des königlichen Medizinalkollegiums