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Nr. 1
Internationale Sammler- Zeitung
Der Krieg und der Antiquitätenhandel.
Von S. Glückselig (Wien).
Es .kommt immer anders!
Kurz nach Ausbruch des Krieges wurde allgemein
angenommen, daß Antiquitäten einem großen Preis
sturz entgegengehen. Es gab wohl einzelne seriöse
Sammler, welche das Gegenteil behaupteten, ihnen
wurde jedoch widersprochen und eine ganze Anzahl
von Gründen entgegengehalten, warum Antiquitäten
im Preise sinken müßten. Es wurde namentlich ins
Treffen geführt, daß die alte Kunst „überwertet“
wurde, daß die Eigentümer von Sammelgegenständen
aus finanziellen Gründen gezwungen sein würden,
Objekte abzugeben u. dgl. m. Angst- und Zwangs
verkäufe wurden prophezeit. Nichts von alledem ist
eingetreten. Gerade das Umgekehrte ist der Fall. Man
bringt sehr wenig auf den Markt und was da kommt,
hat keinen ursächlichen Zusammenhang mit dem
Kriege." | | ;) -
Da war wieder einmal der Wunsch der Vater des
Gedankens. Man glaubte eben billiger zu auserlesenen
Objekten zu gelangen, die — anderen gehören, denn
die eigenen Sachen gibt man ja nicht weg, da sie bereits
bezahlt sind.
In dem letztgenannten Moment liegt übrigens auch
der Grund dafür, daß der Händler gute Waren selten
mit Schaden absetzt. Der Händler hat in der Regel keine
oder nur geringe Schulden und kann, von Gläubigern
nicht gedrängt, die bessere Konjunktur abwarten.
Er ist nicht bemüssigt, die Ware um jeden Preis los
zuschlagen und tut es eben nicht. Also mit der Illusion
von billigen Antiquitäten ist es wieder einmal nichts.
Natürlich ist infolge der schweren Zeit der Kunst
handel sehr reduziert, da zunächst noch die richtige
Stimmung zum Kaufen fehlt. Aber hoffentlich dauert
es nicht mehr lange, bis ein Wandel zum Besseren sich
vollzieht.
Zu bedauern sind eigentlich nur die Marchands
amateurs. Verkaufen können die Herrschaften jetzt nicht
und billige Einkäufe können sie trotz des. Krieges
auch nicht machen. Bei Eintritt ruhigerer Zeiten
werden die Sammler vorsichtig sein müssen, denn
da wird ihnen gnädigst manches Stück „unter der Hand
angetragen“ werden. Wenn die Sachen alt und echt
sind, ist es ja noch gut, aber wenn es sich um Fälschungen
handelt, wird der gute Freund nicht zur Verantwortung
herangezogen werden können.
Schade ist es um den Verlust von so vielen hervor
ragenden Kunstobjekten, die in Galizien, in Belgien
und in Rußland zugrunde gingen. Viele, viele Millionen
Werte sind dahin, welche nicht mehr zu ersetzen sind.
Ich spreche nicht von gestohlenen Objekten, die doch
früher oder später wieder auf dem Markte auftauchen
werden; nein, ich habe die Objekte im Auge, die durch
Feuer, durch die Zerstörungswut der Feinde, durch
Unverstand verloren gingen. Man darf aber nicht zu
viel daran denken, da man schwermütig darüber werden
könnte.
Alexander Sclmütgen.
Aus Köln wird uns geschrieben:
Durch die deutsche Presse ging dieser Tage die be
trübende Kunde, daß Domkapitular Professor Dr. Alexander
Schnütgen, im Alter von 71 Jahren gestorben sei. Die
Nachricht bewahrheitet sich erfreulicherweise nicht, und
es ist aufs innigste zu wünschen, daß der verdienstvolle
Kunsthistoriker und Sammler christlicher Altertümer, uns
noch lange erhalten bleibe.
Der gelehrte Priester ist durch seine einzigartige Sammlung
von Werken kirchlicher Kunst, die jetzt das städtische Museum
in Köln schmückt, weit über die Grenzen seiner Heimat-
provinz hinaus bekannt und berühmt geworden.
Zu Steele a. d. Ruhr geboren, studierte Schnütgen in
Münster und Tübingen, später auf den Priesterseminaren von
Löwen und Mainz, um in den geistlichen Stand zu treten.
Schon damals galt sein Interesse vorzugsweise den Schätzen
christlicher Kunst; später, als Domvikar und Domkapitular
in Köln, hatte er Gelegenheit, sich ganz in deren Studium zu
versenken und, durch persönliche Wohlhabenheit begünstigt,
teils an seinem Wohnorte selbst, teils auf ausgedehnten Reisen
wertvolle Werke dieser Art in großer Zahl zu erwerben. Durch
fortgesetzte Ankäufe gelang es ihm, eine Sammlung von Tafel
bildern und Glasgemälden, Plastiken, Metallgefäßen und Kultus
geräten, Meßgewändern, Stickereien usw. zusammenzubringen,
die in dieser Vollständigkeit wohl einzig dasteht und die die
Entwicklung der altchristlichen Kunst bis zur Reformation
in unübertrefflicher Weise veranschaulicht. Vor etwa fünf
Jahren schenkte er seine kostbaren Schätze der Stadt Köln,
die sie in einem eigens dazu erbauten, im Oktober 1910 eröffneten
Flügel ihres Kunstgewerbemuseums aufstellte und den hoch
herzigen Spender zu ihrem Ehrenbürger ernannte.
Durch seine vieljährige Beschäftigung mit den Werken
christlicher Kunst hat sich Schnütgen allmählich zu einem
der ersten Kenner auf diesem Gebiete lierangebildet, dessen
Rat und Urteil von Fachleuten des In- und Auslandes vielfach
eingeholt wird. Als Kunstscliriftsteller ist er namentlich
wegen seiner ausgezeichneten, in ihrer Art mustergültigen
Kataloge seiner und anderer Sammlungen geschätzt. Auch die
„Zeitschrift für christliche Kunst“, die er seit dreißig Jahren
herausgibt, und andere kunstwissenschaftliche Fachblätter
\erdanken ihm wertvolle Beiträge. Im Jahre 1903 ernannte
ihn die katholiscli-theologi sehe Fakultät in Münster zum Ehren
doktor; 1909 verlieb ihm die philosophische Fakultät der jetzt
vielgenannten belgischen Universität Löwen die gleiche Würde.
Eine Reihe von Jahren hielt der gelehrte Forscher, der sich bei
seinen Mitbürgern in Köln höchster Verehrung erfreut,
und den auch Kaiser Wilhelm wiederholt durch Beweise
seiner Gunst auszeichnete, als Honorarprofessor an der Univer
sität Bonn Vorlesungen über Archäologie der christlichen Kunst.