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Internationale Sammler- Zeitung
Nr. 10/11
schwingenden, zornentbrannten Heiland, ein umge
stürzter kunstloser Tisch.
In dem San Gines-Exemplar erreicht die Ver
innerlichung ihren Höhepunkt. Der Horizont ist
verschwunden, und den Hintergrund bildet der geheim
nisvolle Säulenwald des Tempels, den weiße Lichter
und schwarze Schlagschatten durchzittern. Dadurch,
daß der Künstler die Szene in den geschlossenen Raum
gepreßt hat, bekommt er eine Synthese der Erscheinung
heraus, die unmittelbar packt und hinreißt. Das Ganze
liegt innerhalb der natürlichen Grenzen des Sehfeldes,
und es gibt darin keinen toten Punkt.
Alles atmet Kraft, Bewegung und Leben, glühenden
Uberzeugungsdrang. Die Zentralisierung des Interesses,
die Geschlossenheit der impressionistischen Darstellung
ist vollkommen. Im Mittelpunkt die energisch ragende
Gestalt des göttlich-entrüsteten Menschensohns, rund
um ihn das Gewirr und Gedränge der erschreckten,
rettenden, flüchtenden Krämer und Schacherer, ein
Augenblicksbild von unsagbarer Verve. Jeder Pinsel
strich schreit die Intensität der Empfindung hinaus,
das Walten eines dämonisch grübelnden, gequälten
Geistes. Und dann die unendlich feinen Beziehungen
der Farben werte: die wunderbaren Harmonien des
Violett und Mattgrün, die wirkungsvolle Gegenüber
stellung massiver Farbenflächen in den Gewändern
und luftiger, wallender, hingehauchter Partien, die
silbrig flimmernde Lichthelle, die die Figuren um
spielt und in den Raum einbettet und die Schatten
durchsichtig macht, zeigen uns, daß auch noch mitten
in der Ekstase der Stilwille und der Ausdrucksdrang
des greisen, seiner Todesstunde harrenden Meisters
gleichsam automatisch, aber machtvoller als je tätig
waren. „Voss. Ztg.“
Krieg und Briefmarkenhandel.
Aus Berlin wird berichtet:
Ein Berliner Briefmarkenhändler hatte an amtlicher
Stelle angegeben, am 8. Juli 1914 an einen Petersburger Brief
markenhändler eine Briefmarkensammlung zum Preise von
12.000 Mark verkauft und an Stelle dieses Betrages fünf Wechsel
erhalten zu haben, deren erster in Höhe von 5000 Mark am
25. Oktober 1914 fällig war. Infolge des von der russischen
Regierung gegen Deutschland erlassenen Zahlungsverbots
konnte der Wechsel nicht eingelöst werden. Der Schuldner
hatte sich indessen erboten, behufs Begleichung seiner Wechsel
schuld dem Gläubiger russische Wohltätigkeitsbriefmarken in
entsprechender Menge in Zahlung zu geben. Um wenigstens
einen Teil seines Geldes zu erhalten, hatte sich der Berliner
Händler mit diesem Vorschlag einverstanden erklärt, er bat
hiernach, diese Marken in Deutschland verkaufen zu dürfen.
Wenn, wie es geschehen ist, der Reichskanzler (Reichsamt
des Innern) im Einvernehmen mit dem preußischen Minister
des Innern dem Gesuchsteller auf diesen Antrag eröffnete,
daß der Vertrieb der russischen Marken in Deutschland un
zulässig sei, so hat unsere Regierung damit nur in einem ein
zelnen Falle ausdrücklich entschieden, was auch auf alle
anderen ähnlichen Fälle zutriift: daß durch den Vertrieb von
Briefmarken feindlicher Staaten unserseits Einrichtungen einer
feindlichen Macht unterstützt werden würden, eine Handlungs
weise, die nicht geduldet werden dürfe. Und wie die deutsche,
so hat auch die österreichisch-ungarische Regierung zu dieser
Frage Stellung genommen, indem sie einem Wiener Brief
markenhändler aul seine Beschwerde von Anitswegen erklärte,
daß die Einfuhr von unabgestempelten Kriegsmarken feind
licher Länder unstatthaft sei, w'cil dieselbe einen mit diesen
Ländern verbotenen Geschäftsverkehr voraussetzt. Es sei
hierbei kein Unterschied, ob dieses Geschäft unmittelbar mit
dem feindlichen Ausland oder mittelbar durch ein neutrales
Land abgeschlossen wird.
In deutschen Briefmarken-Sammlerkreisen ist mit Recht
darauf hingewiesen worden, daß der Handel mit feindlichen
Kriegsmarken eine finanzielle Unterstützung des Gegners dar
stellt, man mag die Sache anfassen, wie und wo man will. Um
so betrübender erscheint es, wenn trotzdem einzelne Kreise
der deutschen Philatelie den Handel mit feindlichen Brief
marken durch Ver- oder Ankauf eifriger betreiben, als im natio
nalen Interese wünschenswert ist. „Es darf ruhig behauptet
werden“, so schreibt ein Universal-Anzeiger für Briefmarken
sammler „Die Post“ (Bischweiler i. Flsaß) in Nr. 4, „daß seit
Kriegsbeginn für viele Tausend Mark feindliche Kriegsmarken
nach Deutschland eingeführt und hier umgesetzt worden sind,
wobei selbstverständlich der Feind den größten Nutzen ein
heimste.“ Immerhin sind dies Ausnahmen; die großen deutschen
Markenfirmen lehnen fast durchweg den Handel mit solchen
Erzeugnissen des Auslandes grundsätzlich ab, und fast alle
deutschen Sammlerverbände wirken im engeren Kreise ihrer
Mitglieder im gleichen Sinne. Wenn z. B. der Briefmarken-
Sammlerverein „Suevia“ alle Sammler Deutschlands und
Österreich-Ungarns in einem Aufruf mahnt, nicht die Taschen
skrupelloser Spekulanten des feindlichen Auslandes mit gutem
deutschen Golde zu füllen, ganz abgesehen davon, daß in den
meisten Fällen eine Übervorteilung durch Phantasiepreise
stattfindet, so verdient dieser Mahnruf ernste Beherzigung.
Besondere Kriegsgesetze stellen, wie im Gegensatz zu unserer
Art hervorgehoben werden soll, bei unseren Feinden den Handel
mit den während der Kriegszeit ausgegebenen Marken feind
licher Länder unter schwere Strafen, da hierdurch der Gegner
finanziell unterstützt werde. So ist z. B. ein Versuch einzelner
englischer Händler, die einen Handel mit den Wertzeichen
der deutschen Post in Belgien wagten und das sich regende
Gewissen in der Last gewaltiger Profitprozente erstickten, mit
Hilfe der mobil gemachten Ta.gespresse sofort unterdrückt
worden. Man ist sicli seitdem jenseits des Kanals darüber einig,
daß der Handel mit feindlichen Kriegsmarken nach den Kriegs
gesetzen verboten und zu bestrafen ist.
Gleichzeitig überschwemmen unsere Feinde aber den
pliilatelistischcn Markt mit Kriegsausgaben der verschiedensten
Briefmarken, die sie in jedem besetzten Erdfleckchen ganz
ohne Rücksicht auf das postalische Bedürfnis ausgeben, in
der Hoffnung, daß auch die zahlreichen Sammler Deutschlands
und Österreich-Ungarns diese Spekulationsprodukte zu den
künstlich hochgetriebenen Preisen durch Vermittlung des
neutralen Auslandes kaufen werden. Kauft diese Marken nicht!
Diese Mahnung gilt auch bezüglich aller feindlichen Kriegs
wohltätigkeitsmarken, die während des jetzigen Krieges ver
ausgabt sind, denn der Einwand, die Erträgnisse seien humani
tären Zwecken gewidmet, verfängt um so weniger, wenn man
bedenkt, daß immer nur ein bescheidener Prozentsatz jeder
Einnahme aus solchen Marken diesen Zwecken dienstbar ge
macht wird, der größere Teil aber in die Staats- und damit
Kriegskasse des Feindes fließt!
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