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Internat io näicSammler-Zeitung
Nr. 10/M
Von Theodor Körner enthält die Sammlung
manches Ungedrucktc, so ein Fragment „Faustulus“,
in dem neben dem Titelhelden Romulus und Remus
auftreten. Ein begeisterter Freiheitsbrief , überschrieben
„Freunde, Brüder und Landsleute!“ dürfte ebenfalls
noch nicht veröffentlicht sein. Der Brief, der am
28. September 1911 in Wien geschrieben wurde,
beginnt: „Ein wunderbar gelauntes Schicksal läßt
mich nie lange froh sein, im Kreise meiner Freunde.
Ich hatte in Leipzig kaum angefangen, in freyen
brüderlichen Verhältnissen mich glücklich zu fühlen,
als ich um einer üblen Behandlung zu entgehen,
flüchten mußte“ . . . Weiterhin heißt es: „Vater-
1 a n d) Ehre, Frey heit, giebts Wörter in allen
Sprachen der Welt, die ein Herz mehr entflammen
können? Schande und Schimpf über den, der nicht
Pariser Kunst in u
Sonst pfkgte eine Menge großer und kleiner Pariser
Kunstausstellungen bei Frühlingsbeginn eröffnet zu
werden. Und die Pariserin konnte sieb gar nicht einen
lebendigen, blühenden Baum oder einen gefühlvollen
Sonnenuntergang vorstellen, den sie nicht gleich mit
einer mehr oder minder getreuen Kopie auf Leinwand und
in Öl hätte vergleichen können. Wie das ganze kul
turelle Leben war bisher auch dieser sonst üppig
treibende Zweig verschwunden : es gab keine französi
sche Kunst wie keine französische Literatur. Nun
mehr sind zwei Kunstausstellungen organisiert worden,
schüchterne Unternehmungen, die die Wohltätigkeit
als Deckmäntel haben und sich gleichsam damit wegen
ihres Bestehens entschuldigen. Sie haben nicht, wie
einst in dem prächtigen, der Kunst speziell gewidmeten
Grand Palais in den Champs Elvsees ihr Heim, son
dern in Zufallsräumen, die gerade nicht durch kranke
Soldaten und Militärdepots besetzt sind.
Die eine seriöse Kunstausstellung nennt sich der
„Salon des Poilus“ und enthält nur Werke von
Künstlern, die vor dem Feind gefallen sind, ver
wundet wurden, gefangen sind oder noch in der
französischen Armee kämpfen. Es haben sich dafür
alle Kunstvereinigungen, die sich sonst aus idealen
und materiellen Gründen recht heftig bekämpften und
verspotteten, zusammen getan.
Skizzen nach der Natur, im Fieber des Kampfes
hingeworfen. Bilder von der Front und von der Ruhe
nach einer Schlacht bilden natürlich die Mehrzahl der
ausgestellten Werke. Ein bekannter französischer
Maler, Guiraud de Scevola, der bisher elegante
Frauenporträts oder den sentimentalen Reiz vor
nehmer Parks zum Gegenstand seines Schaffens ge
nommen hatte, hat die Städte und Dörfer besucht,
die im Mittelpunkt der Kämpfe waren, und hat ihre
Ruinen in einer Bilderreihe gemalt. Ein Maler
Dauphin, der als Luftschiffer in der französischen
Armee dient, hat die Kathedrale von Reims vor und
nach dem Bombardement aus den verschiedensten
Perspektiven verewigt. Reims, die Stadt, die Straßen,
ihre Kathedrale in allen Details, ist natürlich in
Dutzenden von Gemälden gleichsam als Propaga.da
für die Kriegsbsgeisterung abkonterfeit worden. Da
neben auch andere Provinzstädte,’ wie Arras, d'e
wochenlang von französischen und deutschen Schrap-
sein Leben m die Schanze wirft für diese Drey-
faltigkeit . . . Mir aber, der zum letzten Mal mit
Euch spricht, vergönnt es, wie einem Sterbenden
vergönnt ist, noch einige herzliche Worte über das
gemeinschaftliche Streben zu sagen etc.“
Ein Prachtstück ist das Manuskript Rückerts
von „Erbauliches und Beschauliches aus dem Morgen
land“. Von den 226 Seiten, die diese Gedichtsammlung
umfaßt, sind 175 vom Dichter selbst geschrieben.
Noch möchten wir aus der reichhaltigen Sammlung
hervorheben: Autographen von Herder, Heine, Börne,
Platen, Jean Paul, Kleist, den Brüdern Grimm,
Freytag, Anzengruber, Arndt, Achim v. Armin,
Auerbach, Brachvogel, Bürger, Marie v. Ebner-
Eschenbach, Cdramisso, Martin Greif, Halm, Krum-
macher und Holtei.
d hinter der Front.
nells zu leiden hatten. Es gibt Dokumente über das
Leben in den Schützengräben und am Schlachtfelde,
die mehr als solche denn als Kunstwerke ergreifend
wirken.
Ferner hängen neben solchen „Augenblicksbildern“
auch durchgearbeitete Kunstwerke, die vor dem Kriege
noch beendigt worden waren und deren Autoren die
Ausstellung der Bilder nicht mehr erlebt haben. Von
dem Dichter Charles Pegny, der einer der ersten der
französischen Toten war, gibt es mehrere Porträts und
merkwürdigerweise sind alle Maler, die sie verfertigt
hatten, gleichfalls tot.
Aber natürlich ist fast in jedem Saale der Mittel
punkt der Ausstellung ein Porträt, eine Büste, ein
Medaillon des Generalissimus Joffre, der, wh er
wähnt wird, aber nur zweimal selbst, einem Maler
und einem Bildhauer, während des Krieges ge
sessen hat.
Von besonders interessanten Ausstellern seien noch
erwähnt ein Pole, Karbowsky, der, achtundfünfzig
Jahre alt, sich als Freiwilliger in die französische
Armee einreihen ließ und, da er ein Blumenmaler ist,
nur Blumen auf dem Schlachtfclde gemalt hat. Ein
Maler, Lemordant, war Gefangener in Deutschland
und ist gänzlich erblindet, weshalb er „ausgetauscht“,
das heißt heimgeschickt worden war.
Schließlich steht im Mittelraume eines Saale; ein
„Monument der ewigen Schande Deutschlands“ von
Moreau Vaut hier, das dieser Bildhauer, jetzt
Kommandant einer Maschinengewehrabteilung in der
Front, in den Pausen der Kämpfe verfertigt hat.
Die zweite offene Kunstausstellung ist der „Salon
der Humoristen“. Die Kritik konstatiert, daß
sich wegen der Zeitumstände ihre Phantasie etwas
gemäßigt hat, daß ihr derbes Lachen gesitteter ge-
worden ist und daß die Zweideutigkeit der Darstellung
des Schrecklichen, des Enthusiasmus, der Angst Platz
gemacht hat. Mehr als in jener ernsten Kunst
ausstellung haben alle Empfindungen Englands und
der Franzosen seit Beginn des Krieges hier ihren
Reflex gefunden. Kurz, die Humoristen haben sich
zu ihrem Vorteil und zur Freude des Publikums ver
ändert. Und da das Erträgnis der Ausstellung nur
für wohltätige Zwecke der Humoristen und Zeichner
verwendet werden wird, so wird diese Ausstellung, so