Nr. 10/11
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Internationale Sammler- Zeitung
meinen die Kunstkritiker der Pariser Zeitungen, auch
von Leuten besucht werden, die bisher dem ..Salon
der Humoristen“ fern blieben.
Auch hier gibt es Werke der direkten Anschauung
•—• sie sind die zahlreicheren — und der in aller Ruhe
verfaßten und ausgeführten Studie. Da gibt es besonders
viele Bilder und Skizzen aus dem Elsaß. Forain,
der immer mit seinem Bleistift politische und natio
nalistische Hetze betrieben hat, soll jetzt wieder die
Höhe seiner Kunst erreicht haben. Er zeichnet Sol
daten im Schützengraben, von denen einer zum andern
sagt : „Was willst du ? So ist das Leben !“ Ein
anderer Soldat ruft, während er das Gewehr ladet:
„Und daran denken müssen, daß ich zu jenem ein
mal „Genosse“ gesagt habe !“ Oder eine Frau, die
nach dem Untergang der „Lusitania“ aus dem Wasser
gezogen wird und sagt: „Wie wird mich Wilson rächen!“
Willette zeichnet Kriegs- und Deutschenhetze,
auch Stein len, den man bisher als Maler der
Ärmsten unter den Armen, als fühlenden Künstler
kannte. Er hat auch Skizzen von französischen
Flüchtlingen aus dem Norddepartements. Abel
Faivre, der neben grotesk-humoristischen Zeich
nungen auch die zartesten Kinder zu porträtieren
pflegt, hat ein „.Kind mit der Puppe“ eingesendet,
ein Kind, das inmitten einer rauchenden Trümmer
stätte spielt. Sem hat den deutschen Kaiser und
den Kronprinzen karikiert.
Alle, auch im Auslande bekannten Namen französi
scher Humoristen des Bleistiftes sind in dieser Aus
stellung vertreten und verlassen nicht die herrschende
Note, die von dem elsässischen Maler Hansi am
stärksten betont wird und die in dessen Manier ge
halten ist.
Chronik.
Ansichtskarten.
(Neuheiten). Das Kriegshilfsbureau in Wien hat aber
mals neue Ansichtskarten nach Originalgemälden bekannter
Maler hergestellt. A. Marussig stellt Szenen aus dem Kriegs
leben zur Verfügung. Sein „Infanterieangriff“ sowie „Die öster
reichisch-ungarische Infanterie am Marsche" sind höchst
wirkungsvoll, ebenso „Der österreichisch-ungarische und
deutsche Soldat“, welche Schulter an Schulter in einem den
allgemeinen Weltbrand versinnbildlichenden Flammenmeer
unerschrocken und kampfbereit standhalten. „Die Über
rumpelung eines einen Hühnerhof plündernden russischen
Soldaten durch zwei österreichisch-ungarische Infanteristen“
entbehrt nicht einer gewissen Komik. Ein weiteres Bild zeigt
den Abtransport gefangener Franzosen aus einer gefallenen
Festung. Vom Maler Kl ab er stammt die Karte „Auf Vor
posten". Eine in der Ferne nachts auftauchende Abteilung
feindlicher Reiter wird von gedeckter schußbereiter Infan
terie beobachtet. Besonders stimmungsvoll erscheint das zweite
Bild dieses Künstlers „Eie letzte Beichte“ eines Verwundeten
auf dem Schlachtfeld. „St. Georg mit uns“ nennt Maler
Fr. Jung eine vom Schutzpatron der Reiter in voller Rüstung
auf mächtigem Streitroß geführte Husarenattacke.
Bibliophilie
(Spanische Kriegsliteratur.) Die spanische Kriegs
literatur trägt, getreu den literarischen Überlieferungen im
Land Don Quijotes, zum großen Teil einen phantastischen
Charakter. Es ist dort eine Anzahl von Kriegsbüchern er
schienen, die halb Roman und hall) Politik sind. Das eine,
das den Titel führt „Lord Kitcheners Geheimnis“, ist deutsch
freundlich, während der Verfasser des Buches „Die Träume des
Kaisers“ auf der Seite der Verbündeten steht. „Lord Kitcheners
Geheimnis" ist bereits gegen Ende 1914 entstanden: der Ver
fasser ist Don Cirici Ventallo, der, wie er einleitend bekennt,
das Buch im Zeiträume von 22 Tagen fertiggestellt hat. Er
läßt den Krieg mit einer vollständigen Niederlage der Ver
bündeten enden. König Georg von England muß vor der
deutschen Invasion nach Gibraltar flüchten, wo der Schc-rif
Mulei Jussuf ihm als einziger Beschützer verbleibt. Den
Wettbewerb mit diesem Buche haben die Brüder Enrigio
und Miguel Tato Amat aufgenommen, die Verfasser der
„Träume des Kaisers" gleichfalls einer Art von phantastischem
Kriegsroman, zu dessen Abfassung sie nicht mehr als 18 Tage
gebraucht haben. Diese Erzählung führt den Eeser zum Schluß
auf die Friedenskonferenz nach Madrid, wo das Deutsche Reich
in Stücke zerschlagen und aufgetcilt wird. General Joffre
erhält zu Versailles die Würde eines Matschalls von Frankreich,
und Poincare tritt ihm die Präsidentschaft der Republik ab.
Der neue Marschall aber lehnt die Ehre ab und bittet sich
als einzige Belohnung die Stelle als Bürgermeister in seinem
Dorfe aus. (!) Spanien und Portugal benutzen die gute Gelegen
heit, um sich zu einer Iberischen Republik zusammenzuschließen
und das französische Schlachtschiff „Republique“ entführt
„Wilhelm von Hohcnzollern“ nach Sankt Helena. Eine dritte
Schrift dieser Art stammt von einem Jaimisten, Herrn Jose
Maria Requena Ortiz, der sich als Schriftsteller C. Jrom
nennt. Die Schrift, die nach einem Bericht im „Journal des
Debats“ in Spanien viel Umlauf haben soll, nennt sich „Spanien
als Großmacht", hat aber trotz dieses politischen Titels auch
einen vorwaltend phantastischen Charakter. Der Verfasser
läßt Spanien gegen die Verbündeten in den Krieg eintreten.
250.000 Spanier überschreiten die Pyrenäen und werfen die
ihnen entgegengesandten französischen Teritorialregimenter.
Der Präsident und die Regierung von Frankreich flüchten
nach Brest, die Verbündeten erleiden eine vollständige Nieder
lage, und Deutsche und Spanier treffen einander in Poifiers.
In Washington wird der Friede unterzeichnet, durch den
Spanien große Teile von Marokko, Französisch- und Portu
giesisch-Guinea, den französischen Kongo und andere afrikani
sche Gebiete erhält. Den Oberbefehl über die spanischen
Truppen läßt der Verfasser Don Jaime von Bourbon führen,
der dann als Jaime ITT. den Thron des zur Großmacht heran
gewachsenen spanischen Reiches besteigt.
Bilder.
(Holbeins Porträt des Thomas Cromwell.) Gerade
jetzt, wo man in England damit umgeht, Maßregeln gegen die
weitere Abwanderung englischer Kunstwerke ins Ausland zu
treffen, kommt die Nachricht, daß ein bedeutendes Werk
Hans Holbeins aus englischem Besitz nach Amerika verkauft
worden ist. Es handelt sich um das schöne Porträt des Thomas
Cromwell, Earls von Essex, das seit langer Zeit in Tyttenhangcr,
dem Schloß des Lord Caledon, seine Stätte gehabt hat. Im