Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
7. Jahrgang. Wien, 1. Juli 1915. Nr. 12.
Sammler im Felde.
Von Edmund Glan.
Daß der Sammelsport uns allen im Leibe steckt
und daß es nur der Gelegenheit bedarf, ihn zu wecken,
kann man mehr als überall im Felde beobachten.
Aus Zeitungsberichten weiß man, daß der Stellungs
kampf im Schützengraben unseren braven Soldaten
mitunter genügend Zeit läßt zu allerhand nützlichen
und anregenden, unterhaltenden und erfrischenden
Beschäftigungen. Aber nur wer die Unterkunft im
Schützengraben mit den Wackeren geteilt hat, wer
sich mit ihnen an einem kleinen Feuerchen im Lchm-
loch heimlich gewärmt und gefreut hat, nur der kann
die kleinen Freuden und Leiden der Troglodyten
unserer Tage richtig verstehen und in ihren Geist
eindringen.
Einer unserer Blessiertenträger, ein Pole namens
Baranowski, brachte mich auf den Gedanken, die
Sammler im Felde zu studieren. So oft jemand von
uns ein frisches Hemd brauchte, Baranowski stellte
es zur Verfügung. Er hatte ein ganzes Wäschelager
in seinem mächtigen braunen Rucksack, den er nicht
einen Augenblick im Stiche ließ. Und hatte die Last
nicht einen Kilometer weit geschleppt. Eine Sammlung,
die auf durchaus zulässige Weise zustande gekommen
war. Schenkungen von Marschmaroden, die sich ihre
Last hatten erleichtern wollen. Er nahm dafür die
gebrauchten Hemden in Empfang, wusch sie mit
Todesverachtung in der nahen Udva vom Ungeziefer
rein und ließ sie in der Frühjahrssonne vom scharfen
Nordost der Beskiden trocknen, um sie nach einigen
Stunden schmunzelnd seiner Sammlung im Rucksack
einzuverleiben. Diese mußte immer komplett bleiben
und sie blieb es auch, als Baranowski sich mit zer
schmetterter Hand aus der Schwarmlinie zurückziehen
mußte, wo er getreulich seine Pflicht erfüllt hatte.
Er war der erste Sammler, den ich im Felde traf,
ein nützlicher Sammler, der aber immer nur sein
Dutzend vollmachte und dann zufrieden war.
Der zweite, den ich traf, war ein älterer Deutsch
meister. Zinkograph von Beruf, litt er an chronischer
Bleivergiftung, was man auf den ersten Blick sah
und dachte nicht daran, sich marode zu melden. Er
sammelte russische Gewehre, die er fast täglich
auf Patrouillengängen erbeutete, stemmte aus jedem
der Gewehrkolben einen Holzsplitter heraus und
lieferte die Gewehre ab, wmfür er die wohlverdiente
Prämie erhielt. Die Kolbensplitter aber sammelte er,
um sie daheim zu einer Intarsienarbeit für seine
Schwiegertochter zu verwenden. Jedes der Holz
stückchen trug in zierlicher Schrift eingraviert das
Datum des betreffenden Patrouillenganges.
Ein Feldwebel desselben Regiments, das einige Z it
neben uns in Stellung lag, hatte eine komplette
Sammlung von russischen Chargen-und Offiziers
abzeichen aller Grade, Schilderchen und Achsel
schnüre, buntbemalte Blechstücke und zerfetzte
beschmutzte Stoffrestchen. Sie füllten die mächtige
Revolvertasche des Unteroffiziers, der alle diese kleinen
Trophäen selbst erbeutet hatte und jedes Kaufanbot
standhaft zurückwics. Selbst einen gleichfalls erbeuteten
höheren russischen Orden nahm er nicht. Eines Tages
aber kehrte er von einem seiner Patrouillengänge
nicht mehr zurück und mit ihm blieb seine Trophäen-
sammlung verschwunden.
Der Diener eines Jäger Offiziers auf Cöte 8 machte
dem bekannten Beinamen aller Offiziersdiener Ehre.
Er sammelte mit Leidenschaft Pfeifenköpfe! Sooft
er das braune Weichselrohr, das aus seinem Stiefel
schaft hervorlugte, herauszog, konnte man dessen
gewiß sein, daß ein neuer Pfeifenkopf daran hing.
Er hatte patriotische und solche mit Sprüchen, Liebes
gaben und russische Köpfe mit dem Bildnisse des
Zaren und mit Darstellungen aus dem Alten und
dem Neuen Testament. Als seine Sammlung schon
einen ganzen Munitionsverschlag füllte, begann er nach
rechter Sammlerart Duplikate auszuscheiden und aus
zutauschen und es entwickelte sich ein stillschweigend
geduldeter harmloser Tauschhandel zwischen ihm und
den braunen Söhnen der Kirgisensteppen, die uns
gerade zu Hunderten zugelaufen kamen. Wenn der
Pfeifendeckel seine Sammlung indessen fortgesetzt hat,
werden wohl zwei bis drei Tragtiere erforderlich sein,
sie zu, Tal zu bringen. :
Eine Sammlung, die auf tragische Weise komplett
geworden ist, legte im Felde einer der jüngsten und
strammsten Kadetten an, die ich kannte. Er sammelte
Geschoße und Sprengstücke aller Art, die in
seiner Nähe zu Boden fielen oder irgendwo stecken
blieben. Er wollte nach Beendigung des Krieges die
letzten Prüfungen ablegen und dann einen Hausstand
gründen. Seine Braut, ein liebes, kleines, b'ondes
Wiener Mädel, dessen Bild er verliebt jedem zeigte,
liebte er schon seit dem ersten Tanzunterricht in der
Quinta. Die merkwürdige Sammlung wollte er um
den Myrthenkranz herum zu einem Dekorations-