MAK
Nr. 13 
Internationale Sammler-Zeitung 
Seite 169 
stattgefunden. Für die Spitzenausstellung haben wieder 
der Hof und die Granden äußerst wertvolle Beiträge 
geliefert. 
Spanien lernte schon im Mittelalter durch die Araber 
und durch seine handelspolitischen Beziehungen zu 
Venedig, wo bekanntlich schon sehr früh die Kunst 
des Spitzennähens betrieben wurde, die Herstellung 
von Spitzen. Diese Kunst wurde dann später, im 16. 
Jahrhundert, hier weiter ausgebildet, und die des 
Spitzcnklöppelns aus den Niederlanden eingeführt, 
während letztere die des Spitzennähens aus Spanien 
übernahmen. 
In den in Kastilien, Aragon, Leon und Navarra 
vom 12. bis zum 15. Jahrhundert erlassenen Luxus 
verboten werden häufig die goldenen und silbernen 
Nctzspitzen erwähnt, die eine Spezialität des jüdischen 
Kunstgewerbes in Barcelona, Toledo und Palma de 
Mallorca waren. Bereits im 15. Jahrhundert erfreuten 
sich spanische Netz- und Gipürenspitzen eines hohen 
Rufes, und die Ausfuhr nach dem Ausland und den 
überseeischen Besitzungen war bedeutend, obgleich 
der größte Teil der Erzeugung im Inland selbst für 
weltliche und kirchliche Zwecke Verwendung fand. 
In spanischen Klöstern und Kathedralen sind noch 
große Bestände an alten Spitzen von ungeheurem 
Geld- und Kunstwert vorhanden, obschon nicht un 
beträchtliche Mengen während des Napoleonischen 
Krieges und 1835 beim allgemeinen Klosterstürmen 
verschwanden. In vielen europäischen und ameri 
kanischen Museen befinden sich Muster von spanischen 
Spitzen aus dem 16. Jahrhundert von höchster Feinheit 
und Vollkommenheit. Es sind meist Erzeugnisse des 
in Nonnenklöstern ausgeübten Kunstfleißes, wo die 
Zeit keine Rolle spielte, und die Glaubensinbrunst 
so wunderbare Blüten trieb. Die Basilika von Barcelona 
besitzt drei äußerst wertvolle Chorhemden, die aus 
spanischen Spitzen aus dem 16. Jahrhundert gefertigt 
sind. Damals waren auch die spanischen schwarzen 
Seidenspitzen berühmt, von denen vornehmlich der 
Hof Elisabeths von England ein großer Abnehmer war. 
Das gegen den Gebrauch der Spitzen vom König 
Philipp IV. 1623 erlassene Verbot wirkte lähmend 
auf die Entwicklung dieser Industrie in Spanien. Sie 
scheint aber als ziemlich verbreitetes Hausgewerbe 
noch zur Zeit des Cervantes bestanden zu haben, 
denn in einem Brief der Theresia an ihren Mann Sancho 
Pansa wird mitgeteilt, daß Sanchita, beider Töchterchen, 
Spitzen klöppelte und damit einen Tagelohn von 8 Sucl- 
dos (80 Pfennig) verdiente. Noch im 17. und 18. Jahr 
hundert wurden in Spanien mit Gold- und Silben äden 
durchwirkte farbige Seidenspitzen hergestellt, die voll 
kommener als die flandrischen gleichartigen Erzeugnisse 
waren, aber nur an Ausländer verkauft wurden. Kata 
lonien war der Sitz dieser Industrie. 
In dieser betriebsamen Landschaft blühte im 15. 
Jahrhundert das Gewerbe der Schleiermacher, dessen 
Erzeugnisse besonders starken Absatz in Italien fanden. 
In einer Urkunde des Kronarchives von Aragon wird 
ein Spitzenschleier (Mantilla) beschrieben, den die 
Stadt Barcelona der Königin Isabella der Katholischen 
verehrte. Wundervolle Goldspitzen aus dem 16. Jahr 
hundert schmücken die Standarte der Inquisition in 
Valladolid, und es ist erwiesen, daß die geistlichen 
Behörden bei den Autodafes Mäntel trugen, die mit 
Spitzen geschmückt waren. Im 18. Jahrhundert, als 
die Spitzenindustrie in Frankreich ihre höchste Blüte 
erreichte, kam sie in Spanien ganz in Verfall. Nur in 
Katalonien und in der Mancha lebte sie kümmerlich 
fort, um dann während des Unabhängigkeitskrieges 
gänzlich einzugehen. Als wieder ruhigere Zeiten kamen, 
trieb die Spitzenindustrie wieder neue Blüten und ent 
wickelte sich kräftig. Sic beschäftigte in Katalonien 
um die Mitte clcs 19. Jahrhunderts 34.000 Arbeiterinnen. 
Auf der Londoner Ausstellung 1851 wurden moderne 
spanische Spitzen wegen ihrer geschmackvollen Zeich 
nungen und feinen Ausführung sehr bewundert. 
Die Mantilla, der große Frauenschleier, der ver 
mittels einer Peineta (hoher Kamm) auf dem Kopf 
befestigt wird und den Oberkörper umhüllt, ist nichts 
anderes als ein schwarzes, farbiges oder weißes Spitzen 
gewebe. Es gibt Schleier, die Tausende wert sind. 
Die Mantilla, die den denkbar schönsten Rahmen zu 
einem Frauengesicht abgibt, ist leider durch den 
modernen Hut verdrängt worden, wird aber bei Kirch 
gängen und bei Stiergefechten getragen. Jede Spanierin, 
die etwas auf sich hält, besitzt zum mindesten eine 
Mantilla, und die mit der Herstellung dieser Schleier 
verbundene Industrie ist noch immer bedeutend genug. 
Die Hauptorte der heutigen spanischen Spitzen 
industrie sind Arenys de Mar und Barcelona in 
Katalonien und Almagro in der Mancha. Die Spitzen 
von Arenys zeichnen sich durch ihre Feinheit und 
Zierlichkeit aus. Die Alba, die der Papst Leo XIII. 
bei der Feier seines goldenen Jubiläums trug, das 
Taschentuch, das die jetzige Königin von Spanien 
in der Hand hielt, als das furchtbare Bombenattentat 
auf ihren Hochzeitszug geschah, und der Taufmantel 
des spanischen Thronerben entstammen aus der Spitzen 
fabrik in Arenys de Mar. Bemerkt sei noch, daß neulich 
die hervorragende Schriftstellerin Gräfin Emilia de 
Pardo Bazan in Begleitung eines Ausschusses aristo 
kratischer Damen dem Bautenminister Senot Ugarte 
einen Besuch abgestattet hat, um staatliche Unter 
stützung für die in Madrid zu begründende und in 
Spanien überhaupt zu fördernde Spitzenindustrie zu er 
bitten. Man glaubt hier, daß die durch den Weltkrieg 
verursachte Lahmlegung dieses Gewerbes in Belgien und 
Nordfrankreich seiner Entwicklung in Spanien günstig 
sein könne, und man will die Konjuktur ausnützen. 
Chronik. 
Bibliophilie. 
(Die Bücherschätze der Harvard-Universität.) 
Die Harvard-Universität hat kürzlich durch ein Vermächtnis 
des bei der ,, Titani c' ‘ - Katastrophe ums Leben gekommenen 
amerikanischen Bücherfreundes Harry Elkins Widener ein 
prächtiges Bibliotheksgebäude erhalten, das in diesen Tagen 
feierlich eingeweiht wurde. Die Harvard-Universität hat 
durch Wideners Vermächtnis ein würdiges Heim für ihre 
Bücherschätze gefunden, die schon, ehe sie durch Wideners 
an 110.000 Bände umfassende Sammlung (darunter die erste 
Folioausgabe von Shakespeare, die berühmte Caxton-Bibel 
von 1550 und die Erstausgabe von Burtons „Anatomy“) 
vervollständigt wurde, in Amerika ihresgleichen suchte. Besitzt 
sie, doch eine ganze Reihe liebevoll zusammengetragener 
Sondersammlungen, die in ihrer Gesamtheit ein einzigartiges
	        
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