Nr. 14
Internationale Sammler-Zeitung
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examen in Göttingen : erwarb ebenda zwei Jahre später den
Doktorgrad, war dann Assistent am physikalischen Institut
zu Darmstadt, trat am !. September 1894 als Volontär bei
der Universitätsbibliothek in Berlin ein. Hier wurde er Assistent,
später Hilfsbibliothekar an der Königlichen Bibliothek da
selbst und 1909 Bibliothekar. Am 31. Mai 1906 erfolgte seine
Ernennung zum Vorstand der Bibliothek der Technischen
Hochschule in Karlsruhe.
(Polnische Bibliotheken und der Fall Warschaus.)
Man schreibt der „Frankfurter Zeitung“ : Wie die Russen nach
der Einnahme von Lemberg das dortige polnische Museum des
Grafen Ossolinski seiner wertvollsten Bilder, Bücher und Hand
schriften beraubten, um sie nach Petersburg zu schaffen, so
haben sie auch vor dem Falle von Warschau aus den dortigen
Bibliotheken die seltensten Manuskripte und Drucke weg
genommen und in die kaiserliche Bibliothek nach Petersburg
übe. führt. Der Schaden, den sie dadurch den Polen zugefügt
haben, ist freilich nicht allzu groß, denn abgesehen davon, daß
sich vieles von dem, was einst in Warschau gewesen ist, bereits
seit Jahren in Petersburg befindet, liegen auch die bedeutend
sten polnischen Bibliotheken außerhalb der Grenzen des
russischen Reiches, in Krakau, Lemberg und Rapperswil
in der Schweiz, und sie sind, Lemberg allerdings ausgenommen,
von den Schrecken des Krieges unberührt geblieben. Wä r e
freilich die im 15. Jahrhundert gegründete Bibliotheca Jagel-
lonica von Krakau nach Warschau verlegt worden, wie der
letzte König von Polen, Stanislaus August Poniatowski, wollte,
so wäre heute wohl der größte Teil der wichtigsten polnischen
Handschriften und Druckwerke längst in Petersburg. Damals
aber beharrte de; König nicht auf seinem Vorhaben und be
gnügte sich damit, nur eine geringe Anzahl von Urkunden,
Handschriften undCodices, darunter die vom Bischof Tomitzki,
dem Freunde des Erasmus, von Rotterdam, der Bibliothek ge
schenkte „Collectio epistolarum magnatuni Poloniae et Erasmi
Rotterodami' ‘ nach Warschau überführen zu lassen. Gegen Ende
des polnischen Reiches und zur Zeit der Republik Krakau
wurde die Bibliothek sehr vernachlässigt, und erst unter öster
reichischer Herrschaft erlangte sie wieder eine ihres Alters
lind ihrer Bedeutung würdige Stellung. Während in Krakau
mehr die ältere Geschichte Polens berücksichtigt ist, ohne daß
aber die neuere ausgeschlossen wäre, hat das polnische Nation al-
museum in Rapperswil den Hauptwert auf die jüngere Ge
schichte Polens seit der ersten Teilung, also seit 1773, gelegt,
liier befinden sich eine Fülle von Manuskripten polnischer
Emigranten, der gesamte Nachlaß des „ungekrönten Königs“
von Polen, des Grafen Ladislaus Plater und viele Tausende
von Briefen und Autographien aller derer, die in der Geschichte
Polens auch nur im Entferntesten hervorgetreten sind. Auch
für die Revolution der Jahre 1831 und 1863 ist hier ein Material
gesammelt, das in seiner Vollständigkeit und Wichtigkeit an
keinem anderen O te mehr vorhanden ist.
(Ein Sammelwerk über den Krieg 1914/15 nach
Presseberichten.) Das Großherzogliche Haus- und Staats
archiv zu Darm.stadt läßt von jetzt an in zwei Exemplaren
ein großangelegtes Sammelwerk herstellen, das die Wirkungen
des Weltkrieges auf Hessen auf Grund der Preßeäußerungen
festlegen soll. Der ausgedehnte Stoff wird in zehn Abteilungen
gegliedert: Einflüsse des Krieges auf den Staat. Hessen, sein
Militär, die Religionsbekenntnisse, die Schulen, das gemeind
liche, wirtschaftliche, soziale, geistige, private Leben und das
allgemein Wissenswerte- Zu diesem Behufe wurden Exemplare
sämtlicher Zeitungen des Großherzogtums Hessen an aus
gewählte Persönlichkeiten, die sich der Beihilfe bereitwillig
unterziehen, amtlich verteilt.
Bilder.
(Die Bildersammlung in der Eremitage.) In
Petersburg trifft man Anstalten um die Kunstschätze,
die man an der Newa vor den Deutschen nicht mehr sicher
wähnt, nach Moskau oder nach Nischni-Nowgorod zu
schaffen. Zu diesen Kunstschätzen gehört die berühmte Bilder
sammlung der Eremitage. Zu den Perlen dieser Sammlung
gehören Gemälde, die, wie wir bei dieser Gelegenheit einmal
nachdreichlichst hervorheben wollen, seinerzeit 1906 und die
folgenden Jahre von den Franzosen aus Deutschland gestohlen
worden sind. Solche Bilder sind, um nur einige zu nennen,
„Der Meierhof“ von Potter, die „Kreuzabnahme"
von Rembrandt und mehrere Landschaften von Claude
Lorrain. Napoleon schenkte diese Bildei, die bis dahin die
größte Zierde der Kasseler Galerie waren, seiner ersten Frau
Josefine, und von ihr erwarb sie im Jahre 1814 Kaiser Ale
xander I. von Rußland.
(Ein blinder Gemäldesammler.) Daß Graf 'Schack,
der Begründer der berühmten Münchener Gemäldegalerie
gegen Ende seines Lebens fast erblindete, ist bekannt. Weniger
bekannt dagegen dürfte es sein, daß ein anderer Gemälde
sammler sich überhaupt erst nach seiner Erblindung für die
Malerei zu interessieren begann. Dies war Moritz Oppenheim
in London, der Besitzer eines der größten amerikanisch-
deutschen Pclzgeschäfte, über dessen Schicksal im August
hefte der bei Wilhelm Gottlieb Korn in Breslau erscheinenden
„Bergstadt“ einige Mitteilungen gemacht werden. Vor seiner
Erblindung hatte er sich in seinen Mußestunden, zum Teil
selbst ausübend, mit Vorliebe der Musik gewidmet; nach seiner
Erblindung aber, die in reiferem Alter durch Lähmung beider
Sehnerven erfolgte, wurde ihm diese Kunst zuwider und er
begann merkwürdigerweiseGemälde und Bildwerke zu sammeln.
Inmitten der kohlengeschwärzten City Londons baute er sich
ein Haus mit einer eigenen Gemäldegalerie, die er mit den
kostbarsten Werken füllte. Es machte ihm große Freude,
seine Sammlungen seinem Besucher zu zeigen. Er begann dann
von einer bestimmten Ecke des Zimmers aus die Bilder so im
einzelnen zu erklären, daß manche der Besucher zu glauben
begannen, der Mann mit den offenen Augen könne überhaupt
gar nicht blind sein. Auch sein Pelzgeschäft führte Oppenheim
trotz seiner Erblindung weiter und seine Fingerspitzen unter
schieden beim Sortieren auf das genaueste die verschiedenen
Felle.
(Neue pompej anische Fresken.) In der Pariser
Akademie der Inschriften gelangte dieser Tage ein Bericht
über eine Anzahl besonders interessanter, in jüngster Zeit neu
entdeckter Freskogemälde in Pompeji zur Verlesung.
Es handelt sich um Fresken, diedasTriklinium einer prächtigen,
in der Nähe der Gräberstraße belegenen Villa schmücken.
Sie zieren die Mauern eines rechteckigen Saales von 17 Metern
und umfassen im ganzen neun Bilder, von denen sechs der
Kindheit und Jugend des Dionysos gewidmet sind. Auf dem
ersten dieser Gemälde sieht man Dionysos als Kind, wie er
mit beiden Händen eine Rolle hält, in der er eifrig liest; zwei
Nymphen wachen über ihn; in einer Gruppe tritt eine Dienerin
hervor, die auf einer Platte verschiedene Gegenstände, da
runter einen Eorbeerzweig und einen Papyrus, trägt. Die
beiden folgenden Bilder schildern Frauen bei den Vorberei
tungen zu einer dionysischen Feier, ein Silen schlägt die Leier,
er ist umgeben von Zyrnbel spielenden Bacchantinnen, die
auf den Fußspitzen tanzen. Es reiht sich ein Gemälde an, daß
Dionysos als Jüngling zeigt. Efeubekränzt wird er in sitzender
Stellung geschildert, und er stützt den Ellenbogen auf das
Knie einer jungen anmutigen Frau, in der wahrscheinlich die
schöne Ariadne zu erkennen ist. Wie es scheint, setzt sich die
Schilderung des Lebens des Gottes und der zu seinen Ehren
stattfindenden Feste in dem nächsten Bilde fort, während die
drei letzten Fresken nicht in Beziehung zu dem Stoffe dieser
Gemälde zu stehen scheinen, sondern weibliche Toilettenszenen
datstellen. In den Dionysosfreksen wird eine ganze Reihe un
aufgeklärter und heikler Probleme der Wissenschaft noch
reichliche Arbeit geben. Was den künstlerischen Wert und
den Stil der Bilder angeht, so werden sie als hervorragend
bezeichnet; sie erinnern in ihrer ganzen Art zuweilen an W r erke
Tizians oder Correggios.
(Ein vergessener französischer Maler.) Der Leip
ziger Kunsthistoriker Dr. Hermann Voß veröffentlicht auf
Grund von Studien, die er in den kleinen Galerien der fran
zösischen Provinz angestellt hat, eine Arbeit über einen bis
her ganz unbekannten französischen Maler Georges du