Internationale
$ammler2cifunfl
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
7. Jahrgang. Wien, 1. Oktober 1915. Nr. 15.
Der Wiener Antiquitätenhandel im Kriege.
Eine Rundfrage.
w ie in dem Weltkriege so vieles ganz anders ge
kommen ist, als es sich die Neunmalweisen haben
träumen lassen, so ist es auch mit dem europäischen
Kunstmarkt gegangen. Aus den von uns veröffentlich
ten Mitteilungen konnten unsere Leser bereits ersehen,
daß sich der Kunstmarkt sowohl in Deutschland, wie
auch im feindlichen Ausland, namentlich aber in Eng
land, in durchaus ruhiger Verfassung hält. Es freut
uns nunmehr auch feststellen zu können, daß es in
Wien nicht anders ist. Eine Rundfrage bei dortigen
maßgebenden Antiquitäten- und Kunsthändlern ergab,
daß in der österreichischen Haupt- und Residenzstadt
weder Schleuderpreise Vorkommen, noch die Preise die
Neigung zu Verringerungen zeigen, ja daß eher ein
Steigen derselben wahrzunehmen ist. Wenn von den
Wiener Antiquitäten- und Kunsthändlern über etwas
Klage geführt wird, so ist es über den Mangel an Waren,
der sich in dem Maße fühlbarer macht, in dem die allge
meinen Verhältnisse sich besser gestalten. Es kommt
nichts auf den Markt, tönt es im Chorus, und wir hätten
Abnehmer die schwere Menge. Und der Grund für
diese auffallende Erscheinung ? Weil die Besitzer sich
fürchten, daß sie jetzt nicht die entsprechenden Preise
erhalten würden. Aber nichts irriger als diese Meinung!
Denn bei dem Umstande, daß die Nachfrage das Ange
bot weit übersteigt, wären jetzt sehr gute, in vielen
Fällen sogar bessere Preise zu erzielen, als in Friedens
zeiten.
Unsere Rundfrage ist aber nicht allein durch die
Kennzeichnung der gegenwärtigen Marktverhältnisse
interessant, sic eröffnet Sammlern, wie Händlern auch
eine wertvolle Perspektive auf die Zukunft, auf die
Zeit nach dem Kriege, die nach der übereinstimmenden
Ansicht aller von uns um ihre Meinung gefragten
Herren dem Antiquitäten- und Kunsthandel eine neue
Blüte bringen dürfte.
Wir haben auch einen Fühler nach der Richtung
ausgesteckt, ob sich die Wiener Antiquitäten- und
Kunsthändler zu einer gemeinsamen Verkaufsaus
stellung, beziehungsweise Versteigerung vereinigen wür
den; die Antworten, die uns zuteil wurden, bieten aber
leider keine Basis für eine derartige Initiative, die wir
im Interesse der Sache gerne ergriffen hätten.
Und nun geben wir den Fachmännern das Wort, die
die Liebenswürdigkeit hatten, sich auf unsere Fragen
zu äußern.
]. Deiblcr.
Buchhandlung und Buch- und Kunst-Antiquariat.
Was den Handel mit Gemälden alter und neuer
Meister anbetrifft, ist auch während des Krieges eine
befriedigende Nachfrage, aber leider nur ein ungenügen
des Angebot vorhanden. Das Publikum ist der irrigen
Ansicht, Kunstobjekte gegenwärtig nicht entsprechend
verwerten zu können. Tatsache aber ist, daß Preise wie
zu normalen Zeiten gezahlt werden, da die Sammler
ausgehungert sind.
Nach dem Kriege ist ein bedeutender Aufschwung
zu gewärtigen, da durch die kapitalistischen Umwälzun
gen neire Vermögen und neue Sammler entstehen.
Eine gemeinsame Auktion dürfte momentan keinen
Erfolg haben.
Armin L. Egger.
Numismatiker, beeideter Sachverständiger des k. u. k. Oberst
hofmarschallamtes und des k. k. Handelsgerichtes.
Das Geschäft in Münzen ist seit Kriegsbeginn
unterbunden, weil die Ausfuhr von Gold und Silber ins
Ausland verboten ist. Ferner ist der Handel auch da
durch sehr gehemmt, daß die Versendung von Katalogen
und Preiskuranten bekanntlich erschwert ist. Von den
Sammlern ist ein Teil eingerückt, ein Teil hat jetzt
nicht die Lust und ein Teil nicht das Geld zum Sammeln.
Das numismatische Interesse konzentriert sich
gegenwärtig hauptsächlich auf das Sammeln der zahl
reichen hier und in Deutschland erscheinenden Kriegs
medaillen.
Wie der Handel in der Zukunft sich gestalten wird,
ist natürlich vielfach davon abhängig, auf welcher
Grundlage der seinerzeitige. Friedensschluß zustande
kommen wird und in welches Verhältnis wir sodann zu
den uns momentan feindlichen Staaten treten werden.
An einer Verkaufsausstellung möchte ich mich zur
Zeit nicht beteiligen.
Hermann Gail,
Gesellschafter der Firma Halm & Goldmann, Buch- und
Kunsthandlung und Antiquariat.
Aus unserem Geschäfte kommen für Sammler
alte Kupferstiche und moderne Radierungen in Be
tracht. Für letztere ist in Wien überhaupt ein schwaches
Feld. Bei uns muß das Publikum dazu erst erzogen
werden, im Gegensätze zu Deutschland, wo bereits