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Internationale Sammler- Zeitung
Nr. 15
sehr viele Sammler für moderne Graphik existieren.
Hingegen hat das Geschäft in letzter Zeit sich sehr
gehoben, während zu Anfang des Krieges, so lange man
unorientiert war, eine fühlbare Stockung eingetreten
war. Das ist bei uns ein erfreuliches Moment, denn
wie ich aus Deutschland höre, liegt dort, trotz der
kolossalen Erfolge der deutschen Armeen, der Kunst
handel total danieder. Die Ursache liegt wohl in dem
mehr sanguinischen Charakter unserer Bevölkerung.
Das Angebot von alten Kupferstichen ist noch
immer ein sehr schwaches, weil die Leute besorgen,
keine annehmbaren Preise zu erzielen. Und dann
gehören die Besitzer fast ausnahmslos den wohlha
benden Kreisen an und fühlen sich somit zur Veräu
ßerung nicht genötigt.
Das Publikum bevorzugt insbesondere Artikel, die
mit dem Kriege im Zusammenhänge stehen.
Für die Zeit nach dem Kriege erwarten wir einen
bedeutenden Aufschwung des gesamten Kunsthandels.
Eine gemeinsame Auktion halte ich nicht für
opportun. Jeder von unserer Branche veranstaltet
seine Auktionen selbständig. So haben auch wir z. B.
im Juni d. J. eine Ausstellung von Kriegszeichnungen
veranstaltet. Ein Zusammenschluß zu einer Kollektiv-
Auktion ist auch wegen der in Wien auf diesem Gebiete
herrschenden Verhältnisse schwer möglich.
S. Glückselig,
Chef der Antiquitätenfirma J. Glückselig & Sohn.
Der Antiquitätenhandel hat sich während des
Kriegsj ahres bedeutend günstiger gestaltet als bei
Ausbruch des Krieges angenommen worden war. Nur
in den ersten zwei, drei Monaten war eine fühlbare
Stockung eingetreten. Dagegen ist. das Angebot an
Ware sehr zurückgegangen. Es sind während des
Jahres keine Notverkäufe vorgekommen, was auf die
wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit unserer Bevöl
kerung zurückzuführen ist. Die Leute glauben gegen
wärtig keine guten Preise erzielen zu können, aber
gerade das Gegenteil trifft in Wirklichkeit zu. Denn
durch den Mangel an Ware übersteigt die Nachfrage
beiweitem das Angebot und es wären demzufolge
entschieden sogar höhere Preise zu erzielen, als zu
normalen Zeiten.
Das Fehlen von Warenangeboten macht sich umso
unangenehmer fühlbar, als wir ja auch vom Auslande,
mit dem unsere größeren Antiquitätenhändler in regem
Geschäftsverkehr standen, eben gesperrt sind. Echte
Ware wird jetzt sehr gesucht, speziell Gegenstände
von hohem Werte sind gegenwärtig leicht absetzbar.
Aber auch der Zulauf nach Biedermeier-Gegen
ständen hält unvermindert an, ohne Unterschied
ob diese alt oder nur Nachahmungen sind.
Nach dem Kriege wird voraussichtlich eine große
Wertsteigerung der Antiquitäten eintreten, da
während desselben vieles zugrunde gegangen ist. Nament
lich in Galizien, Russisch-Polen und Belgien sind viele
Kunstobjekte zerstört worden, die man dann zu er
setzen bestrebt sein wird. Zur Preissteigerung dürfte
auch der Umstand beitragen, daß infolge der Kriegs
ereignisse viele neue Millionäre entstanden sind,
die als Sammler auf treten werden, da Reichtum das
Bedürfnis nach Sammlungen schafft. Außerdem wird
dann wohl auch Amerika wieder stärker als Kunde
auftreten, weil es mittlerweile diesbezüglich völlig
ausgehungert sein wird.
Für eine gemeinsame Ausstellung von Antiquitäten
kann ich mich nicht begeistern. Das Publikum kauft
nur gern in einem Lokal, dessen gesamtes Arrangement
und dessen Eigentümer ihm Vertrauen einflößen. Der
wirkliche Amateur kauft gewöhnlich Antiquitäten nicht
auf dem öffentlichen Markte. Der ernste Käufer will
einen Gegenstand nur in Ruhe dort kaufen, wo er
Garantie erhält und wo er ihn eventuell Umtauschen
kann. Er will seine Gegenstände mit Muße prüfen und
möglichst auch die Geschichte der Objekte kennen
lernen, was bei einer Auktion unmöglich ist. Ferner
mag der echte Sammler Antiquitäten nicht, die, noch
bevor sie in seinen Besitz übergingen, sozusagen „abge
schaut“ worden sind und er vermeidet es daher in der
Regel öffentlich zu kaufen, sondern läßt bei Auktionen
auch erst nach Einholung eines Gutachtens seitens
eines Sachverständigen durch einen Händler kaufen.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch noch vor
den Märchen von der „Kriegsbeute“ warnen. Abge
sehen von allen anderen Gründen, die dagegen sprechen,
sind die Soldaten nur mit großer Mühe und Not
imstande, das Allerunentbehrlichste mitzuschleppen,
geschweige denn was anderes.
Alexander Grosz,
Uhrmacher und Händler mit antiken Uhren.
Meine Erfahrungen während des Kriegsj ahres sind
im großen und ganzen recht günstige. Das Geschäft,
das anfangs allerdings ins Stocken geraten war, hat
sich langsam wieder gehoben und ist bereits in die nor
malen Bahnen gelangt. Das Publikum kauft jetzt
sogar mit einer größeren Vorliebe und, ich möchte sogar
sagen, mit einer größeren Leichtigkeit als früher antike
Gegenstände, deren Seltenheitswert ein stets wachsen
der ist. Dagegen sind aber die Einkäufe der Händler
gleich Null.
Was eine gemeinsame Ausstellung von Antiquitäten
anbetrifft, so wäre ich gerne bereit, mich an einer solchen
zu beteiligen, vorausgesetzt, daß die Ausstellung nebst
der kommerziellen Tendenz auch einen kulturhistori
schen und somit belehrenden Zweck hätte. Wenn recht
interessante Objekte zusammenkämen, wäre eine solche
Ausstellung zweifellos nach mancher Richtung hin aus
sichtsvoll.
S. Kende.
Kunsthändler.
Bei meinem Fache: Bilder und Kupferstiche, war
anfänglich eine etwas geringere Nachfrage zu bemerken,
in letzterer Zeit hat das Geschäft sich aber zusehends
gebessert und namentlich der Verkehr mit deutschen
Filmen sich gesteigert. Viele dieser Händler kommen
nun persönlich nach Wien. Auch Schweizer Firmen
stellen sich ein. Leider ist das Angebot im Verhältnis
zur Nachfrage ein unbedeutendes.
Es ist erstaunlich, daß seit Kriegsausbruch das
Angebot von guten, alten Ölbildern und von alten
französischen und englischen Kupferstichen ein ganz
gertnges ist. Dies scheint darin seine Ursache zu haben,
daß die Besitzer dieser Objekte teils im Felde stehen,
teils aber die berechtigte Hoffnung hegen, daß die
Bilder nach dem Kriege im Preise bedeutend steigen
werden.
In den letzten Tagen war ich in einigen reichsdeut-
schen Städten, habe selbst dort Einkäufe besorgt und
dabei die Wahrnehmung gemacht, daß dort der Ge
schäftsgang hinter dem unserigen zurücksteht und
daß auch die deutschen Firmen über Mangel an Angebot
guter Bilder klagen. Große Objekte sind fast gar
nirgends angeboten worden oder man forderte Preise,
die für den Händler unerschwinglich waren.
Es ist zu erwarten, daß die Preise für gute Objekte
bedeutend steigen w T erden, andererseits dürften die
Angebote nach dem Kriege recht beträchtliche werden,