Nr. 15
Internationale Sammler-Zeitung
Seite 189
weil viele Privatsammlungen und Nachlässe während
dieser Zeit sich angehäuft haben.
Ein Gutes zeitigt dieser Weltkrieg am Kunst
markte, nämlich daß in absehbarer Zeit die guten
Kunstobjekte nicht mehr wie bisher nach Frankreich,
England und Amerika wandern werden. Es wird sich
aller Voraussicht nach ein sehr reger Kaufverkehr
mit dem deutschen Reiche entwickeln, wo in letzter
Zeit sehr viele Privatkäufer entstanden sind, die mit
Vorliebe Werke österreichischer Künstler sammeln.
Insbesondere trifft letzteres auch bei deutschen Galerien
und Instituten zu.
Für eine gemeinsame Ausstellung größerer Objekte
halte ich den Zeitpunkt noch nicht für gekommen,
weil die politische Inge noch nicht grklärt ist, und
weil die Sammlerwelt zu Ankäufen noch nicht die
nötige Ruhe hat.
Ignaz Pick,
Antiquitäten- und Kunsthändler.
Der Verkauf von Antiquitäten und Bildern während
der ersten Monate des Krieges bildete kaum ein Drittel
des zu normalen Zeiten erzielten durchschnittlichen
Absatzes. Das Interesse an diesen Kunstobjekten ist
jedoch nach diesem Kriegsjahre bedeutend im Zunehmen
begtiffen. Sehr groß ist die Nachfrage neben ganz
antiken Kunstgegenständen hauptsächlich nach vater
ländischen Kunstprodukten, wie Wiener Porzellan,
und Bildern von Wiener, beziehungsweise österreichi
schen Malern. Aber auch deutsches, namentlich Meißner
Porzellan wird sehr verlangt. Dagegen ist der Einkauf
schon infolge der Hemmung des internationalen Ver
kehres total abgeschnitten. Es ist keine Ware vorhanden
und es kommt auch gar nichts auf den Markt. Die
Bevölkerung hat es offenbar nicht notwendig, sich
von ihren Erbstücken zu trennen. Einem großen Teile
des Mittelstandes, namentlich dem der öffentlichen
Beamten geht es jetzt sogar besser als in Friedenszeit,
denn er bezieht doppelten Gehalt: als Beamter und als
Offizier. Von den wirtschaftlich Schwachen hingegen
steht der stärkste Verbraucher im Felde, während
seine Angehörigen den Kiiegs-Unterhaltsbeitrag be
ziehen. Kurz, es kommt zu keinerlei Notverkäufen.
Sehr empfindlich macht, sich auch der Ausfall der
früher häufig stattgefundenen Kunst- und Antiqui
tätenauktionen bemerkbar, die, wie mir bekannt ist,
vielfach zurückgehalten werden, weil man in Laien
kreisen der unzutreffenden Meinung ist, daß gegen
wärtig keine Liebhaberpreise zu erzielen seien, was
aber durchaus nicht richtig ist. Denn es haben
viele während des Krieges Vermögen erworben und
der erlangte Reichtum äußert sich in dem Verlangen
nach Kunstgegenständen.
Da die Nachfrage mit jedem Tage sich bessert,
kann man voraussetzen, daß das Geschäft nach Frie
densschluß, falls genügend Ware auf den Markt kommt,
wieder wie früher florieren wird.
An einer gemeinsamen Auktion würde ich mich
aus Gründen, die für jeden Eingeweihten recht nahe
liegen, nicht beteiligen, dagegen wäre ich mit Vergnügen
für eine gemeinsame Ausstellung zu haben.
S. Pollak,
Chef der Firma Pollak & Winternitz, Antiquitäten
händler.
Zu Beginn des Krieges waren wir der Meinung, daß
der Wert der Antiquitäten sich sehr verringern werde,
und zwar deshalb, weil wir massenhafte Angebote
einzelner Gegenstände und ganzer Sammlungen vor
ausgesetzt hatten. Aber diese Annahme war irrig, die
Leute trennten sich von allem anderen eher als von
Antiquitäten. Dieses Zurückhaltcn der Antiquitäten
ist jedoch nicht allein bei uns und in Deutschland,
sondern auch im feindlichen Auslande zu beobachten.
So ist mir zum Beispiel der Fall bekannt, daß italie
nische Antiquitätenhändler, kurz bevor Italien in den
Krieg eintrat, mit bespickter Brieftasche nach Paris
reisten, um dort preiswerte Einkäufe zu machen und
mit dem Gel de zurückkehrten, ohne was akquiriert
zu haben. Es muß sonach angenommen werden, daß
das Antiquitätengeschäft auf gesunder Basis ruht.
Wir sehen auch, daß sowohl jeder Staat als auch jedes
Privatmuseum in diesen Zeiten in erster Reihe um seine
Kunstschätze besorgt ist. Der Absatz ist im Verhält
nisse zur Kriegszeit ein recht lebhafter. Die Provinz
händler kommen auch jetzt wie zu normalen Zeiten
nach Wien, um ihren Bedarf zu decken.
Da überdies durch den Krieg viele Kunstwerke und
Inneneinrichtungen zerstört wurden, so ist anzunehmen,
daß die Preise, wenn nicht höher steigen, keinesfalls
zurückgehen werden.
Was eine gemeinsame Ausstellung betrifft, so glaube
ich nicht, daß die hiezu erforderliche Einigkeit zu
erzielen wäre; ich für meinen Teil wäre eventuell
dafür.
L. Schafranek,
Antiquitätenhändler.
Das auffallendste Merkmal dieser Zeit beim Anti
quitätenhandel ist der Mangel an guter Ware, die
gerade jetzt mehr denn je gesucht wird. Die wirklich
erstklassigen Objekte sind eben im Besitze von finan
ziell überaus gut gestellten Personen- Aber auch in
Frankreich, England und in den übrigen feindlichen
Ländern ist nichts zu haben und sind die Preise der
Antiquitäten recht hohe.
Wie cs mit den Preisen der Antiquitäten nach dem
Kriege bestellt sein wird, ist mehr als nebelhaft, denn
es ist zu bedenken, daß sodann das Angebot eine Zeit
lang eine allzugroßes sein wird, erstens durch das
Überschwemmen des Marktes mit der Ware, die während
des Krieges von den Leuten im Inlande zurückgehalten
wurde und zweitens durch den Zufluß aus dem dann
wieder geöffneten Auslande.
Um mich an einer gemeinsamen Ausstellung zu
beteiligen, habe ich gegenwärtig zu wenig Ware, sonst
aber wäre ich mit Freuden dabei.
Leo Schidlof,
Antiquitätenhändler.
Die allgemeine Ansicht ging dahin, daß mit Ausbruch
des Krieges der Handel lahmgelegt, der Markt dagegen
mit besseren und schlechteren Kunstwerken über
schwemmt werden würde. In Wirklichkeit herrschte
von der Mobilisierung an bis Mitte Oktober vorigen
Jahres vollständige Ruhe auf jedem Gebiete, sowohl
hinsichtlich des Einkaufes als auch des Verkaufes.
Erst dann begannen schüchtern die ersten Verkäufe.
Die Käufer entschuldigten sich förmlich wegen ihres
„Leichtsinns“ und redeten sich selbst damit aus, sic
hofften in dieser Zeit, in der man eigentlich für nicht
unbedingt notwendige Dinge kein Geld ausgeben
dürfe, Kunstwerke zu besonders billigen Preisen zu
erstehen, zu sogenannten „Kriegspreisen“. Das dauerte
aber nur wenige Wochen, dann wollten selbst die naiv
sten Kunden nicht mehr, zu „Kriegspreisen“ kaufen.
Diese Sinnesänderung kam daher, daß kein einziger
Händler, selbst der kleinste, in der Lage war, bessere
Kunstobjekte erheblich unter dem normalen Markt
preise abzugeben, da für das alte Lager die eigenen