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Internationale Sammler-Zeitung
Nr. 15
Einkaufspreise bestimmend waren, neue Erwerbungen
aber fast unmöglich waren oder zu außerordentlich
hohen Preisen erzielt werden konnten.
Die Ursache dieser Warenknappheit liegt in dem
Umstande, daß Kunstwerke höheren Ranges im Mittel
stände, wo sie noch durch Erbschaft vorhanden ge
wesen waren, fast nicht mehr anzutreffen sind. Die
besseren Sachen sind heute fast ausschließlich bei aii-
stokratischen Familien zu finden, eventuell noch in
einigen Patrizierhäusern, somit bei Leuten, die finanziell
genügend stark sind, um nicht durch einen Krieg,
selbst wenn er ein bis zwei Jahre dauert, gezwungen
zu sein, sich von ihren Erbstücken zu trennen.
Hierin liegt auch ein ganz bedeutender Unterschied
zwischen dem jetzigen Kriege und dem deutsch-fran
zösischen von 1870/71. Wie mir von deutschen und
österreichischen Kunsthändlern, die jene Zeit ge
schäftlich mitgemacht hatten, übereinstimmend mit
geteilt wurde, war es damals in Deutschland sowohl wie
in Österreich (obgleich Österreich am Kriege nicht be
teiligt war) unmöglich, teurere Kunstgegenstände zu
verkaufen, wogegen sich aber andererseits fortwährend
äußerst günstige Einkaufsgelegenheiten ergaben. Gegen
Ende des Krieges allerdings, als die Überlegenheit
der deutschen Waffen als feststehend angesehen werden
konnte, setzte die Kauflust sehr energisch ein.
Wenn die Verhältnisse heute wesentlich anders
liegen, so ist dieses bezüglich des Einkaufes auf die er
wähnten Gründe zurückzuführen. Daß die Nachfrage
nach Kunstwerken trotz des Krieges eine so rege ist,
hat darin seinen Grund, daß heute viel weitere Kreise
sammeln als vor 44 Jahren.
Es ist übrigens sogar in den besetzten Gebieten
nicht viel anders. Ich war anfangs Februar d. J. in
Brüssel und es war mir trotz energischester Bemühung
unmöglich, dort etwas Besseres zu finden, von billigen
Preisen gar nicht zu reden. Ich trat sowohl mit sämt
lichen Händlern, von denen etwa 70 Prozent geöffnet
hatten, als auch mit zahlreichen Privaten in Fühlung,
konnte jedoch kein einziges wirklich gutes Stück be
kommen. Für die wenigen besseren Sachen, welche vor
handen waren, wurden derart übermäßige Preise ge
fordert, daß an einen Ankauf nicht zu denken war.
Einige von den größeren Brüsseler Händlern sagten
mir auch, daß sie schon die ganze Zeit über vergeblich
auf irgendwelche Gelegenheitskäufe warten, Geld sei
überall in reichlichem Maße vorhanden, nur an Waren
mangle es.
Wie mir aus sicherer Quelle bekannt ist, sind auch
in Paris und London die Verhältnisse identisch und
die Auktionspreise eher höher als in Friedenszeiten.
Ich habe auch Kenntnis davon, daß wenige Monate
nach Kriegsbcnnn sich in der Schweiz ein Syndikat
mit einem Kapitale von mehreren Millionen gebildet
hatte, dessen Zweck es war, in Frankreich, besonders
in Paris', Kunstwerke einzukaufen, da die Mitglieder
des Syndikates nach den ersten großen Niederlagen der
Franzosen glaubten, recht billig zu hervorragend
schönen Sachen zu kommen. Es erging aber dem Syndi
kate in Frankreich, wie mir in Belgien: sie kehrten
unverrichteter Dinge mit dem mitgenommenen Gelde
in der Tasche heim.
Aus all dem geht hervor, daß die Kunstgegenstände
die Feuerprobe ihres wahren inneren Wertes während
dieses Krieges bestanden haben, denn die Preise sind
eher gestiegen, als gesunken, während zum Beispiel
selbst der früher als felsenfest betrachtete Sterling-Kurs
unter pari steht.
Es steht außer allem Zweifel, daß nach Beendigung
des Krieges die Preise der Kunstwerke noch ganz be
deutend steigen werden, wahrscheinlich sogar schon
zu Beginn der Friedensverhandlungen. Diese Behaup
tung läßt sich unschwer begründen, denn es sind von
den größeren Vermögen —-und als Sammler für ernstere
Kunstobjekte kommen ja doch nur sehr wohlhabende
Leute in Betracht - - durch den Krieg kaum ein einziges
zerstört worden, dagegen sind zahlreiche neue große
Vermögen entstanden, von denen so manches in Händen
kunstliebender Personen sich befindet.
Schließlich ist noch zu berücksichtigen, daß in den
verschiedenen Kriegsgebieten unzählige Kunstwerke
zerstört wurden, die nach dem Kriege durch andere er
setzt werden müssen, ein Umstand, der auch dazu bei
tragen wird, die Nachfrage nach Kunstobjekten zu
erhöhen.
Über die Zweckmäßigkeit einer gemeinsamen Auk
tion oder Ausstellung der Antiquitätenhändler läßt
sich, solange dieser Plan keine festeren Formen ange
nommen hat, kein Urteil abgeben. Wie ich aus eigener
Erfahrung weiß, ist cs ungemein schwer, die Wiener
Antiquitätenhändler zu einer gemeinsamen Unter
nehmung zu vereinigen.
Michael Szamek,
Antiquitätenhändler.
Wenn auch zu Beginn des Krieges die Wirkung auf
den Handel eine recht empfindliche gewesen ist, so war
schon einige Wochen vor Weihnachten 1914 die Nach
frage eine lebhafte, namentlich nach Porzellan und
kleineren Gegenständen. Den größten Teil der Ab
nehmer bildeten Budapestcr Händler und auch Private
aus Ungarn, wo die Kauflust nach Antiquitäten eine
besonders rege ist.
Der Einkauf ist ein sehr schwacher, weil man nicht
ins Ausland reisen kann, wie früher und die erstklassige
Ware im Inlande in festen Händen sich befindet. Nach
dem Kriege werden die Preise guter Antiquitäten be
deutend in die Höhe gehen, da unter anderen auch in
Galizien ein starker Vandalismus getrieben worden ist
und die Besitzer das Fehlende ersetzen werden wollen.
Für eine Antiquitätenausstellung kann ich mich
nicht erwärmen, denn eine Antiquität wird mit dem
Momente des Ausstellern entwertet.
Dr. F. Walla,
Münzenhändler, k. k. handelsgerichtlich beideter Sechätz
meister und Sachverständiger.
Der Krieg schien anfänglich für den Münzenhandel
eine Katastrophe zu bedeuten, denn sowohl der Export
aus auch der Import von Münzen ist durch ihn unter
bunden worden. Und Österreich ist im Münzenhandel
auf beides angewiesen, es importiert vom Oriente
und exportiert nach dem Westen. Aber bald zeigte es sich,
daß die gesunde wirtschaftliche Kraft unserer Monar
chie auch diese kritische Wandlung glücklich zu über
winden vermochte. Wenn auch infolge der zahlreichen
Exporthindernisse der Münzenhandel sich auf das
Inland und allerdings in stark vermindertem Maße auf
Deutschland beschränken mußte, so entwickelte sich
doch die Nachfrage nach Münzen bei uns verhältnis
mäßig recht stark. Allerdings fällt der Einkauf für den
Händler ziemlich schwer, denn die Eigentümer von
Münzensammlungen trennen sich unter den heutigen
Verhältnissen doppelt so ungern von ihrem Besitze
als sonst. Ferner sind viele Sammler infolge der Ein
berufungen gar nicht in die Lage gekommen, ihre
Objekte zu verkaufen. Dafür macht sich aber anderer
seits wieder ein starkes Interesse für die mit dem
Kriege in Zusammenhang stehenden Medaillen und
für das Kriegspapiergeld geltend.
Die Internationalität des Münzenhandels wird wohl
wahrscheinlich auch nach dem Kriege eine Zeit lang