Nr. 15
Internationale Sammler- Zeitung
Seite 191
vermindert sein, bis die scharfen Gegensätze, die durch
den Weltkrieg entstanden sind, sich abgeschliffen
haben werden.
Eine gemeinsame Antiquitätenausstellung würde
ich nur begrüßen, da ich anläßlich meiner Beteiligung
an der „Adria-Ausstellung“, bei der ich eine Expo
sition von Münzen und Medaillen, die auf Dalmatien
Bezug haben, besaß, die Erfahrung gemacht habe,
daß das Interesse des Publikums durch eine Ausstellung
geweckt wird.
Eine Schweizer Waffensammlung.
Als der Architekt und Genfer Staatsrat Charles
Boissonas (1832—1912) im Jahre 1865 den Grund
stock zu seiner Waffensammlung legte, die er dann
mit großem Verständnis und gründlicher Kennerschaft
bis zu seinem Tode vermehrte, war es in der Schweiz
noch möglich, ein reiches Material zusammenzubringen.
Die Sammlung Boissonas wirkt dadurch hauptsächlich
einzigartig, weil sie nur aus Stücken von ausnehmender
Güte besteht und konsequent erweise nur frühe Sachen
— die spätesten sind vom 16. Jahrhundert
— alles wirkliche Kriegswaffen, auf weist. Die Sammler
tätigkeit von Boissonas erstreckte sich ausnahmslos
nur auf Gegenstände schweizerischer Provenienz; aber
da waren die Ergebnisse überraschend: kein einziges
Museum der Schweiz weist zum Beispiel eine solche
Entwicklungsreihe der Hai barte auf, wie wir sie in
dieser Kollektion treffen.
Jean Boissonas, der Sohn des Verstorbenen, hat
uns nun einen Katalog der bis dahin nur wenigen
Kreisen bekannten Sammlungen seines Vaters beschert,*
der in Bezug auf die Illustration in scharfen Licht
drucken jedem bis jetzt erschienenen Waffenwerk
ebenbürtig zur Seite steht, die Ausstattung des ganzen
Buches im Querfolioformat, Papier und Druck (Sadag
A.-G. Genf) ist ausgezeichnet. Die Anlage des Inhalts
ist übersichtlich. Nach einer kurzen Einleitung und
einer Definition von Kriegshippe und Halbarte folgen
die einzelnen Abschnitte. Zuerst der Text, dann die
Tafeln. Der Text scheint zur Hauptsache auf die An
gaben des um die historische Waffenkunde in Frank
reichhochverdienten C. Buttin, Rumilly-Paris, zurück
zugehen, der auch die Gruppierung der Tafeln anordnete.
Die ersten fünf Tafeln behandeln die Hippen in tvpo-
logischer Reihenfolge, Tafel 6 bis 8 die ältesten Halb
arten, 9 und 10 die späteren Halbarten; dann finden
wir auf je einer Tafel vereinigt Sturmgabeln und
Glefen, Glefe-IIippen, Tafel 13 und ferner Tafel 14,
Spieße, 15 Spieß, Ivorseke, Partisane; 16 und 17 Streit
äxte; 18 Streitkolben, Kriegsflegel, Morgenstern;
19 Kolben und Hämmer, 20 bis 22 Bauern Waffen,
Hippen und Streitäxte; 22 bis 24 vorgeschichtliche
Waffen; 25 Schwerter aus Karolingischer Zeit; dann
26 bis 29 nur Helvetische Schwerter; 30 u. 31 Dolche,
32 und 33 Schweizer Degen und Dolche. Zuletzt folgt
ein Abschnitt Verschiedenes und ein treffliches
Markenverzeicnis, in natürlicher Größe und vorzüg
licher Genauigkeit mit der Angabe der Waffen, der
Textseiten und der Tafeln für jede Marke.
Der Text selbst gibt neben der übrigens nicht
streng chronologisch durchgeführten Numerierung der
Waffen den Maßstab der Abbildung auf der ent
sprechenden Tafel, dann die Bezeichnung des Stücks,
•) Alte Waffen aus der Schweiz, Sammlung C. Bois
sonas, Genf. Von Jean Boissonas, Genf, 1914. Heraus
gegeben in deutscher Sprache von Rieh, Carl Schmidt
& C o., Berlin, und in französischer Sprache von Jean
Schemit, Paris. Druck von Sadag A.-G., Genf. 31 Seiten
Text und 28 Lichtdrucktafeln.
den Fundort und die Erwerbung nebst ihrem Datum,
darauf die Zeitangabe über die Entstehung. Falls
eine Waffenschmiedmarke oder ein staatliches Be
schauzeichen vorhanden ist, werden diese in Original
größe daneben gesetzt. Außer diesen Angaben sind
bei der Abteilung der Stangenwaffen nähere Beschrei
bungen sehr spärlich, erst mit Tafel 24 setzen einige
Erläuterungen ein, so daß der Text des ganzen Buches
nicht gleichmäßig scheint. Immerhin sind die Abbil
dungen, besonders wenn man noch die Lupe zu Hilfe
nimmt, so gut geraten, daß sie den Mangel einer ab
gerundeten und ausführlicheren Beschreibung ver
gessen machen. Die Zeitbestimmung der einzelnen
Waffen ist in weitem Rahmen gehalten und erstreckt
sich auf einen Zeitraum von manchmal zweihundert
Jahren; eine prägnantere Datierung wäre bei vielen
Stücken mit Sicherheit möglich gewesen; bei den
Schwertern ist zwar der Versuch an einigen Stellen
gemacht, jedoch nicht durchgeführt worden.
Die ältesten und für die waffengeschichtliche Ent
wicklung wichtigsten Stücke finden sich unter den
Stangenwaffen der Sammlung Boissonas. Sowohl
an Zahl als an Formenreichtum sehen wir hier eine
einzigartige Reihenfolge, wie sie kein Museum der
Schweiz oder der übrigen Länder aufweist. Vom 14.
Jahrhundert an bis zu Anfang des 16. treffen wir in
genetischer Folge die einzelnen Typen der Halbarte
(Kriegshippe). Als Vergleichs- und Studienmaterial
sind diese Tafeln unentbehrlich. Daneben treten die
andern Stangenwaffen trotz ihrer guten Qualität zurück,
obwohl von den meisten vorkommenden Arten be
zeichnende Vertreter vorhanden sind. Interesse bieten
die drei Tafeln mit den „Bauernwaffen". Der Verfasser
hat hier eine Anzahl Halbarten (Kriegshippen) und
Streitäxte von manchmal ganz absonderlichen Formen
zusammengestellt. Man darf diese Stücke mit einigem
Recht Baueinwaffen benennen, da sie kein Erzeugnis
eines zünftigen Waffenschmiedes sind und wohl ad hoc
von einem gewöhnlichen Grobschmied verfertigt wurden.
Die vorgeschichtlichen Waffen nur in wenigen, aber
guten Vertretern seien hier nicht berücksichtigt. Unter
den Karolingischen Waffen finden sich zwei Lang
schwerter (Spatha) von ausgezeichneter Arbeit. Die
Vorhandenen mittelalterlichen Schwerter und frühen
Säbel „Schweizersäbel“, würden jedem Museum zur
Zierde gereichen. Auch hier hat Boissonas mit Kenntnis
und Geschick gesammelt. Es sind treffliche Stücke
dabei. Die den Schwertern folgenden Dolche, worunter
gute Stücke von Schweizerdolchen, aber ohne die
übliche Prunkscheide, können übergangen werden.
Unter den verschiedenen Stücken sei als merkwürdiges
Beispiel der späteren Verwendung von Schutzwaffen
eine zu einem Kochkessel umgeänderte Sturmhaube
erwähnt.
Die paar im Text unterlaufenen Unrichtigkeiten,
z. B. wird eine Prunkglefe als Trabantenwaffe der
Leibwache Karls des Kühnen von Burgund betrachtet
■— während das Stück erst aus dem 16. Jahrhundert