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Internationale Sammler-Zeitung
Nr. 16/17
zustellen hat. Sie schöpft zu diesem Zwecke -aus dem
reichlichen geschichtlichen Mustervorrat der Befrei
ungskriege, auch formt sic neue Gegenstände mit
Eisernen Kreuzen, die aber möglichst nur in der ein
fachen klassischen Form auf Tellern, Tassen und Vasen
zur Verwendung kommen. Sic hatte auch den guten
Einfall, für die Kriegszeit eine zweite Kriegsmarke
in Gestalt eines Miniatur-Eisernen-Kreuzes zu schaffen,
das auf dem Boden der Gegenstände neben der histo
rischen Fabrikationsmarke angebracht wird, ein Ver
fahren, das besonders für Sammler Wert hat.
Trotz des Abganges von 300 Menschen: Handwerkern
Chemikern, Künstlern bis zum Verwaltungsdirektor
hinauf, zum Heer, geht die Königliche Porzellanmanu
faktur ihren gewohnten sicheren Gang einer ausge
dehnten kaufmännischen Tätigkeit und gediegenen
künstlerischen Fabrikation.
zur Sprache, daß die französische Porzellanfabriken
jährlich bis zu 2 Millionen nach ihrem Erfinder benannte
Segerkegel in Berlin aufkaufen; es sind dies aus
Porzellanmasse geformte kleine Kegel, die als Tem
peraturmesser in die Brandöfen gestellt werden, ln
ihrer Not wandten sich die französischen Fabrikanten
nach Sevres, um sich dort diese unentbehrlichen
Wärmemesser zu verschaffen. Sevres aber konnte den
Wunsch nicht erfüllen und begnügte sich damit, die
Herstellungsart der „Montres Fusibles", Schmelzuhren
wue die Segerkegel in Frankreich genannt werden,
der Pariser Syndikatskammer für die keramische
Industrie mitzuteilen —- ein Verfahren, zu dem die
Fabrik durchaus nicht berechtigt wmr.
Biegt man vom Bahnhof Tiergarten aus in die
Wegelystraße, so erblickt man an ihrem Eingang in
mitten des Grüns eines alten Charlottenburger Gartens
Fig. 3.
Sturm, H'olienzollern-Medaille (Revers).
Sonst aber hat auch der Krieg in den verschie
densten Beziehungen einen Widerhall in dem stillen
Arbeitswinkel der Wegelystraße. Es galt in sozialer
Beziehung für die Familien von achtzehn gefallenen
Angestellten der Manufaktur zu sorgen. In kauf
männischer Richtung dagegen hat der Krieg nicht un
wesentlich zur Belebung des Betriebes beigetragen.
In regelmäßigen Zeiten schon rechnete die Manufaktur
mit großen Aufträgen für die chemische Industrie,
für Laboratorien und pharmazeutische Zwecke, für
Farbwerke usw. Heute haben diese Art Industrien
durch den Krieg an Bedeutung gewonnen, sie konnten
also auch an die Manufaktur laufende und vermehrte
Aufträge erteilen. Außerdem gebraucht der Krieg,
trotzdem sie zerbrchlich, mancherlei kleine und große
Hilfsmittel aus Porzellan. Die Beschreibung der Tätig
keit der Sevresfabrik durch ein französisches Blatt
brachte auch den für uns schmeichelhaften Umstand
einen niedlichen, noch im Bau begriffenen rundlichen
Pavillon, der Auslagefenster der Porzellanmanufaktur
enthalten wird. Dieser Pavillon läßt unwillkürlich den
Blick hinüberschweifen zu dem großen Rundbau im
Stil der Zeit von 1800, der den Hintergrund der Straße
ausfüllt und von dessen Front die verschlungenen
Ziffern der Manufaktur dem Besucher entgegenleuchten.
Diesem Rundbau, der Verkaufs- und Bureauräumen
und der schon seit langem erwünschten Museumsschau
der keramischen Sammlung der Manufaktur dienen
wird, soll in Gestalt von farbig behandelten Medaillons
und Vasen aus Porzellan ein künstlerischer Stempel
aufgedrückt werden. Diese Art von Schmuck stellt
einen ganz neuen Versuch dar. Sie bildet zugleich ein
Wahrzeichen für die hohe künstlerische Entwicklung
der Königlichen Porzellanmanufaktur, die auch in
dieser schweren Kriegszeit ihre industrielle und künst
lerische Tätigkeit befriedigend fortsetzt.