MAK
Seite 232 
Nr. 19/20 
Internationale S a m m 1 e r - Z e i t. u n g 
schon so lang und ausschließlich dem Kriege gewidmet 
sind, sowie den Kriegsbildern und photographischen 
Aufnahmen aus dem Felde werden neben den ernsten 
auch diese Spott-Medaillen wertvolle Dokumente der 
Fig. 3. 
Goetz, „Kulturträger“. 
großen Zeit bilden und in keiner Sammlung fehlen. 
Es sind mit einfacher, aber sicherer Linienführung 
und haarscharfer Charakteristik hingesetzte Relief- 
kompositioncn; man kann sagen, ins Plastische über 
tragene Karikaturzeichnun gen. 
„Kulturträger“ nennt sich, sehr bezeichnend, 
eine schöne Plakette in ovaler Form (Fig. 3). Der Zar 
Nikolaus, König Georg von England und in ihrer 
Mitte Herr Po in ca re werden von ihren farbigen 
Bundesgenossen, den Indern, Australiern und Senegal 
negern liebevoll umarmt. Auf der Rückseite liest man 
in ehernen Lettern: „Zur Schande sei es laut gesagt, 
zum Spotte. Er wird in Euch nagen, daß Ihr die wilden 
Horden jagt auf jene, die Kultur nach fernsten Landen 
tragen.“ Einen ähnlichen Vorwurf hat die etwas 
kleinere runde Medaille „England und Indien“, 
deren Beschreibung, obzwar nicht abgebildet, wir uns 
nicht versagen möchten. Ein keck gezeichneter Eng 
länder mit dem typischen kurzen Pfeifchen im Munde 
befördert —■ „all right“ — Truppen und Kriegsmaterial 
auf schwer bepackten Elefanten nach dem Kriegs 
schauplatz in Europa. Rückwärts ist die Landung im 
Hafen von Marseille zu sehen. Bekränzte Triumph 
pforten mit den Flaggen und Wappen der Republik 
begrüßen die Ankunft der exotischen Krieger, denn „nous 
sommes sauves“. Der schwarze „Ausrufer“ im Vorder 
gründe verkündet dem Publikum eine „grandattraction“. 
Daß der unerhörte Treubruch Italiens auch dem 
Humoristen der Plastik viel Stoff zur Darstellung 
bietet, ist nur natürlich: „Italiens Politik der 
freien Hand“ (Fig. 4) zeigt uns den mit dem Dolch 
herumfuchtelnden Italiener auf dem Rücken des 
Doppeladlers reitend, dem russischen Bären entgegen, 
der ihn mit offenen Armen empfängt. Diese ganze 
Gruppe ist wohl besonders schön in den gegebenen 
Raum hinein komponiert. Der Revers (Fig. 5) ist hier 
wirklich die „Kehrseite der Medaille", denn nun wird 
der gefangene Italiener von einem österreichischen 
und einem deutschen Krieger eskortiert. Wer diese 
komische Figur so vor dem gefällten Bajonett herlaufen 
sieht, muß lachen und denkt sich, wenn er zufällig 
ein Wiener ist: So ein Katzelmacher! Die Inschrift 
besagt: „Dreibundschmarotzer •—- Treubundverrotzer“, 
ebenso bajuvarisch derb als richtig. 
f# 3 Ein köstliches' Stück an Humor und Persiflage ist 
..Der Bittgang am Balkan" (Fig. 6). E gland, 
Rußland (mit der Knute) und Frankreich bitten knie 
fällig um die Gunst des Balkans. Im Hintergründe 
steht, noch unschlüssig, Italien. 
In einem schönen goldenen Käfig eingesperrt 
erscheinen auf der Rückseite (Fig. 7) die drei Balkan 
könige Ferdinand von Rumänien, Konstantin 
von Griechenland und Ferdinand von Bulgarien. 
Könige zwar, doch, wie es scheint, nicht immer ganz 
frei in ihren politischen Handlungen und Ent 
schließungen. „Bitte! Balkan! streit für uns“, ruft 
der Vierverband. Rußland erscheint bei diesem Bitt 
gang mit starkem Arm und geballter Faust, England 
schüttelt aus seinem Füllhorn Gold aus in schwerer 
Menge, Frankreich hängt sein Herz und Italien aller 
dings nur köstliche Früchte als Angebinde an das 
schöne Kerkergitter. Wir bemerken, daß diese Medaille 
ausgeführt wurde, bevor Bulgarien unser Bundes 
genosse am Balkan geworden ist, also eine unterdessen 
Geschichte gewordene Phase des Weltkrieges darstellt. 
An den Beginn des großen Weltkrieges im Vorjahre 
werden die Medaillen „Frankreich" (Fig. 8 und 9) 
und „Rußland“ (Fig. 10) erinnern. „Marianne“ mit 
der Jakobinermütze (die ausschreitende weibliche 
Figur ist künstlerisch trefflich durchgeführt) hatte 
durch länger als vier Dezennien Rache gesät, die nun 
als zischelnde Schlangen- und Natternbrut lebendig 
geworden ist. Am Revers dieser Medaille schreitet 
der gallische Hahn gar stolz einher und zertritt die 
„Genfer Konvention“. Im Hintergründe des Bildes 
türmen sich Dum-Dum-Geschosse auf. Ja, „allen 
Respekt vor der grande Nation“. Der Kampf des 
deutschen Aars mit der russischen Hydra und ihren 
Verbündeten auf der Medaille „Rußland“ fügt der 
Künstler auf der Rückseite die Worte bei: „Rußland 
und seine Henkersgesellen, der räudigen Hydra raub 
gierig Bellen, an deutschem Geiste sollen zerschellen.“ 
Endlich sei noch aus der großen Anzahl der Goetz- 
schen Kriegsmedaillen „Lusitania“ (Fig. 11 und 12) 
besprochen. Im Avers drängt sich die Menge am 
Schalter der Cunard-Linie, wo leider „Freund Hein“ 
die Fahrkartenausgabe besorgt. Es geht in den sicheren 
Tod, aber „Geschäft über alles“! Der Revers zeigt 
uns den Untergang des stolzen Schiffes auf hoher Sec. 
Darunter die Legende: „Der große Dampfer Lusitania 
durch ein deutsches Tauchboot versenkt. 5. Mai 1915.“ 
Die Goetzschen Kriegsmedaillen sind keine Prä 
gungen, sondern ausschließlich in Bronzeguß aus 
geführt, was sie besonders wertvoll macht, da ja be 
kanntlich die Bronzemedaille ziseliert werden muß 
und deshalb jedes Stück sozusagen ein Original darstellt. 
Fig. 4. 
Goetz, „Italiens Politik der freien Hand“ (Avers). 
Die Stücke, welche unsere Abbildungen in natürlicher 
Größe zeigen, sind in Wien sowohl in der Kunst 
händler g E. Hirschler & Co. (Plankengasse) als auch 
in den bekannten Medaillenhandlungen erhältlich.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.