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Internationale Samm 1 er -Zeitung
Nr. 19/20
von Stägemann, der bekannte Dichter der Befreiungskriege
und Staatsmann, unter dem Titel „Eine Geschichte“ in Verse
gefaßt hat. Es handelt sich, nach einer erklärenden Anmerkung
von Friedländer, um den folgenden Vorfall: Achim von Arnim
war 1812 uneingeladen in einer Gesellschaft der Frau Sara
. Le vy, geborenen Hitzig erschienen. Der Neffe der Hausfrau,
der Sohn des Baurats Hitzig, wies ihn hinaus, es kam zu einem
Wortwechsel, Hitzig forderte den Gegner, dieser aber lehnte
den Zweikampf ab, weil sieben seiner Freunde sich gegen das
Duell mit einem Juden erklärt hätten-Hitzig fiel 1813bei Lützen.
Arnim hat den Krieg nicht mitgemacht. Das Gedicht lautet:
Der Jude fordert den Edelmann.
Der Edelmann fragt seinesgleichen:
Ob er dem Juden möcht’ ausweichen ?
Die edle Jury also begann:
„Dem Juden gibt der Edelmann
Mit Kugeln nicht Bescheid, allein mit Peitschenhieben.
So steht’s von Bersava bis Van,
Von Potsdam bis Berlin geschrieben.“
Trotz diesem Spruch der edlen Sieben
Sind alle beide doch geblieben.
„Wie ging das zu ?“ Das höret an.
Die Kriegstrompete scholl nach hüben und nach drüben.
Zu Hause blieb der Edelmann;
Der Jud’ ist in der Schlacht geblieben.
Zum Schlüsse sei hier nur noch ein Blättchen aus dem
deutschen Fürstenspiegel der Sammlung wiedergegeben. Der
da spricht, ist einer der wenigen Lebenden, die in den Stimmen
der Geister vertreten sind, und was er sagt, gehört zum Leben
digsten, das in unsere Tage hinüberklingt. Ich meine das hier
zum erstenmal gedruckte Stammbuchblatt des Kaisers
Wilhelm, das er im August 1881 — also im,23. Lebensjahre
— für Frau Oberhofmarschall Margarete von Schleinitz
geborne von Berisch zu Potsdam geschrieben hat:
Der Feige bleibet stets ein Knecht;
Frei ist nur ein Volk von Kriegern,
Und ihm gebührt erst dann der Freiheit Recht,
Wenn man es fürchtet als ein Volk von Siegern.
Die Auktion Palmer in Wien.
Wenn es nach den von uns veröffentlichten Äußerun
gen der Wiener Antiquitäten- und Kunsthändler*)
Fig. 7.
Goetz, „Der Bittgang am Balkan“ (Revers).
noch eines Beweises bedurft hätte, daß der Wiener
Kunstmarkt vom Kriege unberührt geblieben ist, so
bat ihn in glänzender Weise die Kunstversteigerung
erbracht, mit der das Wiener Dorotheum am 1. d. M.
nach längerer Pause seine Auktionstätigkeit wieder
aufgenommen hat. Ein Anfang; der zu Fortsetzungen
vollauf ermutigt!
Schon in den Tagen, an denen die zur Versteigerung
bestimmten Gegenstände aus dem Nachlasse des ehe
maligen Generaldirektors der Länderbank, Eduard
Palmer und aus anderem Wiener Privatbesitz zur
Besichtigung ausgestellt waren, herrschte im Dorotheum
.ein Leben, wie man es in der Blütezeit der Kunstver
steigerungen gewohnt war; als dann die Auktion selbst
einsetzte, wuchs das Gedränge so an, daß viele Inter
essenten keinen Platz im Auktionssaale fanden und
schweren Herzens zurückkehren mußten. Die Lizita
tion, vom Direktionsrat Bittner sehr verständig ge
leitet, gestaltete sich dementsprechend auch ungemein
lebhaft und schloß mit einem Ergebnis ab, das alle
*) Siehe dieNummern 15, 16 und 17 der „Internationalen
ammler-Zeitung“.
Ei Wartungen übertraf. An 350.000 Kronen sind in
den fünf Tagen vereinnahmt worden, eine Summe, die
auch in Friedenszeiten imponierend wäre, jetzt aber
dadurch noch an Bedeutung gewinnt, daß sie einen
Maßstab für die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage
der österreichischen Haupt- und Residenzstadt bietet.
Die Wiener Tagespresse ist, mit wenigen erfreulichen
Ausnahmen, an dem auch, gesellschaftlich nicht un
interessanten Ereignisse —• versammelte doch das
Dorotheum in diesen Tagen alles, was Wien an Kunst
liebhabern besitzt — achtlos vorübergegangen, was
sehr zu bedauern ist; in ausführlichster Weise hätte
darüber berichtet werden müssen, damit man im feind
lichen Auslande erfahre, wie es mit dem Wien bestellt
ist, dem man dort schon oft das Grablied gesungen hat.
Nein, Wien ist nicht tot, noch lange nicht, die Auktion
Palmer ist ein kräftiges Lebenszeichen, das sie wieder
einmal gegeben hat.
Nachstehend die erzielten Preise:
Ölgemälde und Aquarelle.
Nr. 1, Richard Bitterlich, Kaiserin Elisabeth, K 500;
Nr. 2, Italienisches frühes 18. Jahrhundert, Alter Mann, da-
Fig. 8.
Goetz, „Frankreich“ (Avers).
feben jüngerer irrt Turban, K 280; Nr. 3, Eduard Zetsche,
Straße n Stammersdorf, K 140; Nr. 4, Wilhelm Men zier,