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Seite 52 
Internationale Sammler-Zeitung 
Nr. 4 
öfter als einmal; jener ist das Produkt einer manuellen 
Fertigkeit, deren Grad oft nur durch äußere, für die physische 
und moralische Entwicklung des Individuums ganz gleich 
gültige Einflüsse bestimmt wird, dieser ist das Resultat der 
Persönlichkeit und Außenwelt, aus allen, auch den ver 
schiedenartigsten Berührungen beider hervorgegangen. 
Man spricht sehr viel von einem Wesen, von einem so 
genannten Geiste der Handschriften und scheint hierunter 
nichts anderes zu verstehen, als eben jenen allgemeinen'Aus 
druck der Individualität, wir möchten sagen, die algebraische 
Formel derselben, welche in den Buchstaben der Hand 
schrift eingeschachtelt sein soll. Wenn man aber diese 
Geisterbanner fragen möchte, durch welche irdischen, sicht 
baren Symptome diese Idee aus der Form und Lage der 
einzelnen Schriftzeichen hervortrete, sie würden eine klare Ant 
wort wohl schuldig bleiben müssen. Denn die Gemeinplätze, 
daß ein an Schattenstrichen und Schroffheit laborierendes 
Manuskript von Pedanterie, ein flüchtiger, regelloser Feder 
zug von Genialität, ein hin und herschwankendes Buch- 
stabengemengsel von Charakterschärfe zeuge u. dgl. m., 
leben zwar in aller Munde, aber auch nicht die Erfahrung 
eines Einzigen kann sie als Gesetz, geschweige als Regel 
hinzustellen wagen. 
Dennoch gibt es einen Standpunkt, von welchem aus 
dieses Steckenpferd auch dem Unbefangenen als ein statt 
liches Flügelroß erscheinen muß, welches ihn vom trockenen 
Ackerschollen seiner wirklichen Existenz zur heiteren Himmels 
höhe einer idealen Götterversammlung hinaufträgt. Wir 
setzen nämlich voraus, daß unsere Autographe nicht etwa 
nur Mitglieder eines bunten Stammbuchklubs sind — wiewohl 
auch diese, bei mehr als gewöhnlicher Sorgfalt wenigstens, 
angenehme Ferngläser der Vergangenheit werden können — 
sondern, daß sie von der Hand wirklich großer Männer her 
rühren, mag nun diese Größe bürgerlicher oder sittlicher 
oder künstlerischer Natur sein. Tn diesem Falle besitzen 
wir gleichsam ein Vermächtnis ihrer unsterblichen Hand, zu 
dessen Erwerb uns zwar kein Testament, aber unsere freudige 
Anerkennung ihrer Größe berief; wir dünken uns ihnen 
näher, ja Verwandte derselben zu sein. Und sind wir es im 
Geiste, so Schlagen wir uns mit jedem Worte ihrer Hand 
schrift eine Brücke in ihr ganzes gewaltiges Ideenreich, so 
schlingt jeder Satz derselben ein Liebesband zwischen uns 
und ihrem Verfasser, so entfaltet sie selbst vor unserem inneren 
Auge sich zu einer Weltkarte seines Tuns und Treibens, so 
wird sie uns der Zauberschlüssel zu den Wundergärten seiner 
Werke, die Himmelsleiter, auf der zu dem selig Träumenden 
die Engel seines höheren Ebenbildes herniedersteigen. 
Ist uns vielleicht gar das schöne Los gefallen, daß jene 
Teilchen, jene Demokritos-Tdee hochgefeierter Wesen, zunächst 
und nur allein für uns bestimmt sind, daß wir nicht durch 
Handel, sondern durch Wandel dazu gelangten, so stehen 
wir bei Betrachtung derselben in einem Gemäldesaale, welcher 
die schönste und stolzeste Biographie von uns selbst enthält. 
Ähnliche Ansichten mögen es sein, welche in den ge 
bildetsten Kreisen des Publikums dieser Art von Sammlungen 
ihre Anhänger verschafften und dem Raritätengelüste an 
berühmten Pantoffeln, welthistorischen Schlafmützen und 
vielbesprochenen Schnupftuchsfragmenten hoffentlich den 
Todesstoß geben werden. Wie groß übrigens die Zahl der 
Autographenliebhaber oder vielmehr, wie groß die Lieb 
haberei ist, ergibt sich aus dem pretium affectionis, bis zu 
welchem ihre Objekte gestiegen sind. So wurden in einer 
am 10. v. M. zu Wien abgehaltenen Autographenauktion 
ein Brief von Goethe um 11, ein 21 Zeilen starkes Manu 
skript von Lessing um 16, ein französischer Brief der 
Mali bran um 9, 12 Zeilen von Raphael Morghen um 8, 
eine Handschrift von Jean Paul in Quart um 12fl. C.-M. 
losgeschlagen. Bei vielen Exemplaren war, wie die Aufträge 
abwesender Liebhaber bewiesen, nur der Mangel an be 
mittelten Mitbewerbern Ursache, daß sie nicht um das 
Doppelte und Dreifache jenes Preises erkauft wurden, um 
welchen sie wirklich erkauft worden sind, obschon bereits 
letzterer gewöhnlich das Vierfache ihres Ausrufswertes betrug. 
Übel kamen hingegen die deutschen Schriftstellerinnen durch, 
welche entweder gar nicht oder nur um geringe Preise, er 
standen wurden. Andere, übrigens interessante Handschriften 
scheinen deshalb keine Abnehmer gefunden zu haben, weil 
sie uni verhältnismäßig große Summen nur den Besitz, des 
NamenSzuges oder der Unterschrift versprachen. Im ganzen 
gingen jedoch die meisten Nummern von Bedeutung um hohe 
Preise ab, so daß diese reichhaltige Auktion dem Verkäufer 
und Käufer gleich erfreulich sich gestaltete“. 
* * 
* 
Die Autographenauktion, von der im vorstehenden Ar 
tikel die Rede ist, hat am 17. Juni 1839 stattgefunden. 
In dem Artikel „Die ersten Autographenauktionen", den 
Dr. Tgnaz Schwarz in der „Internationalen Sammler- 
Zeitung“ (Jahrg. 1909, Nr. 7, S. 101 u. f.) veröffentlichte, 
teilte er über diese Versteigerung mit: „Zwischen der zweiten 
und dritten Gräfferschen Auktion brachte der Antiquar 
Bader am 17. Juni 1839 ,am Schlüsse der gräflich 
Fuclisschen Bücherlizitation* eine kleine Autographen 
sammlung zur Versteigerung. Der Katalog enthält 276 ein 
zelne Stücke, eine Anzahl von Signaturen und zwei Stamm 
bücher aus dem 18. Jahrhundert, darunter zwei Briefe und 
ein Musikstück Beethovens, die zwei ersten 4 4 fl., das 
letztere für 10 fl. verkauft; Goethe mit einem Brief, 
datiert Karlsbad, 10. Mai, 79 Zeilen 11 fl.. (Bader), ferner 
eine große Anzahl mehr oder minder bedeutender Stücke, 
flüchtig katalogisiert und zumeist zu Spottpreisen abgegeben. 
Interessant sind die im Anhänge ausgebotenen Stammbücher; 
das eine, das des Leipziger Theologen Karl Friedrich 
Meischner, mit einer großen Anzahl Eintragungen und 
Silhouetten berühmter Persönlichkeiten aus der Zeit von 
1779 bis 1783, (erworben von A. von Franck für 25 fl.), 
das andere G. F. Lorenz gehörige, mit Widmungen von 
Goethe, Weimar 1776, Lenz, Eckhof, Lessing, Jacobi etc., 
(verkauft für 20 fl.)“. 
Das erste grönländische Buch. 
Knud Ras müssen, der bekannte Grönlandforscher, be 
spricht in „Politiken“ eine in ihrer Art einzig dastehende 
literarische Neuerscheinung: das erste Buch eines 
Grönländers, das auch in der Eskimosprache geschrieben 
ist. Es hat den für unsere Ohren nicht gerade wohl 
klingenden Titel „Singnagtugaq“, was auf Deutsch „Der 
Traum“ heißt. Der Autor ist der grönländische Pfarrer 
Matthias Storch, ein geborener Eskimo, der in Nordgrönland 
in äußerst primitiven Verhältnissen aufgewaclisen ist, kraft 
seiner ungewöhnlichen Begabung aber eine außerordentliche 
Laufbahn hinter sich hat. Während seiner Jugend führte er 
das Leben eines Eskimos, wurde dann von einem Pfarrer er 
zogen und durch dessen Vermittlung schließlich nach Kopen 
hagen gesandt, wo er eine vollständige wissenschaftliche Aus 
bildung erhielt, auf Grund deren er kürzlich zum Pfarrer für 
seine Landsleute ernannt wurde. 
Stoichs Buch ist von Anfang bis zu Ende eine Kampf 
schrift. Frei von dem primitiven Autoritätsgefühl aller übrigen
	        
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