Internationale
^ammler^eifung
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
7. Jahrgang. Wien, 1. März 1915. Nr. 5.
Hebräische
Von Dr. Ludwig
Die große, für die Entwicklung und Ausbreitung
der Geisteskultur so folgenreiche Erfindung der Buch
druckerkunst hat naturgemäß auch auf die intellektuelle
Tätigkeit der damaligen Juden mächtig eingewirkt.
Denn wie die Wanderung der letzteren von West nach
Ost, von Nord nach Süd so hatte auch die Errichtung
von hebräischen Druckereien in Italien, Spanien usw.
am Geistesleben der Juden einen großen Umschwung
erzeugt. Schon 35 Jahre nach dieser wundervollen
Erfindung machten sich die Juden dieselbe mit großem
Fleiß e zu nutze; warfen sie sich doch mit einem wahren
Feuereifer auf die „heilige Arbeit“, auf das „himmlische
Werk“, wie die Drucker die neue Kunst des Schrift
druckes zu preisen pflegten. In Italien wurden die
ersten jüdischen Druckerpressen angelegt, denn schon
1475 verließen die frühesten hebiäischen Druckwerke
die Offizinen in Picve di Sacco (in der Provinz Padua)
und in Reggio di Calabria, wo der Kommentar
Raschi’s zum Pentateuch zum erstenmal gedruckt
wurde. Noch heute ist es ergreifend, zu lesen, wie
überschwänglich die neue Erfindung in allen Tonarten
verherrlicht wurde. In einer Nachschrift eines dieser
Erstlingsdrucke preist sich die Druckerkunst mit den
Worten: „Ich bin weise und die Krone aller Wissen
schaften; ich bin verborgen und für jedes Geheimnis
verschlossen. Ohne Feder wird doch das von mir Ein
gezeichnete erkannt und ohne Schreiber zu einem
Ganzen verbunden. Auf einmal fließt die Tinte darüber
hin, ohne Linien in gerader Schrift. Wundert man sich
über Deborah, die Heldin, welche mit dem Griffel der
Schreiber herrschte (Anspielung auf das Richterbuch
5, 14), würde sie mich in meinem Einbruch gesehen
haben, so hätte sie mich als Krone auf ihr Haupt ge
setzt“. Erinnern wir uns, daß die Mönche bald nach
der praktischen Verwertung von Gutenbsrg’s Erfin
dung ein Zetergeschrei über diese Neuerung erhoben
und sie als „Teufelswerk“ schmähten, dann müssen
wir den Enthusiasmus, mit welchem die Juden die
Buchdruckerkunst förderten, umso höher veranschlagen.
Bis auf einige Abschreiber, die sich jetzt in ihrem
kargen Verdienst geschädigt sahen und nicht ohne
leises Murren, ja mit mißgünstigem Blicke die Fort
schritte dieser Kunst verfolgten, schwärmte ganz Israel
für diese gewaltige Errungenschaft menschlichen Geistes.
Man verurteilte sogar die Gegnerschaft, und in einem
Druckwerke vom Jahre 1490 heißt es zum Schlüsse:
Inkunabeln.
Lazarus (Göding).
„Diejenigen aber, welche irrige Ansichten über dieses
Gewerbe aussprechen, werden ihre Schuld dafür zu
büßen haben“.
Diese leidenschaftliche Parteinahme für die größte
Erfindung des fünfzehnten Jahrhunderts erklärt sich
bei ■ dem „Volke der Schrift“ ganz von selbst. War
doch die Klage über Büchernot eine stehende Rubrik
auf den Blättern der mittelalterlich jüdischen Ge
schichte. „Ich habe,“ so klagt ein französischer Rab
biner des dreizehnten Jahrhunderts, „kein Buch zum
Nachlesen, der Dränger hat uns unsere Schätze ge
nommen“. Am Schlüsse eines Gutachtens entschuldigt
sich ein deutscher Rabbiner des fünfzehnten Jahr
hunderts, daß ihm Bücher fehlen, um auf die strittige
Frage noch näher einzugehen. „Ich kann — aus Mangel
an Büchern zum Nachschlagen — nicht länger dabei
verweilen“, schreibt er 1474, „die Sache ist sehr eilig,
denn uns steht Austreibung bevor. Schon ist die Frist
verstrichen, die uns der Erzbischof (von Bamberg)
gewährt hat. . ..“
Die oft unter großen Entbehrungen von armen
Schreibern mühselig angefertigten und der Zerstörungs
wut einer wild fanatisierten, feindlichen Horde preis-,
gegebenen Manuskripte waren sehr teuer, so daß nur
bemittelte Leute den kostspieligen Luxus der An
schaffung von immer seltener werdenden Handschriften
sich gestatten konnten. Mit dem Aufkommen der
Druckerpresse änderte sich das mit einem Schlage.
Die wichtigsten Werke des jüdischen Schrifttums
konnten nun auf schnelle und billige Art verviel
fältigt werden, wodurch das Studium der Grund
quellen des Judentums wesentlich gefördert und ver
breitet wurde. Die jüdischen Druckereien in Italien
hatten zuerst die Beschaffung von sonst teuren und
seltenen Schriften ungemein erleichtert und je mehr
die Bibel und der Talmud, die Kommentare und die
vielen Responscn im Drucke erschienen, desto mehr
nahm die Zahl der Talmudbeflissenen zu. Auch wurde
jetzt eine größere Korrektheit der Texte erzielt und ein
richtigeres Verständnis derselben ermöglicht. Freilich
nahmen sich die ersten Druckwerke nur wie tastende
Versuche aus, die Schriftgießer vermochten anfangs
nicht die Vokale an die Konsonanten anzugießen, so
daß oft die Vokale entweder ganz wegbleiben mußten
oder nur unförmlich unter die Konsonanten gesetzt
werden konnten. Manche dieser Wiegendrucke oder