Nr. 5
Internationale Sammler-Zeitung
Seite 67
Die vorbuddhistische Kunst Chinas wird durch die
Flachreliefs der Hanzeit repräsentiert. Ihre Darstel
lungsform weicht so sehr von der charakteristischen
Bildung der buddhistischen Göttergestalten ab, daß
ein direkter Weg von einen zum anderen nicht denkbar
ist. Indische Vorbilder sind zu erschließen und aus
dem dort erhaltenen Material unschwer zu rekon
struieren. Schon die Werke der frühesten Phase
buddhistischer Plastik in Ostasien, die in der Zeit der
sechs Dynastien in China (zirka 420 bis 620) und der
Suikoje-Epoche Japans entstanden (zirka 550 bis 650),
weisen die charakteristische Treppenfalte auf, ein
Motiv, das in Indien schon zur Zeit Asokas nach
weisbar und sicherlich aus dem antiken Kunstkreise
abzuleiten ist. Die Shakatrinität des Kuramatsukuri
Tori im Kondo des Horyuji ist das bekannteste
Beispiel des Stiles. Tori war der Enkel eines von
China eingewanderten Meisters, und in den Höhen
tempeln dort finden sich mannigfache Analogien. Die
Kwannon des Yumedono zeigt die charakteristische
Reliefbildung, die in der Kokuzo des Horyuji in
einer noch primitiven Lösung, durch Ausbildung von
vier distinkten Ansichten zur Vollplastik zu wandeln
versucht wird. Die Chugui-Kwannon zeigt das gleiche
Streben bei der Sitzfigur.
Die Hakuho-Zeit (zirka 650 bis 710) in Japan
spiegelt die erste Entwicklungsphase der drei Jahr
hunderte der Herrschaft der T’ang-Kaiser (zirka 600
bis 900). Die Shokwannon des Toindo in Yakushiji
steht am Eingang, die gewaltige Yakushitrinät des
gleichen Tempels am Ausgang dieser Epoche. Chine
sische Steinrcliefs der T’angzeit geben die Analogie.
Die Tempyozeit (zirka 710 bis 784) in Japan ist die erste
Glanzzeit der buddhistischen Skulptur in Ostasien.
Der Daibutsu in Nara wurde im Jahre 743 gestiftet.
Wie das arg zerstörte und schlimm ergänzte Riesen
werk zu rekonstruieren wäre, zeigt der schöne Roshana
des Toshodaiji, der von chinesischen Meistern ge
arbeitet wurde. Ein Beispiel der großen Freiheit in An
ordnung und Gewandanlage, wie sie diese Zeit erreichte,
ist der Shaka des Jingoji und ebenso der Yuima
des Hokkeji, der schon hinüberführt zu der in
dividualisierenden Porträtplastik der Zeit, für die eine
Reihe glänzender Beispiele zeugen.
Neben diesem Typus der buddhistischen Skulptur,
die auf der Grundlage der indischen Vorbilder ent
standen ist, stehen einige Gewandfiguren von rein
chinesischem Typus wie die Bonten und Taishaku
des Sangatsudo im Todaiji, die vielleicht im Zu
sammenhang mit der altchinesischen Kunstübung zu
erklären sind, wie auch die Tongruppen der Pagode
des Horyuji auf eine Beziehung zu den bekannten
chinesischen Grabstatuetten aus Ton hinweisen.
Vorsicht in dieser Deutung ist aber geboten, da die
ebenfalls in diese Kategorie gehörigen Judaideshi
des K o f u k u j i von der Tradition einem im übrigen
allerdings unbekannten indischen Bildhauer M o n d o shi
zugeschrieben werden. Die zugehörigen Hachibu führen
auf die Dämonendarstellungen der Zeit, von denen
die Haupttypen in den Shitenno des Sangatsudo
und Kaidanin des Todaiji und den Junishinsho des
Shinyakushiji erhalten sind. Das erste Jahrhundert
der Heianperiode (zirka 784 bis 1180), die sogenannte
Joganzeit, bringt eine eigentümlich barocke Um
bildung der Formen, ein Breiterwerden, wulstige
Falten, ausdrucksvoll charakteristische Typen. Der
Yakushi des Jingo j i ist ein Hauptbeispiel. DieZurück-
führung auf China wird nahegelegt durch die Vor
bereitung des Stiles schon in der von chinesischen
Meistern gearbeiteten Hauptgruppe des Toshodaiji,
deren Yakushi das Vorbild für den Shaka des
Muroji wurde. Auch der sogenannte Daianjistil
gehört in diese Kategorie. Schon innerhalb dieses
Stiles zeigt sich eine starke Neigung zu einer orna
mentalen Ordnung der Falten, die angeregt wird
durch eine ausgesprochen archaisierende Neigung der
späten T’angkunst. Diese wiederum steht in Zu
sammenhang mit den mystischen Zauberkulten der
neuen Geheimsekten, die im 6. bis 7. Jahrhundert
in Indien entstanden, zu Anfang des 8. Jahrhunderts
nach China und von dort nach Japan übertragen
wurden. Die Götterbilder, die die Begründer der
neuen Sekten Vom Festland mitbrachten, sind durch
die Makurahonzon des Kobo Daishi, den Shaka
des Seiryoji, die neunköpfige Kwannon des
Horyuji charakterisiert, deren vollen Gegensatz die
sicher ältere Juichimen das Hokkeji bedeutet.
Im Jahre 847 kamen die Hauptbilder des Toji
nach Japan, der Bishamon, der im Gegensatz zu der
stark bewegten Form früherer Tempelhüter das
hieratische Ideal der neuen Zeit darstellt, und die
Kokuzo, das beste chinesische Werk des 9. Jahr
hunderts. Deren japanische Übertragung in den Godai-
kokuzo des Jingoji bedeutet den Beginn der rein
klassizistischen Fujiwaraplastik in Japan, deren
gefeiertes Hauptwerk in dem Amida des Howodo
von dem Meister des Jocho erhalten ist. Wie selbst
das Porträt sich dem Stilzwange fügt, zeigt der
Chisho Daishi des Onjoji. Japan war in den drei
Jahrhunderten der Fujiwaraherrschaft relativ un
abhängig von China. Das bedeutet aber nicht, daß
nun eine selbständige Entwicklung einsetzte, es ver
harrte vielmehr in den traditionellen Formen und
machte die Weiterbildung nicht mit, die für die
folgende Zeit in China selbst vorausgesetzt werden muß.
Die überraschende Stilwandlung zu Beginn der
Kamakurazeit (zirka 1180 bis 1335) läßt sich nicht,
wie es in Japan üblich ist, durch den Wiederanschluß
an die alte Narakunst erklären, auch nicht durch
das Auftreten genialer Meister, des Kokei und seiner
Söhne Unkei und Jokei, sondern muß auf
chinesische Vorbilder zurückgeführt werden. Die Stil
bildung geht vollkommen überein mit der gleich
zeitigen Entwicklung der Malerei, und wenigstens
eine Denkmälergruppe, nämlich die großen Lohan-
Statuen ans Ton, die in den letzten Jahren bekannt
wurden, geben den Typus, der den Hossopriestern
des Kokei zugrunde liegt. Daß für die Wieder
herstellungsarbeiten am Todaiji 1193 chinesische Meister
berufen wurden, von deren Werken leider so gut wie
nichts erhalten blieb, spricht ebenfalls für diese These.
Die beiden großen Statuen des As an gha und Vasu-
b and hu, die traditionell dem Unkei zugeschrieben
werden, sind das Hauptwerk der Zeit. Die Shitenno
Kokeis in Kofukuji und Jokeis Shokwannon im
Kuramadera sind die reifsten Arbeiten, die erhalten
blieben. Für die Folgezeit blieb aber in der eigentlich
buddhistischen Skulptur das alte klassizistische Ideal
der Fujiwarakunst maßgebend. Der Daibutsu von
Kamakura ist das bekannteste Beispiel der späteren
buddhistischen Plastik, die eine Entwicklung nach
dieser Zeit nicht mehr erlebte.