MAK
Nr. 5 
Internationale Sammler-Zeitung 
Seite 71 
Standort unlösbar verbunden und muß für diesen Ort und 
zwar so erdacht und durchgeführt werden, daß es stets seine 
Gesamtwirkung beibehält. Ob Einzelheiten mehr oder weniger 
zu sehen sind, kommt weniger in Betracht. 
Außerdem wird, je größer die bemalte Wand sein wird, 
die Entfernung zum Beschauen immer größer werden, was 
in der Ausführung berücksichtigt werden muß, oder wenn 
der Kaum die notwendige Distanz nicht ermöglicht, wird 
die Wand in kleinere Unterabteilungen aufgelöst werden 
müßen, um mehrere selbständig wirkende kleinere Bilder zu 
erhalten. Die Gesamtarchitektur des. Raumes wird auch die 
ganze Linienführung und Massenaufteilung des Wandbildes 
bestimmen, ebenso wie die farbige Erscheinung zur archi 
tektonischen Idee stimmen muß. 
So ergibt sich, daß die Wandmalerei eine ganze Reihe 
von Bedingungen erfüllen muß, noch bevor sie zu einer eigenen 
Wirkung gelangen kann, daß der Künstler gewissermaßen 
mit gebundener Marschroute arbeitet. Wenn man nun aber 
vermuten sollte, daß diese Umstände diese Kunst hemmen 
könnten, so irrt man, denn gerade die schönsten Wandge 
mälde entstammen der Zeit, in welcher der Künstler volle 
Rücksicht auf die Erfordernisse des Raumes nahm. Und man 
kann es offen aussprechen, daß ein gutes Wandbild nur der 
Künstler schaffen kann, der entweder selbst aus dem Dekora 
tions-Handwerk hervorgegangen ist oder der dieses Hand 
werk vollständig kennt. Ebenso wie ein guter Plastiker nur 
der werden kann, welcher seine formale Vorstellung aus seinem 
Gefühl für das Material schöpft, ebenso kann nur der Künstler 
ein gutes Wandbild ersinnen und ausführen, dessen ganze 
Vorstellung aus seinem Gefühl für die Eigentümlichkeiten 
der zu schmückenden Wand und des zu benützenden Ma 
teriales hervorgeht. 
Der Stil, den ein gutes Werk ausspricht, ist nicht das 
Resultat irgendeiner klügelnden Verstandestätigkeit, sondern 
das Resultat aus einer harmonischen Verbindung persön 
licher Ausdrucksweise mit den einzig dafür entsprechenden 
Mitteln. — Solange diese persönliche Art mit den angewendeten 
Mitteln und in voller Harmonie mit allen Erfordernissen des 
entsprechenden Raumes steht, so ergeben sich jene wunder 
samen Gebilde an Malerei, die wir heute noch bei den Meistern 
des 14. und 15. Jahrhunderts bewundern müßen. Weit größere 
Künstlerindividualitäten haben diese Zeiten abgelöst, voll 
ständige Herrschaft über Perspektive, Anatomie, über den 
menschlichen Körper wurde errungen, die größte persönliche 
Freiheit in der Darstellung schier unmöglicher Sachen finden 
wir vor, ja endlich steigert sich das Können zur größten Will 
kür, so daß kein Gesetz mehr den alles spielend beherrschenden 
Künstler mehr zu binden hat, er kann sich austoben und die 
tollsten Einfälle bringen, die kühnste Virtuosität feiert 
Triumpfe, bis sie altersschwach in Spielereien endet. 
Der Vortragende schloß seine j ^interessanten und 
lehrreichen Ausführungen mit folgenden Worten: Wir 
modernen Menschen, die wir das alles zu überschauen 
vermögen, wir fühlen uns aber wieder zu dem 
Anfang, zu jenen Zeiten hingezogen, wo noch der 
handwerkliche Künstler, leise tastend nach dem Ausdruck 
seines Innenlebens rang, so ganz seine Seele ohne Nebenab 
sichten schlicht und echt aussprach und bescheiden, nur an 
das Gesamte dachte, selbst aber ganz hinter seinem Werke 
verschwand. Und betrachten wir, was all die modernen Sucher 
auf dem Gebiete der Monumentalkunst wollen, so finden 
wir, daß ihr Suchen wieder nur ein Tasten nach jenen Ge 
setzen ist, die die so herrlich bescheidene Kunst des 13. und 
14. Jahrhunderts beherrschten. 
Französische Kriegskarikaturen 1870. 
Von Georg Hermann/(Berlin.) 
Die königliche Bibliothek zu Berlin besitzt in ihrer 
Kriegssammlung des Jahres 1870/1871 zehn starke Bände 
voll von Karikaturen französischen Ursprungs. Diese 
zehn Bände enthalten keine Zeitschriften, sondern nur 
Einzelblätter. Meist sind diese Einzelblätter großen 
Formats und meist koloriert — denn sie waren wohl 
alle für den Straßenverkauf bestimmt. Es mögen das 
ungefähr siebenhundert Blatt sein, die hier vereint sind. 
Eine gewiß erstaunliche Menge, denkt man; aber man 
wird sich noch mehr wundern, wenn man erfährt, daß 
es kaum ein Zehntel der Gesamtproduktion ist. Der 
Katalog von Jean Berlcux (Paris 1890) führt sieben 
tausend Blatt auf und soll nach Aussage von Kennern 
und Sammlern noch unvollständig sein. Er ist 220 Seiten 
stark, macht die Werke von 200 Künstlern namhaft, 
unter denen sich 170 fortlaufende Serien von Karika 
turen befinden. Manche mit 20 bis 30 Blättern, einzelne 
sogar mit 50 und 75 Blättern. Außerdem nennt er noch 
43 in regelmäßiger Folge erscheinende Witzblätter. 
Diese Zahlen mögen einen Begriff geben von der Rolle, 
die in den politischen und kriegerischen Kämpfen der 
Jahre 1870/1871 die Karikatur in Frankreich spielte. 
Trotz ihrer Ungeheuern Breite aber ist die künstlerische 
Ausbeute dieser Epoche der Karikatur sehr gering. 
Denn wenn auch der wilde Pulsschlag der Zeit manchem 
Wucht und Schlagkraft verlieh, so jagte doch das Fieber 
dieser Zeit zu schnell, als daß irgend etwas künstlerisch 
ausreifen konnte. 
Wer also starke künstlerische Werte in diesen 
Blättern sucht, wird nicht auf seine Rechnung kommen. 
Einzig wenige Arbeiten des alten, damals schon halb- 
blinden Daumier heben sich neben ein paar wuchtigen 
allegorischen Blättern aus dem unerhörten Wust von 
Rohem und Mittelmäßigen. 
Volkspsychologisch jedoch sind diese Karikaturen 
außerordentlich beachtenswert. Ja mehr als das: sie 
sind villeicht der beste und schärfste Steckbrief, der 
je über die französische Volksseele geschrieben wurde, 
gewiß, haarscharf und genau; denn er wurde ja bis in 
die feinsten und letzten Merkmale von Deliquenten 
selbst ausgefüllt. Alle üblen und fragwürdigen Eigen 
schaften der französischen Volksseele, die sonst oft 
durch einen leichten und gefälligen Kulturfirnis ver 
deckt sind, treten hier ungetrübt und klar ans Licht. 
Man begreift plötzlich, daß es für gewisse Worte der 
deutschen Sprache, für alles, was die Gemütssphäre 
heim Deutschen tangiert, im Französischen keine Über 
setzungen, ja kaum Umschreibungen gibt. Selbst wenn 
wir der Karikatur jedes Recht zugestehen wollen, das 
in ihrem Wesen hegt, selbst wenn wir alle Verzweiflung, 
alles Unglück eines besiegten Volkes mit in Anrechnung 
bringen, so bleibt doch eine solche Restsumme von Haß, 
Verleumdung, Roheit und wilder Übertreibung, von 
Geifer, Schmutz und schäumender Wut, von Härte 
und Mitleidslosigkeit, von Ungerechtigkeit und bös 
williger Verkennung, daß wir, der Struktur unseres 
Wesens nach, den Dingen ganz fremd gegenüberstehen; 
genau in derselben Weise, wie wir den seelischen 
Äußerungen irgendwelcher Halbwilden gegenüber 
stehen würden.
	        
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