Nr. 6
Internationale Sammler -Zeitung
Seite 85
die Wiedergabe einer dem Bayerischen Roten Kreuz gewidme
ten eigenhändigen Niederschrift. Diese vier neuen Rote Kreuz-
karten dürften sowohl um ihrer selbst willen, als auch des
vaterländischen guten Zweckes wegen, dem sie dienen sollen
von der Bevölkerung ebenso gern gekauft werden, wie die früher
erschienenen, von denen einige schon vergriffen sind.
(Beschlagnahme von Friedenspostkarten.} Der
Pariser „Temps“ schreibt: Der Präfekt des Departements
Dcux-Sevres fordert in einem Rundschreiben die Bürgermeister
des Departements auf, Ansichtskarten, auf denen Wünsche
nach Frieden um jeden Preis aufgedruckt sind, von den Post
kartenhändlern vernichten zu lassen. Diese Ansichtskarten
könnten einen entmutigenden Einfluß ausüben. Es sei nicht
ausgeschlossen, daß sie auf deutsche Propaganda zurückzuführen
seien, um die Gemüter zu entmutigen.
Autographen.
(,,Selbstschri f ten“.) In dem bekannten Berliner
Antiquariat von J. A. Stargardt erscheint soeben ein
interessantes Urkundenverzeichnis mit Briefen berühmter
Fürsten und Staatsmänner, das zum ersten Male das Fach
wort ,, Autograph'' durch „Selbstschrift“ ersetzt und
zugleich auch gewisse internationale Abkürzungen wie L. a. s.
(Lettre autographe signee) durch die entsprechenden deut
schen Bezeichnungen ersetzt. Das neue Wort „Selbstschrift“
scheint uns nun, gerade weil es eine wörtliche Übersetzung
des Autogramms ist, nicht sehr glücklich gewählt. Es würde
besser heißen „Eigenschrift", sofern überhaupt die Not
wendigkeit vorliegt, den leicht übertriebenen Kampf gegen
das Fremdwort auch auf das Griechische und Lateinische
äuszudehnen. Was den Inhalt selbst betrifft, so zeigt gleich
der Titelumschlag eine interessante Kriegsproklamation
Wilhelms I. vom 10. August 1870, in dem Augenblick
erlassen, da der König die französische Grenze überschritt.
„Wir, Wilhelm, König von Preußen“, heißt es in französischer
Sprache, „tun den Einwohnern der französischen Gebiete,
die von der deutschen Armee besetzt sind, Folgendes kund
und zu wissen: Kaiser Napoleon hat zu Land und zu
Wasser das deutsche Volk angegriffen, das den Wunsch
hegte und noch hegt, mit den Franzosen in Frieden zu
leben. Ich habe den Oberbefehl über die deutschen Armeen
übernommen, um den Angriff zurückzuweisen, und sah mich
durch die militärischen Ereignisse genötigt, Frankreichs
Grenze zu überschreiten. Ich führe Krieg mit den' Soldaten
Frankreichs, nicht mit seinen Bürgern“ usw. Neben diesem
Prachtstück der Sammlung, das mit 18.500 Mark angesetzt
ist, dürfen eine Reihe von Briefen Friedrichs des
Großen, im Jahre 1785 an seinen Neffen, den Herzog
Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig ge
richtet, großes Interesse beanspruchen.
Bibliophilie.
Die Kriegssammlung der vatikanischen Biblio
thek.) Wie jedes politische Ereignis, von dem die Kurie
berührt wird, so bringt auch der gegenwärtige Krieg der
Zcitungssammlung der vatikanischen Bibliothek einen neuen
und wichtigen Zuwachs. Schon in ruhigen Zeiten ist die
tägliche Ergänzung der vatikanischen Bücherbestände durch
das, was die bedeutendsten Blätter der Welt über Papst und
Kirche bringen, eine außerordentliche Arbeit, und diese
Arbeit wird durch die hervorragende Stellung, die Papst
Benedikt XV. in der gegenwärtigen Krise einnimmt, und
die sich in den Zeitungen aller Länder widerspiegclt, noch
weiter gesteigert. Die Bischöfe der Kirche haben den Auftrag,
aus der Presse ihrer Diözese sämtliche Artikel einzusenden,
die für die vatikanische Bibliothek von Wert sein könnten,
und so flutet alltäglich ein Strom nicht nur von kirchlichen,
sondern auch kirchenf jinßlichen Blättern im Vatikan zu
sammen, die späteren Zeiten ein wichtiges Material zur
Geschichte des Weltkrieges und der durch ihn entfesselten
Leidenschaften bieten werden. Die Zeitungssammlung der
vatikanischen Bibliothek, die an Inhaltsfülle und Umfang
von keiner anderen derartigen Sammlung erreicht oder gar
übertroffen wird, geht in ihren Anfängen auf Pius IX.
zurück, der vorerst von allen Päpsten die hohe Bedeutung
der Presse für wissenschaftliche Studien jeder Art erkannte.
Die Einrichtung, die zu Beginn der fünfziger Jahre des
vergangenen Jahrhunderts von ihm ins T.eben gerufen wurde,
ist von seinen Nachfolgern nach den von ihm aufgestellten
Grundsätzen weitergeführt und ausgebaut worden. In un
übersehbarer Reihe stehen die schweren Folianten, in denen
die Zeitungsausschnitte nicht nur im Original aufgeklebt,
sondern auch übersetzt sind, an den Wänden der Bibliothek,
und ein sorgsam ausgearbeitetes Register ermöglicht die
schnelle Benutzung jedes einzelnen Bandes.
Bilder.
(5,710.000 Mark für Morgans Fragonards.) Über
den Verkauf der berühmten Wandbilder, die Fragonar d für den
Pavillon der Dubarry gemalt hatte und die einen der kost
barsten Kunstschätze Morgans bildeten, haben wir in der letzten
Nummer bereits berichtet. Nun wird auch der Preis und der
Käufer mitgeteilt. Der glückliche Besitzer dieser Meisterwerke
des Rokokos ist der amerikanische Millionär Henry Clay Fr ick
geworden und die Summe, die er für die dereinst von einem
entfernten Verwandten des Malers für 400 Mark aufgekauften
Bilder zahlte, beläuft sich auf 5,710.000 Mark.
(Der verwandelte Cr an ach.) Ein Cranacli-Bild der
Schleißheimer Galerie ist jetzt nach einer eigenartigen Operation
im Dürer-Saal der Münchner Pinakothek aufgeliängt. Die
bisherige heiligö Juliana, züchtig bekleidet mit einem Heiligen
schein und löblich verhüllten Engeln, ist nämlich durch die
Geschicklichkeit des Schleißheimer Restaurators A. Mayer
von ihren späteren Übermalungen befreit worden, und da kam
Cranachs Originalbild zum Vorschein, eine nackte Venus riiit
dem Amorknaben. Jetzt wird die bisher im Dürer-Saale hängende
Lukretia des Meisters gleichfalls von den Übermalungen des
17. Jahrhunderts befreit. Das Ergebnis ist auch liier über
raschend. Von dem roten Röckchen der Römerin dürfte nicht
viel übrig bleiben.
(Ein neuer W aldmülle r.) Wie jetzt bekannt
wird, ist bei der Aufnahme des Nachlasses des Erzherzogs
Rainer auf Schloß Herrnstein ein bisher unbekanntes
Bildnis aus der Kindheit des Kaisers Franz Josef I.
von Waldmüller entdeckt worden. Das Bild, das in
den Besitz des Erzherzogs Leopold Salvator über-
gegangen ist, zeigt den damals zweijährigen Erzherzog
Franz mit seinem Soldatenspielzeug. Auf dem Blondkopf
sitzt eine Grenadier - Bärenmütze, um das einfache weiße.
Kleidchen sind Säbel und Pari onentasche geschnallt, die
Rechte hält ein Gewehr, die E nke die Spielereitigur eines
Grenadiers. Eine Trommel, auf die Waldmüller seinen Namen
und die Jahreszahl geschrieben hat, eine Fahne und Soldatcn-
puppen umgeben den Knaben mit den lichten blonden
Locken und dem lebhaften Blau der Augen in einem Zimmer
mit Biedermeiereinriclitung. Auf dem Schreibtisch im
Hintergrund stehen zwei Aquarellbilder, das eine den Vater
des Kaisers Erzherzog Franz Karl, das andere seine
Großtante Erzherzogin Henriette, die Gemahlin des
Siegeis von Aspern, mit.ihrer Tochter Marie, späteren Gattin
des Erzherzogs Rainer, darstellend. Pas Bildnis ist genre
haft in stillebenartiger Umgebung gemalt und die allerliebste
Kindlichkeit ist auf das glücklichste erfaßt. Mit Erlaubnis
des Erzherzogs Leopold Salvator ist das Bild von der Hot
und Staatsdruckerei in Wien in Farbenlichtdruck faksimiliert