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Internationale Sammler-Zeitung 
Nr. 8 
deshalb noch nicht richtig zu sein. Auch führt von dem 
Hohen Liede zur heiligen Jungfrau höchstens ein sehr 
verschlungener Weg. 
Es gibt Forscher, die bis in die vorchristliche Zeit 
zürücksteigen. In Ägypten, Griechenland, Gallien usw. 
hatte man früher Statuen der alten Götter und Göttinnen 
aus schwarzem Granit, Syenit, Ebenholz und anderen 
schwarzen Materialien. Die berühmte Diana der Epheser 
war schwarz, in Ägypten fand sich Isis als schwarze 
Figur, in Rom wurde sogar ein schwarzer Jupiter 
verehrt. Ebenso wie man marmorne Aphroditen hatte, 
gab es auch goldene und eherne, warum nicht auch 
schwarze ? Bei den Ägyptern und Babyloniern spielten 
vielleicht uralte Vorstellungen hinein, die schwarze 
Farbe hatte etwas Geheimnisvolles. Es mag dann 
später vorgekommen sein, daß alte Isisbilder, Demeter 
figuren, Dianenstatuen als Marienbilder Verwendung 
fanden und darunter auch schwarze. Das wäre eine 
andere Erklärung, aber keine sehr überzeugende. 
Mit der Frage der schwarzen Marien haben sich die 
ersten Geister beschäftigt, Goethe, Jakob Grimm, 
Ranke und andere. 
Goethe kommt in seinen Aufzeichnungen über 
eine Rheinreise 1814—15 auf allerlei Kunstangelegcn- 
heiten zu sprechen. Da findet sich die Stelle: „Wie sich 
die tristeste aller Erscheinungen eingeschlichen, daß 
man, wahrscheinlich aus ägyptischen, äthiopischen, 
abessinischen Anlässen, die Mutter Gottes braun 
gebildet und dem auf dem Tuche Veronikas abge 
druckten Heilandsgesicht gleichfalls eine Mohrenfarbe 
gegeben, mag sich bei besonderer Bearbeitung der 
Kunstgeschichte jenes Teils genauer nachweisen lassen; 
alles aber deutet auf einen nach und nach immer mehr 
verkümmerten Zustand, dessen völlige Auflösung noch 
später erfolgte, als man hätte vermuten sollen. Hier 
müssen wir nun deutlich machen, was die byzantinischc 
Schule, von der wir wenig Löbliches zu sagen wüßten, 
in ihrem Innern noch für große Verdienste mit sich trug, 
die aus der hohen Erbschaft älterer griechischer und 
römischer Vorfahren kunstgemäß auf sie übergegangen, 
gildenmäßig aber in ihr erhalten worden." 
Mit richtigem Blick wies hier Goethe auf Byzanz. 
Gerade die Czenstochauer Madonna trägt unverkennbar 
das Gepräge byzantinischer Herkunft. 
Ein französischer Gelehrter namens Didron, der das 
Athosgebirge und seine vielen alten Klöster besuchte, 
fand, daß dort noch genau in derselben Manier gemalt 
wurde, wie vor vielen Jahrhunderten. Er konnte die Her 
stellung der Heiligenbilder nicht bloß mit dem Auge be 
obachten, sondern er erhielt von den kunstfertigen 
Mönchen auch Bücher mit den alten Malvorschriften. 
Da ergab sich die alte Regel: Die Madonnengesichter 
erhielten, bevor die Fleischfarbe aufgetragen wurde, 
einen sehr dunklen, fast schwarzen Untergrund. Augen 
und Nasenlöcher wurden noch besonders schwarz 
gehalten, aber auch das übrige war sehr dunkel. Darüber 
kam nun die hellere Gesichtsfarbe, aber der dunkle 
Untergrund schimmerte überall durch. Das fertige Ge 
mälde wurde dann mit einem fetten, ziemlich dunklen 
Firnis überzogen. So hatten die alten Bilder bald nach 
der Fertigstellung schon ein dunkleres Aussehen, als 
wir es heute gewohnt sind. Nahm dann das Bild der 
Maria mit dem Kinde, wie es gewiß sehr oft geschah, 
einen hervorragenden Platz über dem Altar ein, wo 
jahrzehnte-, jahrhundertelang der Rauch vieler Altar 
kerzen auf den Firnis wirkte, so ergab sich allmählich 
ein ganz dunkles Bild. Das Gesicht wurde infolge der 
äußerst tiefen Grundierung, die man dem Flcischton 
gab, noch schwärzer als die Gewandung. 
Manche schwarze Madonnen an anderer Stelle mögen 
nun so entstanden sein, daß man altbyzantinische, 
infolge der geschilderten Mal- und Behandlungsweise 
schwarz gewordene Bilder sklavisch kopierte. An heiligen 
Dingen scheut sich der Mensch, willkürliche Änderungen 
vorzunehmen, und wenn ihm etwas Seltsames auffällt, 
sucht er sich lieber eine biblische Erklärung, wie hier 
im Hohen Liede. 
Damit ist nicht gesagt, daß diese Entstehungsart 
nun überall zutreffen muß. Es kann auch Madonnen 
bilder geben, die nach verhältnismäßig moderner 
Weise gemalt waren, ohne jede Beziehung auf das alte 
Byzanz, und die doch, ganz von selbst, schwarz 
wurden — vielleicht infolge der chemischen Zusammen 
setzung der Farbe, die man früher noch nicht so zu 
kontrollieren wmßte. Jedenfalls ist die ganze merk 
würdige Erscheinung lange nicht so geheimnisvoll, 
wie sie aussieht. 
Mein alter Porzellankasten. 
Von Graf Stanislaus Mycielski (Wien). 
Wenn ich erzählen will, w r as ich im Kriege verloren 
habe, dann beginne ich stets: Ich hatte einen alten 
Porzellan kästen .... Sonderbar vielleicht, denn ich habe 
so vieles, ungleich Größeres verloren. Aber wenn ich in 
meiner Wiener Mietwohnung allein bin, der Liebens 
würdigkeit entschlüpft, in die man sich wie in einen 
bunten, seidenschimmernden Mantel hüllen kann, um 
sich eine Zeitlang nicht so elend einsam zu fühlen, vor 
Heimatlosigkeit nicht zu frieren, dann tritt zuerst das 
Bild dieses Kastens vor mich hin. Ich habe ihm jeden 
Morgen gleich nach dem Aufstehen zuerst „Guten Tag!“ 
gesagt, und er meldete sich auch jetzt in meinem Ge 
fühl zuerst. Er war der milde Hausgeist meines kleinen 
Schlößchens am San schon seit Jahrhunderten, stand 
an der Stirnseite der Halle, und mit einem Blick im 
Vorübergehen konnten wir durch sein Glasfenster alles 
grüßen, was uns liebe Vergangenheit war. Er war 
braun, im Empirestil und seine Farbe hatte die Zeit 
mit einem seltsamen Ton angehaucht. Ehrwürdig und 
gütig sah er drein, barg in seinem Innern das letzte 
Stück Familiengeschichte, das an den uralten Tellern 
und Tassen haftete und die niedlichen Figuren um 
witterte. Wenn in Sommertagen rotleuchtendes Sonnen 
licht über den Park glitt und sich zu einer weiten Hellig 
keit über dem Rund der Beete vor dem Eingang des 
Schlößchens versammelte, wenn unser Zitronenbäum- 
chcn, in ihren Kübeln aus den Treibhäusern gerollt, 
mit ihren goldgelben Früchten als sommerseligste Zei 
chen schöner Tage vor dem Tor standen, dann stahlen 
sich einige Lichtfunken zu dem alten Kasten, Er stand 
immer im kühlen Dämmer, in dem aber jetzt das warme 
Leuchten draußen fühlbar wurde und eip paar goldene 
täden zu ihm hineinsandte, die ihn zärtlich um 
spannen, wie ein. Band, das die prangende Gegenwart 
mit der verklärten Ewigkeit verbindet. Ja, ich gerate 
in wehmütiges Sclrwärmen, wenn ich an den alten 
Schrein denke, obwohl ich ganz hart geworden sein 
sollte über all dem Schweren, das wir erlitten haben.
	        
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