Nr. 8
Internationale Sammler- Zeitung
Seite 115
ganz frei läßt, ähnlich wie auf der Zeichnung, die Dürer auf
seiner Rheinfahrt nach den Niederlanden bei Boppard gezeichnet
hat. Das nicht vorhandene Original Dürers ist im Jahre 1519
entstanden.
(Bilderfunde im Palast der Este in Ferrara.)
Im Kastell zu Ferrara, dem alten Palast der Herzoge von Este,
werden augenblicklich größere Wiederherstellungsarbeiten vor
genommen, die schon manchen interessanten Fund zutage
gefördert haben. Am interessantesten aber dürften zwei kleine
runde Gemälde aus dem Beginn des sechzehnten Jahrhunderts
sein, die zwei junge Mädchen in dunkelroten Kleidern mit
Blumensträußen in den Händen darstellen. Unter dem einen
Bilde steht der Name Marsisa, und am Rande rechts und
links befindet sich die Inschrift: Franziscus Estense, unter
zweiten Bilde Mellt Pradamante, und am Rande Marchio
Massae. Aus diesen Inschriften ergibt sich, daß die Bildnisse
die natürlichen Töchter des Herzogs Franz von Este dar
stellen, eines Sohnes des Herzogs Alfons I. und der Lucretia
Borgia. Nach dem Tode seiner Gemahlin Padulla, die aus
dem vornehmen neapolitanischen Geschlecht der Cardone
stammte, hatte er die beiden Mädchen an Kindesstatt ange
nommen. Der Fund ist umso wertvoller, als bisher kein Bild
der Massia bekannt war, während es verschiedene Bilder der
Pradamante gibt. Das einzige Bild der Masisa, von dem man
Kunde hatte, und das sich auch in den Sonetten Tassos
wiederholt erwähnt findet, stammte von Filippo Paladini,
ist aber heute nicht mehr vorhanden.
(Entdeckte Wandmalereien in Muri.) Im Kloster
Muri sind unter dem Mauerputz des aus dem 16. Jahrhundert
stammenden Kreuzganges beachtenswerte Wandmalereien,
einige gut gezeichnete lebensgroße Figuren in polychromer Dar
stellung, zum Vorschein gekommen, die erhalten zu werden
verdienen.
Handschriften.
(Romanische Handschriften.) Die hervorragende
Sammlung romanischer Handschriften aus dem. Nachlaß des
Geh.-Rats, Universitätsprofessors H. Suchier (Halle) ist in
den Besitz des Hofantiquars Jacques Rosen thal in München
übergegangen.
(Münchener Handschriftenverluste in Löwen.)
Mit der Universitätsbibliothek in Löwen sind auch zwei
Handschriften verbrannt, die die Münchener Hof- und Staats
bibliothek zur Benutzung durch einen Löwener Gelehrten
entliehen hatte. Da von Bibliothek und Archiv schlechter
dings nichts gerettet ist, kann ihr Schicksal nicht mehr zweifel
haft sein. Es waren zwei lateiniscliePergamentkodices des Mittel
alters. Der eine aus der Augsburger Dombibliothek stammend,
enthielt in einer Handschrift des 15. Jahrhunderts des Johannes
Faventinus Kommentar zum Decretum Gratiani. Diese
Arbeit des 1090 verstorbenen Bischofs von Fae'nza war ein
kanonistisch wichtiges Glossen werk, das seit seiner Entdeckung
1857 viel benutzt wurde. Der andere Kodex, dem 13. Jahr
hundert entstammend, aus Kloster Tegernsee, war ein Sammel
band theologischer und kirchenrechtlicher Abhandlungen. Das
interessanteste darin waren die Sentenzen des Magisters
Ognibene, eines Schülers von Abälard, die nur in dieser
einen Handschrift erhalten waren.
(Ein Shaftesbury-Fund.) Von Anthony Earl o1
Shaftesbury, dem Schöpfer der „Charakteristiken", kommt
jetzt ein neues Werk ans Licht. Der große englische Ästhetiker
des 18. Jahrhunderts, der für unsere ganze Ästhetik von Lessing
bis Schiller von größter Bedeutung geworden ist, wollte seinen
„Charakteristiken“ einen zweiten Band folgen lassen, ist aber
darüber gestorben. Tn seinem Nachlaß fand jetzt Benjamin
Rand, Bibliothekar der I lavard-Universitat, die Handschrift
des geplanten Werkes. Außer zwei Aufsätzen, die schon in der
zweiten Auflage von Shaftesburys „Charakteristiken“ ge
druckt sind, bietet der Band vor allem einen umfangreichen
Aufsatz „Plastics“. Dies Hauptwerk seiner Ästhetik, das hier
in einer allerdings noch nicht druckfertigen Form vorlicgt,
lag Shaftesbury sehr am Herzen und es läßt die Grundlinien
seiner Ästhetik so klar wie keine andere Arbeit erkennen.
Heraldik.
(Ankauf einer heraldischen Sammlung.) Die
Königl. Stiftung für Familienforschung im Königl. Sächsi
schen Ministerium des Innern hat die heraldische Sammlung,
die der verstorbene Freiherr von Ledebur zu einer der größten
und wertvollsten heraldischen Sammlungen entwickelt hat,
angekauft.
(Die Wappen der indischen Fürsten.) Häufiger als
bisher, schreibt die „Vossisehe Zeitung“, erscheinen jetzt in
Indien statt der englischen Flagge die Standarten mit dem
Wappen der einheimischen Fürsten, die sich in ihrer Gesamt
heit zuletzt entfalteten, als Georg V. von England in Delhi
feierlich zum Kaiser von Indien gekrönt wurde. In uralte,
fast vorgeschichtliche Zeiten greifen die Symbole zurück,
die sich auf den Fahnen der Rajahs finden und sie unterscheiden
sich vollständig von den Wappentieren und Wappenzeichen,
die von den Königen Europas zum Zeichen der Macht und
Herrschaft gewählt worden sind. Löwen und Adler fehlen hier,
ebenso wie die Lilien und Rosen, dafür sind die heiligen Tiere
Indiens in die Wappen aufgenommen, wie etwa Falken und
Pfauen, oder auch Hanuman, der Affengott. Dazu kommen
die Zeichen der Sonne und des lodernden Feuers, seit unvor
denklichen Zeiten Gegenstände der Verehrung und der Anbe
tung bei den Völkern des Orients. So führt der Nizam von
Haidarabad, einer der mächtigsten eingeborenen Fürsten
des Landes, dessen Gebiet etwa 100.000 englische Quadrat
meilen umfaßt ein „gelbes Rund, den Chapati oder Glücks
kuchen im grünen Felde“. Mewar hat eine goldene Sonne im
roten Felde und dem Staate Udrigur leuchtet eine rote Ori-
flamme, die „Ll'indusonne“, die sich nach dem Glauben des
Volkes über Indien erheben wird, wenn die Stunde der Be
freiung für die geknechteten Völker des Landes gekommen
sein wird.
Numismatik.
(Die Sammlung des Konsuls Eduard Weber.)
Die Sammlung hamburgischer Münzen und Medaillen des ver
storbenen Konsuls Eduard Friedrich Weber ist durch die
Schenkung seiner Witwe, Frau Mary Elizabeth Weber, in den
Besitz des hamburgischen Museums für Kunst und Gewerbe
übergegangen. Der Name Konsul Webers ist in Sammlerkreisen
unvergessen. Im Februar 1912 ist in Berlin seine berühmte
Galerie bei Lepke unter Teilnahme der Kunstkreise aus aller
Welt versteigert worden. Sie brachte über 414 Millionen Mark.
(Eine kupferne Brotmarke.) Einen eigenartigen Fund,
interessant für unsere jetzige schwere Zeit, machte in einer
Gemeinde bei Schwerte ein Knecht beim Pflügen, nämlich
ein Geldstück, das die Prägung trug: „Kaufe in der Zeit
1816, so hast du in der Not 1817 ein Brot beim Elberfelder
Kornverein." Es handelt sich um eine kupferne Brotmarke,
die im Jahre des Mißwachses 1816 ausgegeben wurde. Im Jahre
1817 kostete der Scheffel Roggen 15 Mark, mehr als das Dop
pelte des normalen Preises, und da es noch keine Eisenbahnen
gab und die Wege oft grundlos waren, wurde mittels Reit
pferdes das Getreide mühevoll aus Zentralstellen, wie aus
Hamm und Elberfeld, hcrangeschafft.
(Merkwürdige Denkmale.) Im Aprilheft der „Berl.
Münzbl." bringt J. V. Kuli unter dem Titel „Merkwürdige
Denkmale“ drei Schaumünzen in Erinnerung. Diese Stücke
illustrieren das Vorgehen des Sonnenkönigs Ludwig XIV.
gegen das damals fast wehrlose Deutsche Reich. Das ersteist
eine Schaumünze von 1688 von G. Hautsch auf den Einfall und