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Nr. 9
Internationale Sammler-Zeitung
jedes einzelne eine Seltenheit darstellt. Der Brand hat
diese Werke und auch die mühselige und zeitraubende
Arbeit Strobls zerstört, man kann sagen, daß ihm,eine
Lebensaufgabe vernichtet wurde.
Was nun die orientalischen Zimmer betrifft,
so wird mancher sagen, daß es unverständlich sei, in
Burg Kreuzenstein Räume in dieser Weise einzurichten.
Der Gedanke, der mir vorschwebt, war folgender:
Ein Kreuzensteiner, der sich in der Welt umgetan hat,
ist auch in den Orient gekommen, hat dort manches
schöne Kunstwerk gesehen und es zum Andenken an die
im Orient verbrachte Zeit nach Hause gebracht, wo er
für die eigenartigen Gegenstände den entsprechenden
Rahmen zu schaffen bemüht war. In diesem Sinne
habe ich mit dem Architekten Kapeller die Ausgestal
tung der über der Kupferstichsammlung gelegenen
Räume besprochen und es wurde von ihm ein stilvolles
Interieur geschaffen, in dem die von mir erworbenen
Schätze aufgestellt wurden. Die Hauptsache der Innen
architektur waren Holzwerke, die dem Stil und der
Kunstrichtung der verschiedenen orientalischen Völker
angepaßt waren. Auch die von mir erworbenen orienta
lischen Kunstgegenstände, lauter alte Sachen, mußten
hier entsprechend untergebracht werden, so daß das
Ganze nicht einer Ausstellung glich, sondern ein wir
kungsvolles Ganzes bildete. Nun hatte ich Antiquitäten
sowohl aus dem nahen Osten wie aus dem fernsten
Ostasien, chinesische, japanische, koreanische, kaukasi
sche, indische, arabische, türkische Gegenstände, die
teils einen Seltenheitswert repräsentierten, teils typische
Merkmale der Kunstentwicklung im Orient bedeuten.
Alles das ist zerstört und nur wenig Hoffnung ist vor
handen, daß bei den Aufräumungsarbeiten noch ein
oder der andere Gegenstand wiedergefunden wird.
Ich habe schon gesagt, daß von den nichtverbrannten
Besitztümern in Kreuzenstein so manches Stück
gelegentlich des Brandes beschädigt worden ist. Das
erklärt sich daraus, daß unter der Dachbedeckung
Teerpappe verwendet wurde, die durch die Hitze auf
gelöst, zum Teile verbrannt ist, während die Teer
spritzer die in der Nähe befindlichen Sachen beschmutz
ten, viele Dinge sind auch durch Wasser und Hitze stark
mitgenommen worden, andere haben durch das Feuer
eine Patina erhalten, die ich ihnen nicht durch Re-
stauricrungsversuche nehmen möchte. Bis wir da in
Ordnung kommen, wird es wohl Herbst werden. Ich
glaube, daß der Direktor meiner Sammlungen, Herr
Wal eher, der als Offizier eingerückt ist und derzeit
schwer krank in Böhmen weilt, bis dahin in der Lage
sein wird, mich bei der Feststellung der in den zerstörten
Räumen untergebracht gewesenen Einzelgegenstände
zu unterstützen.
Die Titurel-Handschrift des Grafen Wilczek.
Von S. Kende (Wien).
Unter den Schätzen der Burg Kreuzenstein, von
denen manches Wertvolle dem Brande dieser Tage zum
Opfer fiel, befindet sich eine hochinteressante Cimelie,
die seinerzeit durch meine Hände ging und in der Auktion
Graf Paar {1896 zu Wien) in den Besitz des Grafen
Wilczek, gelangte. Ich gebe nachstehend eine Be
schreibung des seltenen Stückes:
„Der jüngere Titurel.“ Handschrift auf Perga
ment aus dem XIV. Jahrhundert. Mit 85 Miniaturen.
568 Seiten in 2 Coli. Folio. Lederband aus dem XVII.
Jahrhundert mit reichen Beschlägen und Zierraten.
Die Handschrift ist eine der frühesten des Helden
gedichtes und war im XVI. Jahrhundert im Besitze
der Familie Fernberger, später im Besitze des Grafen
Moriz Dietrichstein. Um das Jahr 1860 kam sie
in den Besitz des Wiener Bibliophilen Karl Ritter
v. Ivesaer und später in den des Grafen Ludwig Paar,
Botschafters beim Vatikan, der sie mit Recht als die
Perle seiner hervorragenden Sammlungen bezei ebnete.
Die Handschrift beginnt:
Fol. 2b. Hie reitt der paroc unde atmerin entgegen
dem Talfein.
Fol. 3a. Des ersten empfie die atmerin den iungen
Talfein.
Fol. 4b. (D)arnach riten sie all gein baidach.
Fol. 198a. (D)arnach kom anfortas und den toten
besarchen.
Fol. 270a. (H)ie gab auf priester Johann dem
parcifal all sein herschaft durch den Gral.
Das Unikum ist neben dem Reichtum an schönen
Miniaturen, davon 29 in voller Blattgröße, auch deshalb
hochinteressant, weil die freigebliebenen Ränder der
Handschrift als Stammbuch verwendet wurden. Fs
sind da Eintragungen der vornehmsten Adelsgeschlechter
des 16. und 17. Jahrhunderts, und zwar von Chr. von
Breyssen, Laur. Doczy, Hans Wolzogcn, Freiherr,
Franz Herzog von Sachsen, dann der Familien Starhem
berg, Salm, Dohna, Thun, Fürstenberg, Lamberg,
Windischgraetz, Oettingen, Hardegg, Traun u. a.
Der literarische Schatz war lange Zeit verschollen,
nur in Breslau existierte eine Kopie davon. Das
berühmte Stück wurde bei der Auktion Graf Paar
(1896) vom Grafen Hans Wilczek gegen das Germani
sche Nationalmuseum zu Nürnberg gesteigert und er
worben.
Diese sogenannte Fernberger-Dietrichsteinsche Hand
schrift des Heldengedichtes ist das bedeutendste Stück
dieser Art in österreichischem Privatbesitz.