MAK
Nr. 1 
Internationale Sammler-Zeitung 
Seite 9 
einschätzen, je nach der Kunstanschauung ihrer 
Mitglieder. Erlebt man ja bei den jährlichen Kunst 
ausstellungen nicht selten, daß ein Bild hier zurück 
gewiesen und dort auf einen Ehrenplatz gehängt wird. 
Auch bei Staatsankäufen verschwinden gelegentlich 
auch neuere Erwerbungen nicht nur „aus Raum 
mangel" in die Depots. 
Wie sollen die Kunstkommissionen zusammen 
gesetzt sein? Maler gäbe es genug, es ist aber nicht 
jeder Maler Kunstverständiger, und von den Preisen 
wissen viele gar nichts, außer von den eigenen. Händler 
sind wie diese auch meist „Spezialisten“ und lange 
nicht vielseitig genug; sie würden auch ein großes 
Interesse haben, den Wert der Kunstwerke möglichst 
hoch einzuschätzen. Es kämen noch die Leiter der 
Staatssammlungen in Betracht; diese Herren würden 
sich bedanken, diesen Airgiasstall zu misten, sie kämen 
höchstens für die Berufungen in Frage. 
Gehen wir nun zu steuertechnischen Möglichkeiten 
über. Da fragt sich, ob der Veranlagung der Ge- 
stehungspreis oder Verkaufswert (gemeiner Wert) 
zugrunde gelegt werden soll; an sich müßten wir das 
Ansetzen der Gestehungskosten fm das Richtige 
halten. Sie dürften jedenfalls nie bei der Veranlagung 
überschritten werden. Wegen der Entwertung des 
Kunstbesitzes würden aber die Gestehungskosten in 
zahllosen Fällen äußerst ungerecht sein, z. B. es hat 
einer das Bild seines Großvaters, das, von einem Mode 
maler gemalt, seinerzeit M 10.000 gekostet hat. Um 
M 100 würde dieses Bild heute keinen Liebhaber mehr 
finden; den unglücklichen Enkel zu den Gestehungs 
kosten zu veranlagen, wäre Unsinn. 
Besehen wir nun den Verkaufswert. Auch dieser 
ändert sich fortwährend; in vielen Fällen wäre auch 
er für die Veranlagung äußerst ungerecht. Zunächst 
ist der Verkaufswert nicht der Kunsthändlerpreis, denn 
dieser schließt schon dessen Gewinn in sich, es ist viel 
eher sein Einkaufspreis, und diesen erfährt man nicht. 
Will ein Privatmann 'ein Bild verkaufen, so geschieht 
dies fast immer mit großer Schwierigkeit und mit 
Verlust, ganz abgesehen von der oben erwähnten 
Einbuße an Kapitalzinsen. 
Hat aber jemand ein Gemälde, seinen Verhält 
nissen entsprechend, billig erworben, und es ist im 
Laufe der Zeit im Werte wesentlich gestiegen, so kann 
leicht, der Fall eintreten, daß die Steuer seine Verhält 
nisse übersteigt und ihn zwingen könnte, seinen Besitz 
zu verkaufen, was ein unerhörter Eingriff in seine 
Privatrechte wäre. Beispiel: Ein Bauer in Oberfranken 
hat ein Kruzifix an der Wand, vor dem er, wie seine 
Väter, betet. Da entdeckt und beweist zufällig einer, 
daß es ein „Riemenschneider“ ist; die gebotene Summe 
von M 20.000 weist er ab, er sieht in dem Kruzifix 
nur sein altes Erbstück und den Gegenstand seiner 
Verehrung. Kann man den Bauern nun mit dem Wert 
des Kruzifix veranlagen oder zum Verkauf zwingen ? 
Er würde vorziehen, seinen Herrgott ins Feuer zu 
werfen. 
Der Kunstbesitz, besonders ererbter, steht häufig 
in gar keinem Verhältnis zur Vermögenslage des 
Betreffenden. Eine Versteuerung müßte ihn außer 
ordentlich drücken oder zum Verkaufe veranlassen. 
Es wären also jährliche Abschreibungen von etwa 
5% vor der Veranlagung zuzulassen, außerdem wäre 
gesetzlich festzulegcn, daß niemand, der etwa die 
Steuer nicht aufbringen kann, zum Verkauf gezwungen 
werden darf. Es müßten zudem beim Wertrückgang 
Minderungen zu berücksichtigen sein. Auch darüber 
wäre Klarheit zu verschaffen, wie die Steuerbehörden 
sich verhalten, wenn sich herausstellt, daß ein jahre 
lang versteuertes Bild etwa eine Fälschung oder eine 
alte Kopie ist, statt eines Originals. Würde die zuviel 
erhobene Steuer zurückbezahlt ? 
Dieser kurze Überblick läßt ersehen, wie überaus 
groß die Schwierigkeiten der Besteuerung des Kunst 
besitzes sind, und welche Unzahl von Prozessen und 
Berufungen folgen würden. Die Zahl der Unzufriedenen 
würde auch in den oberen und mittleren Schichten, 
des Volkes ins Ungemessene wachsen. 
Es ist eine höchst bedenkliche Sache, dem Bürger 
die Freude an seinem Kunstbesitz und seinem Heim 
zu nehmen. Viele werden nicht in der Lage oder gewillt, 
sein, jahraus, jahrein ihren Kunstbesitz weiter zu ver 
steuern. Ein toller Materialismus wäre die Folge. Die 
Kunstwerke würden immer mehr verkauft und ver 
schleudert und würden ins Ausland gehen. Amerika, 
das mit seiner Unzahl Von großen Museen und be 
deutenden Privatsammlungen nach und nach den ganzen 
freien Kunstbesitz der Welt auf saugt, würde auch das 
Beste der deutschen Kunst aufkaufen. Deutschland 
wird dann Amerika etwas viel Köstlicheres in den 
gierigen Rachen werfen, als England und Frankreich 
es mit ihren Milliarden Goldes tun. Der Verlust wird 
für das deutsche Volk unersetzlich und endgültig sein. 
Die Erträgnisse der Steuer werden mit der wach 
senden Entwertung und Abwanderung immer mehr 
zurückgehen, der Schaden an Nationalvermögen und 
an idealen Gütern müßte dazu führen, daß die Steuer 
wieder abgeschafft würde —• zu spät! — Um aus all 
diesen Wirrsalen, diesen Kulturwidrigkeiten und Un 
möglichkeiten einen Ausweg zu finden, wollen wir 
zum Schlüsse einige Leitsätze und Vorschläge der 
Erwägung empfehlen. Vorher aber wollen wir noch 
an dem geradezu klassischen Beispiel Englands 
nachweisen, wie verheerende Wirkungen die Kunst 
besteuerung auch durch hohe Erbschaftssteuern 
haben kann. Die englischen Kunstbesitzer sahen sich 
durch diese in großer Zahl veranlaßt, ihre Kunstwerke 
ins Ausland zu verkaufen und das Land zu 
verlassen; sie siedelten teils nach Kanada über 
oder reisen in der Welt umher, ohne Heim. Der 
größte Teil der auf dem internationalen Kunstmarkt 
befindlichen Bilder ersten Ranges stammt heute aus 
England. 
Will man von einer Besteuerung des Kunstbesitzes 
nicht absehen, so gehen unsere Leitsätze und Vor 
schläge darauf hin, diese nur in ganz bescheidenen 
Grenzen zu halten, um die Entwertung und Ab 
wanderung desselben zu verhindern. 
Eine Steuer auf Kunstbesitz dürfte nur die Höhe 
einer Feuerversicherung, etwa 1 aufs Tausend erreichen. 
Bei der Erbschaftssteuer müßte ein mäßiger, 
nicht progessiver Steuersatz eingeführt werden. 
Bei Verkäufen von Kunstwerken könnte unter 
Umständen eine Stempelsteuer erhoben werden, die 
vom Verkäufer und Käufer zu gleichen Teilen zu 
tragen wäre. 
Deutschland darf sich nicht das Schandmal auf 
drücken, der Welt mit der kulturwidrigsten Tat, der 
Vertreibung der Kunst aus dem Haus, vorangegangen 
zu sein.“
	        
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