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Nr. 10
Internationale
größten Teil noch mit den alten Stoff- und Leder-
bezügen versehen sind, dürfte der Streit kaum weniger
lebhaft werden, als um die vorerwähnten Werke der
hohen Kunst.
Noch dem Gebiet der Möbel verwandt, aber doch
schon überleitend zur großen Gruppe der Gemälde,
um derentwillen Beckerath sie sammelte, präsentiert
sich die Sammlung der Rahmen. Der Verstorbene
liebte es, den Gemälden und Zeichnungen Rahmen der
Zeit zu geben, und, da er diese auch kaufte, ohne so
fortige Verwendung für sie zu haben, so entwickelte
sich dieser Spezialzweig seiner Sammlung, unter denen
einige Florentiner Quatrocento-Stücke sich finden,
wie sie in solcher Vollkommenheit kaum noch wieder
Vorkommen dürften.
Auch unter den etwa fünfzig Gemälden über
wiegen natürlich die italienischen. Von frühen Sieneser
und Florentiner goldgrundigen Heiligenbildchen bis
zu den Meistern des Frühbarock sind hier Proben
vorhanden, aus denen herausgegriffen seien: Ein
prachtvoller jugendlicher Christus, ganz Lionardos
Geist atmend (wohl sicher dem Giovanni Pedrini
zuzuschreiben), ein in leuchtend hellen Farben gehaltener
Tondo des Piero della Francesca, zwei mit Stein
schleudern gegeneinander kämpfende nackte Knaben,
deren rosige Körper leuchtend vor dem tiefblauen
Himmel stehen, ein auf Andrea Mantegna zurück
gehendes Fragment: „Brustbild eines Ritters in blanker
Stahlrüstung“, ein von Justi dem jugendlichen Gior-
gionc zugeschriebener heiliger Hieronymus in weiter
Landschaft, ein eminent lebendiges Herrenporträt des
Greco, eine auf Quinten Massys zurückgehende
Madonna u. a. m.
Der Anzahl nach umfaßt etwa ein Drittel des
Kataloges die keramische Sammlung, d. h. die der
sammler-Zeitung
italienischen und spanisch-maurischen Majoliken, der
persischen Halb-Fayencen, der chinesischen und
japanischen Porzellane. Bei den italienischen Majo
liken, von denen ein großer Teil schon einmal an gleicher
Stelle versteigert wurde, deren Zahl aber immerhin das
dritte Hundert fast erreicht, wandte Beckeraths Haupt
interesse sich den frühen Gefäßen aus Florenz und
Faenza zu und gerade seiner Sammlung ist es mit zu
verdanken, daß unsere Kenntnis dieser in ihren Formen
noch bis in die Gotik hineinreichenden Gefäße heute eine
so sichere ist. Alle anderen großen Manufakturen des
15. und 16. Jahrhunderts sind ebenfalls bei ihm ver
treten: Deruta, Castel Durante, Siena, Gubbio, und
Urbino.
Weniger einem speziell gerichteten Sammeleifer
nachgebend, als aus dem Bedürfnis heraus, seinen
Sammlungen die nötige farbige Umgebung zu ver
leihen, hat Beckerath endlich seine schöne Kollektion
alter Stoffe und orientalischer Knüpfteppiche
zusammengebracht. Das berühmteste Stück seiner
Sammlung ist ein sehr großer Uschak-Moscheeteppich,
der den Boden seines großen Saales fast ganz bedeckte.
In den übrigen Zimmern, zum Teil die Fenster ver
kleidend, hatte er prachtvolle alte Kula- und Yordes-
Gebetteppiche, kleinere Uschaks und alte Laclik-
teppiche verwandt. Unter den Stoffen sind ein paar
besonders große und schöne frühe Samtbrokate und
geschorene Granatapfelsamte zu erwähnen.
Von all diesen Schätzen, gibt der starke Band des
mit neunzig Lichtdrucktafeln ausgestatteten Kataloges
dem Kundigen ein klareres Bild, als es diese kurze Be
sprechung vermag, in der zum Schluß noch auf die
umfassende Abteilungen der Sockel, Konsolen und
Postamente, auf die vielen, schönen Kupferstiche und
die verschiedenen Arbeiten in Elfenbein, Email und
Edelmetallen hingewiesen sei.
Der Nachlass
Die hinterlassenen Arbeiten Rudolf Picks, des
im verflossenen Winter dahingegangenen Wiener
Malers, kommen nun auf den Kunstmarkt. Es ist ein
ungewöhnlich reiches Erbe, das da der Sammlerwelt
zufällt. Von den 450 Nummern, die der Auktions
katalog verzeichnet, sind etwas mehr als die Hälfte
—•: 232 Blätter — von der Hand Picks, Blätter aus
denen eine Fülle von Geist, Witz und echtem Humor
weht.
Sehr treffend bemerkt Professor A. F. Seligmann,
der das Vorwort zu dem Katalog geschrieben hat,
daß wenn jemand, wie es —• sans comparaison —
Lichtenberg mit Hogarth getan hat, Erklärungen zu
diesen Zeichnungen schreiben wollte, so könnte er
dicke Bände füllen; auf den meisten ist kaum ein
Quadratzoll zu finden, der nicht irgend eine lustige,
poetische oder geistreiche Anspielung enthielte und
man kann daher diesen Croquis — sofern cs sich nicht
um bloße Studien handelt — nur gerecht werden,
wenn man sie bis ins Kleine und Kleinste durchstudiert.
Auch hinter einem scheinbar einfachen, rein dekora
tiven Einfall steckt gewöhnlich noch irgend ein Witz,
irgend eine satirische oder gemütvolle Idee, oft genug
freilich eine auf bestimmte Personen oder Verhält-
Rudolf Picks.
nisse gemünzte, die dann eben nur einem Kreise von
Eingeweihten verständlich ist.
Wie bei allen echten Humoristen war aber Pick
der Spaß nicht immer die Hauptsache, es finden sich
unter seinen Arbeiten auch wunderhübsche Stimmungs
bilder, lyrische Gedichte in Sinnen und Farben, m
denen das poetische Talent ihres Schöpfers zum Aus
drucke kommt.
Daß in diesem Nachlasse sich sehr viele fertige
oder fast fertige Werke vorfinden, erklärt Professor
Seligmann auf folgende Weise: „Pick pflegte nie
eigentliche Entwürfe oder Skizzen zu machen, auch
zu seinen größten und kompliziertesten Blättern nicht.
Er begann, nachdem er die Anordnung der Gruppen,
Figuren oder einzelnen Bildchen — denn viele seiner
Kompositionen sind aus mehreren durch Arabesken
und dergleichen verbundenen Einzeldarstellungn zu
sammengesetzt — in ganz rudimentärer Weise mit
einigen feinen Bleistiftstrichen ungefähr angedeutet
hatte, sofort Stück für Stück auszuführen. Kam ihm
dann während der Arbeit irgend ein neuer Einfall,
so legte er das oft schon so gut wie vollendete Blatt
ruhig bei Seite, um irgend ein witziges Detail, eine
malerische Idee auf einer mit gleichem Fleiß aus-