KARL STARK
LEOPOLDINE SPRINGSCHITZ
Die Kärntner nehmen Karl Stark gerne für sich in Anspruch und zahlen ihn zu
ihren Malern. Er lebte einige Jahre im Drautal, bezieht auch jetzt noch den Sommer
über sein llaus in Radlach bei Steinfeld, er ist mit einer Kärnterin. der Malerin
Elfriede Stark-Petrasch verheiratet und - er ist ein Schüler Herbert Bocckls. Nicht
ausschließlich, aber im wesentlichen. Karl Stark ist indes gebürtiger Steirer, 1921
als Oberlehrerssohn in Glojach geboren, absolvierte er zunächst die Kunstgewerbe-
schule in Graz, wo er sich auch mit Bildhauerei beschäftigte und Schüler von Gös-
ser und Szyszkowitz war; er wechselte später an die Wliencr Akademie über und
studierte Malerei bei Gütersloh und Boeckl. Boeekls Malerei, und zwar die der
expressionistischen Phase, der Zwanziger- und Dreißiger-Jahre, ist die Ausgangs-
position für Karl Stark. der allerdings das psychologische Moment in zunehmendem
Maße zurückdrängte. Der pastose, vitale Pinselstrich und das Primat des Farbigen
erwiesen sich als dauerhafte Aneignung. Warum ich ihn gleich anfangs als Kärntner
apostrophierte, hat neben dieser Tatsache nicht zuletzt seinen Grund in der engen
man ist versucht zu sagen: hautnahen Verbundenheit mit der Landschaft. Ihre Tek-
tonik, ihrc Verwandlungen im Ablauf des Tages und der Jahreszeit, ihr Licht, übt
eine Art von Faszination aus und verhindert ein Aufgeben des Gegenstands. Diese
Gegebenheiten sind in der Malerei Karl Starks nicht zu eliminierende
Kategorien.
Die Auswahl der Bilder dieses Aufsatzes illustrieren einen wesentlichen Schritt
seiner Entwicklung. Es bedurfte des vertraulichen Umgangs mit dem leichteren
Element, der Wasserfarbe, und es bedurfte des Erlebnisses der „großen Landschaft
bei Wien" - um ein Gedicht der Kärntnerin Ingeborg Baehmnnn zu zitieren -,
damit Karl Stark anfängliche Abhängigkeit überwinden und sich einem ihm ge-
mäßen Weg zuwenden konnte. Dieser klärt sich in der Zeitspanne zwischen 1955
und 196i. Einige von den Bildern dieser jahre seien hier vorgestellt: 1955 entstand
KARL STARK
die „Schneeschmelze? (Abb. 1) mit ihrem last reliefnrtigen Farbauftrag.
Durchweichtcs Erdreich, trieiend vom Schmelzwssser, das aus der morschen Schnee-
deeke quillt, nimmt im Vordergrund die Effekte einer nahezu stolflichen Malerei
für sich in Anspruch. Fast symmetrisch - und dieser Zug kommt nicht von un-
gefähr! - wie Semaphore, rahmen die Torsen der dunklen Bäume das Mittelstück
des Bildes ein, das den Hintergrund freigibt. Der Föhn hat das kühle Blau der
Berge ganz nahgerückt, der First des Heuschobers wiederholt die waagrcehte Hori-
zontlinie. Diese vorgefaßte Ordnung der Dinge erlaubt eine weitgehende Freiheit
'24