Internationale
^ammkr-^eifunj
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
8. Jahrgang. Wien, 1. Juli 1916. - Nr. 13.
Josef Wünschs Sammler- und literarische Tätigkeit.
Von Dr. Ignaz Schwarz (Wien).
Im Anhang zur Würdigung
Josef Wünschs aus der Feder
unseres geschätzten Mit
arbeiters, Herrn Dr. Ottokar
Mascha veröffentlichen wir
nachstehend einen Aufsatz
über die Sammler- und literari
sche Tätigkeit des Verstorbenen,
der die Ausführungen Maschas
in einigen Punkten ergänzt.
Was Josef Wünsch für das Wiener Kunstleben,
wie es sich in Form ernsten Sammelns und zielbc-
wußter Bearbeitung des gesammelten Materials zum
Ausdruck gelangt, bedeutet, gehört mit zur Geschichte
der privaten Förderung literarisch-künstlerischer
Fragen seitens Liebhaber und Sammler.
Aus seinem ureigensten Sammelgebiete, der Be
schäftigung mit den Holzschnittarbeiten aller Zeiten
und Schulen, hat .sich Wünsch zu einem rastlos fleißigen
Kunstforscher und hervorragenden Kenner der xylo-
graphiseben Kunst emporgearbeitet. Alle seine lite
rarischen Forschungen auf diesem Gebiete sprechen
für die bei derartigen „Kärrnerarbeiten“ so wichtige
Gewissenhaftigkeit in der Zusammenstellung des
Materials und den scharfen Blick für die Differen
zierung von Produkten des einen und des andern
Künstlers.
Fis ist mir nicht bekannt, welche äußere Umstände
Wünsch zur Beschäftigung mit dem Holzschnitte,
der frühesten aller graphischen Techniken, angeregt
haben. Tatsache ist, daß er in seiner etwa 35jährigen.
Tätigkeit eine hervorragende Sammlung von den
einzelnen Vertretern der Xylographie, beginnend mit den
primitiven Versuchen des 15. Jahrhunderts zusammen
gebracht und mit besonderer Berücksichtigung der
deutschen und niederländischen Schulen sukzessive
ausgebaut hat.
Die Liebe zu seiner zweiten Vaterstadt — er war
ein geborener Prager — spiegelt sich in der von Wünsch
im Laufe der Jahre angelegten Viennensiasamm-
lung wieder. Es war ihm in erster Reihe darum zu
tun, das Material zu dem kuitur- und sittengeschicht
lichen Bilde des alten Wien, wie es in den kleineren
graphischen Erzeugnissen zum Ausdruck kommt, zu
sammenzutragen. Das Volksleben in Seinen mannig
fachen, Äußerungen, in Form graphischer und litera
rischer Erzeugnisse, die gestochenen und gedruckten
Produkte der Tagesgraphik und der Tagesliteratur,
wie Flugblätter und Flugschriften, Gelegenheits
drucke und Bilderbögen, Kalender, Diplome, Ge
sellenbriefe wurden gleichermaßen in den Bereich seiner
Sammeltätigkeit gezogen. Als Ergänzung zu dieser
Gruppe gehört eine von Wünsch gesammelte Serie
von Münzen und Medaillen, die sich auf die Geschichte
der Stadt beziehen, ebenso die schöne und interessante
Spezial Sammlung der Altwiener Glückwunsch-, Adreß-
und Visitkartcn, die Wünsch in diesen Blättern be
schrieben hat*). Nicht zu vergessen ist auch die reiche
Kollektion von auf den Wiener Handel bezüglichen
graphischen Erzeugnissen kleiner Art, wie Geschäfts
karten und ähnliches.
Im Anschlüsse an seine reichhaltige Holzschnitt
sammlung legte Wünsch in den letzten Jahren eine
große Kollektion von Arbeiten eines heimischen
Künstlers, Blasius Höfel, an. In jahrelanger, uner
müdlicher Arbeit verfolgte er das Leben und die Tätig
keit dieses nur in einem kleinen Kreise bekannten,
doch sehr geschätzten Künstlers, der sich um die
Wiederbelebung der Holzschnittkunst in Österreich
ganz besondere Verdienste erworben hat. Aus seinem
eigenen Material und dem aus den Sammlungen der
Hofbibliothek, des Wiener-Neustädter, Salzburger
Museums usw., konnte er im Jahre 1910 ein form
vollendetes Bild vom Leben und der Tätigkeit Höfels
entwerfen, ein biographisch-künstlerisches Denkmal
für einen verhältnismäßig Kleinen im Reiche der Künste,
dessen Vorzüge in der abgerundeten Darstellung,
der umsichtigen, gewissenhaften Zusammentragung und
kritischen Würdigung des zerstreuten und nrt großer
Mühe gesammelten Materials bestehen.
D : e Arbe 1 ’ten Wünschs „Der Wiener Maler und
Donat Hübschmann und sein Holzschnittwcrk“ (Ge
sellschaft für vervielfältigende Kunst 1913), „Der
Einzug Kaiser Maximilians 11. in Wien 1563“ (Berichte
und Mitteilungen des Wiener Altertumsvereines),
„Wiener Kalender-Einblattdrucke des 15., 16. und
17. Jahrhunderts“ (Berichte und Mitteilungen des
Altertumsvereines), „Zwei Volkslieder aus der
ersten Türkenbel; gerung von, Wien“ (Monatsblatt
*) siehe Nr. 7 vom 1. April 1912.