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Internationale Sammler-Zeitung 
Nr. 14 
(Englischer B ü c h e r g e s c h m a c k.) Universitätsprofessor 
Br. Spieß (Greifswald) schreibt der „Vossischen Zeitung“: 
Der Einfluß des Krieges auf den literarischen Geschmack 
in England war kürzlich Gegenstand einer vielseitigen Er 
örterung in London auf der Jahresversammlung der auch 
in Deutschland gut bekannten „English Association“. Walter 
de la Mare erklärte, die erste Aufregung des Krieges habe 
die Phantasie abgetötet, und die Literatur sei notgedrungener 
weise im Journalismus untergegangen. Allmählich aber er 
wachte die Dichtkunst zu neuem Leben, so durch Rupert 
Brooke und James Elroy Flecker. Die Oberflächlichkeit 
im Geschmack des Publikums verschwand, und die Schrift 
steller trugen diesem Rechnung. S. B. P. Mais führte aus, 
daß er durch eine Umfrage bei Schülern festgestellt habe, 
daß ihre Lieblingslektüre von Schriftstellern seit 1800 in 
erster Linie De Quincey, Joseph Conrad und Browning waren, 
in zweiter Linie Carlyle, Charles Reade und William Morris, 
in dritter Charlotte Broute, Jane Austen und Tennyson, 
während sich Walter Scott keinerlei Beliebtheit mehr erfreute. 
J. G. Wilson sagte vom Standpunkte des Buchhandels aus, 
daß die alten Lieblingsschriftsteller, einschließlich Marie 
Corelli und Hall Caine, nicht mehr gelesen würden. Der 
Verkauf von Kiplings Werken sei erheblich zurückgegangen; 
man könne behaupten, daß er aufgehört habe, der Autor des 
englischen Soladten zu sein. Dagegen würde Joseph Conrad 
viel gekauft, und manche hätten versucht, Henry James 
zu verdauen. John Buchan erzählte allerlei Lustiges über 
Bücherwünsche englischer Soldaten; so wurde Dumas’ ,,Graf 
von Monte Christo“ fast immer falsch bestellt als ,,Graf von 
Monte Carlo“. 
(Das Bibliothekswesen in Amerika.) In den Ver 
einigten Staaten gibt es nach dem soeben veröffentlichten 
Berichte des ,,U. S. Bureau of Education“ 18.000 Bibliotheken, 
die zusammen etwas mehr als 75 Millionen Bände enthalten. 
Über 5000 Bände zählen 2849 Bibliotheken. Bibliotheken, 
die 1000 bis 5000 Bände besitzen, gibt es 5453. 
Bilder. 
(Tizians „Venus“ im Kaiser Friedrich-Museum.) 
Das Venusbild von Tizian, über dessen Erwerbung für das 
Berliner Kaiser Friedrich-Museum, wie berichtet, noch ver 
handelt wird, befindet sich bereits im Berliner Kaiser-Friedrich- 
Museum. Es zeigt in lebensgroßen Figuren die auf rotem 
Damast ruhende nackte Göttin, die den Amorknaben lieb 
kost, und zu Füßen ihres Lagers einen Kavalier in jener Figuren 
verbindung, die Tizian auch bei seiner berühmten für Kaiser 
Karl V. gemalten Venus des Prado gestaltet hat. Ein Bolog 
neser Hündchen spielt um das Lager, wie auch in Madrid 
und bei der Venus der Uffizien. Den Hintergrund bildet eine 
herrliche oberitalienische Landschaft. Das wohlerhaltene 
Bild, das der reifen Zeit des Venezianers entstammt, zeigt 
die Renaissancekunst in der monumentalen Gestaltung des 
nackten Körpers, in der harmonischen Komposition auf ihrer 
Höhe. 
(Die Familienbildnisse der Wertheimer.) Wie 
die Londoner Zeitungen berichten, hat der dortige Finanz 
mann Mr. Asher Wertheimer die Verfügung getroffen, 
daß die ganze Sammlung seiner Familienbildnisse von der 
Hand von John S. Sargent nach seinem und seiner Gattin 
Ableben als Geschenk an die National Gallery übergehen soll. 
Sargent, den die Engländer als den größten ihrer Porträtmaler 
der Gegenwart feiern, ist gleichsam der Leibmaier der Familie 
Wertheimer, deren Angehörige er seit dem Jahre 1898 in neun 
verschiedenen Bildern, teils Einzelfiguren und teils Gruppen 
bildnissen, dargestellt hat. Diese Bildnisse haben bei ihrem 
Erscheinen in den Londoner Akademie-Ausstellungen großes 
Aufsehen erregt; sie gelten als Meisterstücke Sargents und 
sind durch Abbildungen innerhalb und außerhalb Englands 
weit bekannt geworden. 
Exlibris. 
(Ein satirisches Exlibris.) Die Satire hat sich nun 
auch des Exlibris bemächtigt. Adolf Kunst, der bekannte 
Münchener Graphiker, der sich besonders durch seine Ex 
libris-Arbeiten einen Ruf erwarb, hat ein Exlibris für Sir 
Edward Grey radiert, das sich der englische Kriegshetzer 
kaum zueigen machen wird. Es zeigt eine Pyramide von 
Totenschädeln, die sich auf einem Exemplar der „Times“ 
aufbaut. Auf dem Plattenrand hat Kunst ganz klein und 
schauerlich einen am Galgen baumelnden Mann angebracht. 
Medaillen. 
(Eine Erzherzogin Maria Annunziata-Medaille.) 
Im Aufträge des Kriegsfürsorgeamtes in Wien hat das dortige 
Hauptmünzamt eine von Ä. Ilartig ausgeführte Medaille der 
Erzherzogin Maria Annunziata geprägt, die wohl zu den 
schönsten Kleinplastiken zählt, welche die moderne Medaillen 
kunst gezeitigt hat. Die Vorderseite trägt das wohlgelungene 
Portrait der kaiserlichen Prinzessin, während die Rückseite 
den Ort ihrer hervorragenden Tätigkeit im Interesse der Kriegs 
fürsorgeaktionen „Das goldene Prag“ zeigt. Es ist außeror 
dentlich interessant, was Hartig auf dem kleinen Raum von 
6-5 cm unterbringt; Den herrlichen Hradschin, die „ewige“ 
Karlsbrücke mit ihren historischen Figuren, dazwischen das 
Wahrzeichen Prags den „Pulverturm“, Park und Bäume und 
daneben Turin und Türmchen in unabsehbarer Menge — im 
Vordergründe, die Moldau ruhig dahinfließend. Die Medaille 
trägt als Inschriften vorne nur: Erzherzogin Maria Annun 
ziata (A. Hartig) und rückwärts unten, das Wappen der Stadt 
Prag umrahmend: K. F. A. (Krfegsfürsorgeämt) 1916. 
Numismatik. 
(Kriegsunterstützungsmarken.) Die Stadt Escli- 
weiler hat Kriegsunterstützungsmarken in Zink heraus 
gegeben. Das Stück zu 50 Pf „Preisermäßigung auf Lebens 
mittel“ ist achteckig und in der Mitte gelocht. Vs. Kleines 
Stadtwappen, unten Schrift: STADT ESCHWEILER oben, 
unten: KRIEGS/UNTERSTÜTZUNG 1916, Rs.: Wert 
und Schrift. — Das Stück zu 100 Pf ist rund, ungelocht und 
hat größeres Stadtwappen, die Schrift (bis auf Wert 100) 
wie vorher. 
(Die Münzensammlung Kühlewein.) Der am 24. Fe 
bruar d. J. verstorbene frühere Direktor der Großen Berliner 
Straßenbahn, Carl von Kühle wein, hat eine bedeutende 
Münzensammlung hinterlassen, in der besonders Brandenburg 
und Preußen vertreten sind. Es war Kühleweins Absicht, 
die Sammlung dem Märkischen Museum in Berlin als Schenkung 
zu überweisen. Er hatte daran aber die Bedingung geknüpft, 
daß sie in ihrem ganzen Umfange auf Schautischen zur Be 
sichtigung ausgestellt werden sollte. Wegen Mangels an den 
dazu erforderlichen Räumen konnte die Museumsleitung' die 
gewünschte Zusage nicht geben, und so zerschlug sich die 
Angelegenheit. Jetzt ist die Sammlung an das Kaiser Friedrich- 
Museum in Berlin gelangt. In seinem Testament verfügte 
Kühlewein, daß die Sammlung drei Monate nach seinem Tode, 
sofern er nicht bereits bei seinen Lebzeiten anderweit über sie 
verfügt habe, dem Museum unentgeltlich übergeben werden 
sollte. Er bestimmte dabei aber, daß 100 Stück der besten 
Medaillen an einem Orte im Museum sichtbar für das Publikum 
ausgehängt werden, und ferner, daß, falls etwa Stücke vor 
handen wären, die das Museum schon besitzt, solche veräußert 
werden könnten, der Erlös aber zu einem Grundstock für den 
Ankauf noch fehlender Berliner und brandenburgischer 
Porträt-Medaillen verwendet werden muß.
	        
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