Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
8. Jahrgang. Wien, 15. Jänner 1916. Nr. 2.
Ein Alt-Wiener Meister.
Jakob Bayer (1792—1869).
Von Dr. Lothar Ring (Wien).
Aus einem feingeschnitzten, goldenen Rahmen
sieht ein gütiges Antlitz freundlich zu mir nieder.
E- ist dem k. k. Hof- und bürgerlichen Tischlermeister
Jakob Bayer zu eigen, dessen helles Gemüt die un
gewohnte Feierlichkeit des dunklen Bratenrockes wie
<-in goldiger Sonnenstrahl da- schwarze Gewölk durch
bricht und der daher seinem Porträtisten, dem Wiener
Maler Burgholzer, mit einem unbefangen frohen
Lächeln ins Antlitz schaut. Sieben Jahrzehnte sind
seither vergangen und nun grüßt nur mehr das Bild
den fernen Enkel. Was aber die nimmermüden Hände
des arbeitsamen Mannes geschaffen, davon blieb ein
gut Teil zurück und gibt Zeugnis von dem hohen
Geiste, dank dem Jakob Bayer sein schlichtes Hand
werk zur Kunst adelte.
W er das Werk verstehen will, der muß vorerst den,
der es geschaffen, ein wenig kennen und so sei es mir
vergönnt, einiges über Bayers Leben zu sagen. Ich
glaube dies um so eher tun zu dürfen, als damit ein
Stück Alt-Wiener Kultur wieder auflebt und zugleich
die Erinnerung an eine im Goetheschen Sinne aus
geprägte Persönlichkeit wachgerufen wird.
Zu Plan im Egerlande geboren, erlernt Jakob
Bayer frühzeitig das Tischleriandwerk und wandert
alsbald auf Schusters Rappen als Handwerksbursche
durch die weite Welt. Er kommt nach Bayern und
Sachsen, Thüringen und Schwaben, in die Schweiz
und an den Rhein. Er muß ein gar fröhliches Wandern
gewesen sein, was aber nicht hindert, daß ihm zu
Coblenz ein Wanderkamerad auf einem Stammbuch
blatte die für den damaligen Zeitgeist kennzeichnenden,
nachdenklich — melancholischen Verse widmet:
„Wenn einst mein Staub die Urne füllet
So ist zwar Finsternis, was meine Gruft umhüllet
Doch soll noch meine Asche zu Dir sagen
Ich habe dich geliebt" -
So schrieben deutsche Handwerksburschen anno
1817.
Das Endziel von Bayern mehrjähriger Wanderung
ist Wien. In der Kaiserstadt faßt der junge Meister
festen Fuß und gründet, w - ie jeder biedere Handwerks
mann de- Vormärz gar bald einen eigenen Hausstand.
Seine Gattin Klara, geborene Xeuwirth, bringt zwar
kein Geld, dafür aber die Anmut, das gute Herz und
den häuslichen Sinn des echten Wiener Kleinbürger
mädels mit ins Haus. Ihre frohe Jugend und Schaffens
freude hilft den beiden, die Dürftigkeit und Härte
des Anfangs rasch zu überwinden. Des Meisters schöne
und originelle Arbeiten finden bald allgemeine Aufmerk
samkeit und erwerben ihm-insbesondere in den Kreisen
des hohen Adels zahlreiche Gönner. Bald stellt sich ein
bescheidener Wohlstand ein, und unser Meister kommt
in die Lage, sich Unter den Weißgärbern ein eigenes
Haus zu erbauen. Hier ist nun seine Domäne. Die freie
Zeit, die ihm sein eifrig betriebenes Handwerk übrig
läßt, verwendet er zur Gartenpflege und fördert wahre
Wunderwerke der Obst-, Gemüse- und Blumenzucht
zu Tage. In diesen Bestrebungen wird er von seinem
Freunde, dem Direktor des botanischen Gartens,
tatkräftig'unterstützt. Dieser stellt ihm einige präch
tige Exemplare der heimischen und exotischen Flora
zur Verfügung und nun prangt der Garten zu jeder
Jahreszeit in tausend duftigen Blüten. Auf Zwerg
bäumen werden Riesenbimen und Apfel gezogen, die
auf Wiener Gartenkunstausstellungen -die ersten Preise
erhalten. Allwöchentlich fährt der grüne Hofwagen
bei dem Hause Unter den Weißgärbem Nr. 110 (jetzt
Seidlgasse Xr. 7) vor, um das prächtige Edelobst für
die Hofküche abzuholen. Der Herr Hoftischlermeister
ist nebenbei Blumen- und Obstlieferant; aber nicht
nur für die hohen Herrschaften, sondern auch für die
liebe Jugend des ganzen Hauses, die sich mehr als
einmal die Mägen an dem übermäßigen Genüsse der
Süßigkeiten des Bayerschen Obstgartens verdirbt.
Heute klingt es fast wie ein Märchen, daß noch vor ein
paar Jahrzehnten auf einen von der Inneren Stadt
kaum zehn Minuten entfernten Gartengrunde vorzüg
licher Wein im Ausmaße von 5 bis 6 Eimern gewonnen
wurde.
Der Herr Tischlermeister ist aut seinem Grunde
eine Respektsperson. Als Bezirksausschuß empfängt
er alljährlich zu Ostern den Besuch des Grund Wächters,
der ihm ein Kitzel und eine Flasche Ziegenmilch als
Geschenk darbringt und dafür ein ansehnliches Trink
geld erhält.
Die neue Beschäftigung mit der Natur gibt Bayer
die richtige Liebe zum Handwerk. Er verfertigt mit
jener zärtlichen Akkuratesse, wie sie dem Handwerker