Internationale
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
8. Jahrgang. Wien, 15. Oktober 1916. Nr. 20.
Die Sammlung Karl Nestel, Stuttgart.
Eine beachtenswerte Neuerscheinung bildet der uns
soeben zugegangene Katalog der Antiquitäten-Samm-
lung des verstorbenen Direktors Karl Nestel, Stuttgart.
Nicht so sehr beachtenswert durch die Quantität der
vorhandenen Bestände, wie durch die zum Teil ganz
vorzügliche Qualität der einzelnen Gegenstände, die
dem Geschmack und dem
Verständnis des verewig
ten Besitzers ein gutes
Zeugnis ausstellt. Nestel
hat im Laufe der Jahre
seine Sammlung stets zu
verbessern gesucht; er
hat alles Ungeeignete
und Minderwertige nach
Möglichkeit abgestoßen
und mit nie ermüdendem
Sammeleifer an der Ver
vollkommnung seines Be
sitzes gearbeitet.
Der Katalog, zu dem
Notizen von Nesteis
Hand Vorlagen, den er
selbst jedoch nicht mehr
zur Ausführung bringen
konnte, erschien bei
Helbing in München
und ist mit einem vor
züglichen Bilderapparat
ausgestattet. Er zerfällt
in zwei Hauptteile: A11 e s
Zinn und alte Holz
skulpturen. Daran
schließen sich einige alte
Gemälde an, die vor
wiegend dekorativen
Charakter tragen.
Unter dem Zinn ist namentlich das reliefierte Edel
zinn des 16. und 17. Jahrhunderts in reicher und
gewählter Auslese vertreten: vier Briotsche Tem-
perantiaplatten, zwei davon mit den dazugehörigen
Kannen, die Adam- und Evaschüssel (französisch
um 1600), die dem Enderl ein zugeschriebene Mars-
Schüssel, eine Susannen-Kanne, welche Ähnlichkeit
mit der im Bayerschen Nationalmuseum befindlichen
Kanne aufweist, ein sogenannter Briot-Krug auf
figuralen Darstellungen, eine ebenfalls dem Briot
zugeschriebene Hcnkelkanne mit Arabesken in
Flötners Manier, ein Deckelbecher mit Ornamentik
in der Art des Bathasar Sylvius, dann viele reliefierte
Teller Nürnberger und Schweizer Meister, ein orientali
sches Gefäß, besonders interessant dadurch, daß es
die bekannte Darstellung des Gustav Adolf-Tellers
auf beiden Seiten zeigt,
weiter eine hochgeätzte,
dem N. Horchheimer
zugeschriebene Zinn
schüssel, ein kleiner
sechsseitiger Napf mit
figürlichen Darstellungen
aus dem 13. und 14. Jahr
hundert, eine Basler Wein
kanne, welche eine Ar
beit des Grynaeus, des
Schöpfers der bekannten
Basler Universitäts
kannen zu sein scheint
und viel anderes.
Einen verhältnismäßig
großen Raum im Katalog
nehmen dann die Zunft
gefäße, Humpen, Kannen
und Pokale ein. Hier
sind hervorragende Ar
beiten vereinigt, dabei
wahre Prunkstücke dieser
Gattung, so der Zunft
humpen der Augsburger
Metzger in Form eines
springenden’JStieres, ein
sehr hoher Willkomm
einer Böttcherzunft von
1750, die Zunftkanne
einer Schuhmacherin
nung um 1583, die Zunftkanne der Schuhmacher
von Grimmitz von 1685, die Zunftkanne einer Stell
macherzunft von 1688, ein großer Schusterzunft
krug von 1713, die große Zunftkanne der lutheri
schen Nagelschmiede anno 1700, eine Walliser-Schützen
kanne aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts usw.
Manche dieser Stücke waren früher in den Sammlungen
des Nordischen Museums zu Stockholm, des Barons
von Gasser (München) und des L. Gedon (München).
Gegenstände des kirchlichen und profanen Gebrauchs
Kg. 1-
Temperantia-Schüsse! des Francois Briot.