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Internationale Sammler - Zeitung 
Nr. 3 
gründete Entwicklung vom Tast- zum bloß Sehbaren, 
vom Linearen zum Malerischen, sie hat sich zu ver 
schiedenen Zeiten in gleicher Weise wiederholt, ebenso 
in der antiken Kunst, wie in der Gothik und wie eben 
im 10. Jahrhundert, wo den klassizistischen Stil der 
Impressionismus ablöste. Es ist, als würde ein Vorhang 
von der geheimnisvollsten Probleme der Kunstge 
schichte mit Wölfflins Buche weggezogen. Man ver 
steht, weshalb es grundlegend werden muß für weitere 
Kunstbetrachtung. Es macht dem bisher so unbedenk 
lich angewendeten Dogma vom Fortschreiten der 
..Naturnachahmung" ein Ende, es weist die ,.Milieu 
theorie“ aus dem Gebiet eigentlicher Kunstgeschichte 
fort in kulturgeschichtliche Bezirke. Es liefert in blü 
hender Lebendigkeit einer die Schönheit schmetter 
lingsgleich umfliegenden Darstellung das, was der 
Titel des Buches etwas trocken versprach: für eine 
neue Art über Kunst zu handeln die Grundbegriffe. 
Oberst Karl Mienzil. 
Die „Internationale Sammler-Zeitung“ betrauert 
den Heimgang eines sehr geschätzten Mitarbeiters. 
Oberst Karl Mienzil, der in den Jahrgängen 1913 
und 1914 in einem Zyklus von Artikeln über den 
j apanischen Farbenholzschnitt J aponicasammlern 
einen förmlichen Leitfaden bot und auch sonst instruk 
tive Aufsätze in unserem Blatte veröffentlichte — wir 
erinnern nur an den vielbeachteten Artikel „Ist eine 
Entwertung der Japan drucke zu befürchten ?“ (in Nr. 1 
vom Jahre 1915), der die Besorgnisse der Japan 
sammler zerstreute — ist am 20. Jänner d. J. nach 
langer, schwerer Krankheit im 61. Lebensjahre ver 
schieden. 
Mit Oberst Mienzil ist ein vielseitiger Sammler 
dahingegangen, der weit hinaus über die Grenzen 
Österreich-Ungarns bekannt war. Der Ruf von seiner 
großartigen Sammlung japanischer Buntdrucke ist 
sogar nach dem fernen Inselreiche gedrungen und 
Kunstgelehrte und Sammler aus Japan versäumten es 
nie, wenn sie nach Österreich kamen, das gastliche 
Heim Mienzils in Meidling aufzusuchen und die Schätze 
zu besichtigen, die er da in jahrzehntelanger, unver 
drossener Sammlertätigkeit aufgehäuft hatte. Als 
Mienzil •—- damals ein blutjunger Offizier in der 
Provinz — sich dem Sammeln von Japan blättern 
zuwandte, war diese Spezies noch wenig gesucht und 
er konnte zu Spottpreisen Holzschnitte erwerben, die 
heute einen bedeutenden Wert haben. In Japan selbst 
hielt man Buntdrucke für „unfein" und verschmähte 
es, sic Sammlungen cinzuverleiben: manches kostbare 
Blatt ging so verloren oder wanderte zum Krämer, 
wo es eine sehr profane Verwendung fand. Tee-Exporteure 
benützten vielfach Kunstblätter als •— Packpapier. 
Neben japanischen Farbenholzschnitten sammelte 
Karl Mienzil Bücher, Handzeichnungen, Kupferstiche, 
gute Gemälde, namentlich polnischer Meister, Majo 
liken und Waffen, hauptsächlich aber alle jene lite 
rarischen und graphischen Werke, die das „Weib“ 
zum Gegenstände hatten, das Weib in allen künstleri 
schen, wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, familiären 
und sexuellen Beziehungen. War irgendwo ein Aufsatz 
oder auch ein selbständiges Werk über diesen Gegen 
stand erschienen, so konnte man sicher sein, daß 
Mienzil es sich zu verschaffen wußte. 
Den Grundstock seiner Sammlungen bildete, wie 
er uns oft erzählte, eine Reihe von Handzeichnungen 
Tiepolos, die er vor Jahren während seiner Gar 
nisonszeit in Triest durch Zufall erwarb und die er 
später gegen alte Kupferstiche und Japandrucke ein 
tauschte. 
In seinen letzten Wiener Jahren war unser ver 
storbener Mitarbeiter ein eifriger Teilnehmer eines 
kleinen, gewählten Freundeskreises von Wiener Bücher 
und Graphicasammlern, der — ohne der Wiener 
Bibliophilengeseilschaft anzugehören —- schon mehrere 
bibliophile Seltenheiten in vornehm ausgestatteten 
Nachdrucken herausgegeben hat, so z. B. die „Schatten 
risse aus Alt-Österreich“ (1912) und „Zerrbilder mensch 
licher Torheiten und Schwächen von Castelli, mit 
Bildern von Loder" (1913). 
Von Mienzil stammt ein charakteristischer Beitrag 
zur Psychologie des modernen Sammlers. Auf die Frage 
eines Kunsthändlers, ob er seine Sammlung nicht 
verkaufen wollte, gab Mienzil zur Antwort: „Das 
hätte gar keinen Zweck, denn wenn ich die. ganze 
Sammlung heute verkaufen würde, so möchte ich 
gleich morgen wieder beginnen, etwas anderes zu 
sammeln.“ 
Auf seinem letzten Gange gaben dem so unermüdlich 
gewesenen Manne viele bekannte Wiener Sammler 
das Geleite. 
Alte Erfindungen. 
F. M. Feldhaus, der Verfasser des vortrefflichen 
Handbuches für Sammler „Die Technik der Vorzeit, 
der geschichtlichen Zeit und der Naturvölker“ hat bei 
Abel und Müller in Leipzig ein kleines Werkchen 
erscheinen lassen, das sich ,,Modernste Kriegswaffen — 
alte Erfindungen“ betitelt, und den Nachweis führt, 
daß eine Anzahl von Waffen und Geräten, die als Er 
findungen unserer Zeit gelten, schon in früherer Zeit 
bekannt waren. Manche sind sogar uralt, so z. B. die 
Kriegshörner, über die Feldhaus folgende interessante 
Aufschlüsse geben kann: , 
..In Skandinavien, Mecklenburg und Hannover 
fand man riesige Bronzehörner, die etwa ums Jahr 1000 
vor Christi Geburt entstanden sind. Sic sind aus 
kleinen, äußerst dünn gegossenen Stücken sorgsam 
zusammengesetzt, haben einfache Kesselmundstücke 
und lassen sich noch heute, allerdings erst nach be-. 
sonderer Übung, blasen. Ein solches Horn —- Lug 
genannt gibt die ersten zwölf Naturtöne und noch 
zehn chromatische Töne unterhalb des Grundtones. 
Ob dies allerdings die richtigen Töne der Instrumente 
sind, bleibt äußerst fraglich, weil es doch weder be-
	        
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