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schule beiläufig rnit dem 8. oder 9. Jahre beginnt, so würde damit ein
doppelter Gewinn erzielt. Denn es würde einerseits ein tüchtiges Schüler-
material für die Fachschule herangebildet und andererseits den Knaben
schon in frühen Jahren eine gewisse technische Fertigkeit für ihren künftigen
Beruf beigebracht werden, die dann dem Lehrling und Gesellen oder auch
dem Künstler und dem Zögling einer Fachschnle sehr zu Statten kommen
dürfte. Alle Achtung vor der allgemeinen Bildung; aber es scheint mir,
dass heutigen Tags die Anforderungen an die allgemeine Bildung zu leicht
übertrieben werden, und dass jene Anforderungen viel zu gering geschätzt
werden, welche dem Bedürfnisse des Standes entsprechen, dem sich der
Knabe" als seinem künftigen Lebensberufe widmen will. ln einzelnen Fällen
hilft sich der Lehrer selbst, und speciell ist es mir bei Gelegenheit des
Besuches einer Fachschule vorgekommen, dass der Lehrer instinctiv,
möchte ich sagen, in das Gebiet der Volksschule übergegritfen, und einen
gewissen Theil des Volksschulunterrichtes in seine Hände genommen hat,
gegen das Gesetz oder vielmehr weit über dasselbe hinaus. In dieser
Schule, es ist eine Holzschnitzschule, sollten Schüler aufgenommen werden,
die zwar schon r4 Jahre alt waren, jedoch im Zeichnen noch so ungeübt
gewesen sind, dass sie erst in der Fachschule 2 bis 3 Jahre im Zeichnen
unterrichtet werden mussten, bevor man daran gehen konnte, dieselben
im Holzschnitzen zu unterweisen. Der Lehrer der Fachschule fand daher,
dass nach den localen Verhältnissen die Schule in der Luft stehe, wenn
dieser Zustand permanent bleiben würde, und er traf ein Uebereinkommen
mit dem betreffenden Volksschullehrer, der im Zeichnen nicht hinreichend
geübt war, nach welchem jene Knaben, welche sich für die Fachschule
vorbereiten wollen, ausser ihrer Schulzeit in der Fachschule im Zeichnen
unterrichtet werden, natürlicherweise ohne Zwang. Und siehe da, es fanden
sich 40-50 Knaben, welche jeden Tag 2 bis 3 Stunden freiwillig zeichnen,
die Herdtlzfschen Vorlagen trefilich benützen, und jene Fertigkeit im
Zeichnen erwerben, dass sie in die Holzschnitzschule eintreten können. Ich
bin überzeugt, wenn diese Knaben ein paar Jahre, während sie noch in
der Volksschule sich befinden, zeichnen, so werden sie auch in der Zeit,
in welcher der Knabe in die Volksschule geht, zu schnitzen beginnen und
schon eine gewisse Fertigkeit in die Fachschule oder, wenn er in die Lehre
geht, in die Werkstatt mitbringen. Der Lehrer hat sich auf diese Art ein
passendes Schülermaterial geschaffen und sich überdies den Dank der Be-
völkerung erworben, denn die Eltern sind froh, wenn ihre Jungen, statt
mlCh der Schule herumzulungern, 2. bis 3 Stunden in der Schule zeichnen.
Es ist dies ein vereinzelter Fall, doch gibt er einen deutlichen Finger-
zeig, dass es möglich ist und sich als nützlich erweist, die gewerbliche
Bildung mit der Volksschule in einen innigen Contact zubringen. Ueberall,
wo eine l-lausindustrie existirt, wie in Tirol, Böhmen, Salzburg oder in
Galizien etc., überall wo ein bestimmtes Kleingewerbe zahlreich vertreten
ist, müsste die elementare gewerbliche Arbeitsschule den Boden für das