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Internationale Sammler-Zeitung 
Nr. 4 
Neue altbyzantinische 
Das Kaiser Friedrich-Museum in Berlin hat 
seine reichen Sammlungen alt christlicher und mittel 
alterlicher Kunstdenkmäler in den letzten Jahren, 
sei es durch Kauf oderülurch Schenkung, wesentlich 
vergrößert. Sogar während der Kriegszeit konnten 
einige Stücke erworben werden, die einzig in ihrer 
Art dastehen und die dem Berliner Museum zur be 
sonderen Zierde gereichen. Wenn die Sammlertätigkeit 
mit der gleichen Umsicht und Zweckmäßigkeit wie 
bisher weitergeführt wird, so wird Berlin wohl bald 
die wertvollste und lehrreichste Sammlung dieser Art 
aufweisen. 
Von den neuen Erwerbungen, die soeben in den 
„Amtlichen Berichten aus den Königlichen Kunst 
sammlungen" (Verlag von G. Grote, Berlin) aus 
führlich beschrieben werden, verdienen namentlich 
einige altchristliche Arbeiten byzantinischer Herkunft 
besondere Beachtung. So wurde im Jahre 1914 ein 
ungemein stilvolles dekoratives Stück aus dem Kunst- 
handcl erworben. Es bildete zweifellos die Bekrönung 
eines Stabes, wie ihn im orthodoxen Klerus der Hcgu- 
menos führt. Dieselbe Form der symmetrisch gebildeten 
Krücke kommt auch im Abendlande neben den, zahl 
reichen erhaltenen Krummstäben vor, wie z. B. in 
Salzburg und in Limoges. Bei der angeblich aus 
Konstantinopel stammenden Elfenbeinarbeit sind 
die beiden Endigungen nach oben eingerollt und zu 
Drachenköpfen umgebildet. Die Stilisierung dieser 
Köpfe aber entspricht einem mehrfach belegten islami 
schen Figurentypus, für den sowohl der kelchartig 
geöffnete Rachen, wie vor allem ein ornamentaler 
Schnörkel am Oberkiefer bezeichnend ist. Entstammt 
dieser anscheinend dem sassanidischen Formenschatz, 
so begegenet uns der ganze Kopf, gelegentlich mit der 
Zutat von Hörnern, in Bagdad am Talismantor und 
wiederholt in der seldschukischen Kunst, wo auch die 
Ohren ähnlich gebildet, wenn auch nicht so stark 
zurückgelegt sind. Unter sarazenischem Einfluß hat 
zwar auch die unteritalische Kunst diesen Drachenkopf 
übernommen, so z. B. für den Wallfisch eines vor 
wenigen Jahren erworbenen Jonasreliefs im Kaiser 
Friedrich-Museum. Es liegt jedoch viel näher, seine 
Verwendung in der Zierkunst auf Byzanz zurückzu 
führen, das solchen orientalischen Fabeltieren auch 
in der Buchmalerei weiten Spielraum gewährt hat. 
In der byzantinischen Sammlung ist ferner die 
Erwerbung von drei Specksteinreliefs zu ver 
zeichnen, die nach Zeit und Stil erhebliche Unter 
schiede aufweisen. Wohl die altertümlichste und 
zugleich die feinste Arbeit ist das kleinste Stück von 
fast quadratischer Gestalt, das ebenfalls aus dem 
Kunsthandel erworben wurde. Leider ist es nicht sein- 
gut erhalten, besonders die Köpfe der Figuren haben 
Kunstschätze in Berlin. 
gelitten. Wahrscheinlich ist das Relief der Überrest 
einer größeren Tafel, die den Festzyklus in einer um 
die Gestalt Christi oder Marias vereinigten Folge von 
kleinen Bildwerken wiedergab. Sie bildet jedoch nur 
einen Auszug aus der typischen Komposition der 
Geburt Christi, gleichsam nur einen symbolischen 
Hinweis. Die Gestalt Josephs fehlt zum Beispiel. Dagegen 
finden sich die drei Geschenke bringenden Magier vor. 
Als kleine Figürchen sind sie am Rande übereinander- 
gestapelt, während Mutter und. Kind, das Relieffeld 
größtenteils ausfüllend, einander auf zwei Bettstellen 
gegenüber liegen. Die beiden Tierköpfe über der Krippe 
und der herabfallende Lichtstrahl vervollständigen den 
Vorgang. Merkwürdigerweise hat der Schnitzer auch 
die Gottesmutter scheinbar in Windeln eingeschnürt 
dargestellt. Der Charakter der Reliefinschrift erlaubt, 
die .Arbeit dem 10. bis 11. Jahrhundert zuzuweisen. 
Kaum jünger dürfte das zweite Relief sein. Es 
stellt die Befreiung Adams und Evas aus der Hölle 
durch Christus dar. Obgleich nur ein Bruchstück 
erhalten ist, läßt sich doch mit Bestimmtheit darauf 
schließen, daß der Typus hier noch seine frühere ein 
fachere Fassung bewahrte, in der dem aus Särgen 
aufsteigenden ersten Menschenpaar auf der Gegenseite 
auch nur zwei Gestalten, vermutlich David und Salomo, 
entsprachen, der Täufer und andere Nebenfiguren 
hingegen noch fehlten. Endlich kommt der etwas 
herbe Kopftypus Christi älteren Darstellungen näher 
als den milderen der Komnenenzeit. Bleibt seine Be 
stimmung zweifelhaft, so gibt sich das dritte, fast 
vollständig erhaltene Relief, das von Professor Sarre 
geschenkt wurde, auf den ersten Blick als Ikonen 
täfelchen zum Umhängen zu erkennen. Es stellt die 
beiden Kriegerheiligen Georgios und Theodoros dar, 
die im Gebet die Hände erheben. Die Gewandung der 
beiden Gestalten ist überaus eigenartig. Sie tragen 
den gegürteten Plattenpanzer über einem Waffenrock, 
dazu hohe Stiefel. Die spitzen Langschilde zeugen für 
die spätere Entstehung dieser Tafel. 
An weiteren Erwerbungen verdienen noch hervor 
gehoben zu werden zwei byzantinische Kleinplastiken 
aus Gag at (Jet), ein Material, das sonst nicht in der 
byzantinischen Kunst belegt ist. Die eine Statuette 
stellt den Kirchenvater Johannes Chrysostomos dar. 
Im Abendlande spielt er unter den Heiligen keine 
Rolle, eine um so größere aber in Byzanz, seinem 
alten Bischofssitz. Die zweite Figur verkörpert einen 
stehenden Krieger im Paradekleid. Leider ist sie stark 
beschädigt. Ausgezeichnet erhalten ist dagegen ein 
byzantinisches Bronzerelief, das ein traubenpickendes 
Pfauenpaar auf einer Vase darstellt. Der feinen Mctall- 
arbeit nach zu schließen, ist das Bronzerelief wahr 
scheinlich dem 9. Jahrhundert zuzuweisen. 
Eine Spitzenauktion. 
Ermutigt durch den Erfolg, den trotz des Krieges 
die Auktion Palmer hatte, ist nun das Wiener 
Dorotheum daran, eine neue, große Versteigerung 
zu veranstalten. Diesmal ergeht der Ruf nur an einen 
Kreis der Sammler, er ist aber darum nicht etwa ein 
eng umschriebener. Denn er schließt in sich alle Damen 
ein oder sollte es wirklich eine in besseren Verhält 
nissen lebende Evastochter geben, deren Herz nicht 
aufgehen würde bei dem Gedanken, eine Gelegenheit 
zur Erwerbung von feinen Spitzen zu haben. Vor 
der Beteiligung an der Auktion braucht also dem 
Dorotheum nicht bange zu sein, die Räume dürften 
sich eher zu klein, als zu groß erweisen. 
Nach dem uns freundlichst zur Verfügung gestellten 
Aushängebogen des Katalogs — die Schaustellung 
erfolgt erst anfangs März — handelt es sich um den 
Nachlaß der Frau Wilhelmine Stern in Wien, die 
den Ruf einer vortrefflichen Spitzenkennerin genoß 
und bei der man immer etwas Apartes auf Lager 
finden konnte. Nach ihrem vor zwei Jahren erfolgten 
Hinscheiden ging der Besitz an ihren einzigen Sohn 
Siegfried über, der, ganz in der Musik aufgehend,
	        
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