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Internationale Sammler Zeitung
Nr. 4
der schönen litauischen Wehmuster in ihren fein
zusammengestellten Farben erübrigt sich schon voll
kommen. Als echte Volkskunst sind die Leinen
stickereien zu nennen mit einer ganz unglaublichen
Fülle der verschiedensten Motive. Hemden, Hand-,
Taschentücher, Schürzen und Tabakbeutel werden
bestickt, meist zweifarbig in schwarz und rot oder
auch einfarbig in diesen Farben. Als dritte Farbe tritt
häufig ein Orangegelb hinzu. Fesselnd wäre eine Ver
gleichung mit deutscher Volkskunst dieser Art, manches
Seitenstück ließe sich da finden.
Wie herrlich ist ferner die Arbeit der feinen schmiede
eisernen litauischen Kreuze, an Filigran gemahnend,
aber nie in das Zufeinverästelte sich verlierend, stets
großzügig unter Betonung des Kreuzmotivs dasselbe
Thema in immer neuer Form behandelnd.
Eine Brücke zur orientalisch-asiatischen Kunst
schlagen die alten byzantinischen Heiligenbilder und
Auch an Holzschnitzereien in alten Synagogen
gehe man nicht achtlos vorüber. Große, aus dem
vollen Holz geschnitzte Tierfiguren habe ich gesehen,
die mich an alte, lebensgroße Tiermodelle der Meißner
Porzellanmanufaktur erinnerten, durchbrochene Säulen
mit dem immer wiederkehrenden Traubenmotiv, in
ihrer Fülle an die Kunst der Renaissance gemahnend.
An jüdischer Kleinkunst finden sich noch Riechbüchsen
aus Silber und anderen Metallen in gotischer Form
oder auch als stilisierte Blumen, oft auch mit ein
gelegtem Email, oder der handgeschnitzte Holzgriff
einer alten Thora. Gute russische Silbera.rbeiten sind
auf dem Lande in diesen Zeiten kaum zu sehen.
Die Architektur bietet nicht allzu viel. Die griechisch-
katholischen Kirchen sind meist neuerer Herkunft
und sind alle nach einer Schablone gebaut.’ Schön
wirken sie freilich aus der Ferne durch ihrejhellen,
freundlichen Farben und die eigenartige Form ihrer
Fig. J.O.
Brüsseler
Messing-Emailarbeiten, wie sie in den griechisch-
katholischen Kirchen und Kapellen, besonders der
altgläubigen Sekte, angetroffen werden. Man spürt an
ihnen den Weltgeist der Kunst. Persische Miniaturen,
die Illuminationen der Mönche.des Mittelalters, japani
sche Lackarbeiten, Limoger Emaillen, sie alle sind mit
ihnen verwandt. Der Goldton ist wie flüssig und sammet
weich, die Farben sprühen und funkeln wie Geschmeide
dank ihrer Durchsichtigkeit (Eiweißfarben). Rührend
wirkt in ihnen der starke, naive, gläubige Aus
druck. _
Ein reizvolles Studium der Formen bieten die hier
so allgemein verbreiteten Samoware, von denen ja
jeder schon einmal gehört hatte und die, ein so wich
tiger, (unentbehrlicher Gegenstand des russischen
Lebens sind. Da findet sich neben der meist vor
kommenden neueren Tonnenform die gedrungene Form
mit geperltem Rand, eine andere gefälligere nach oben
breiter werdende Form mit schönen Henkeln oder
eine achteckige Form auf richtigen Louis XV-Füßen
ruhend. Ein Studium für sich bieten dann noch die
mannigfachen Formen der dazugehörigen Schlüssel.
Spitzenfächer.
Kuppeln mit den vergoldeten Doppelkreuzen. Alle
neuen katholischen Kirchen zeichnen sich durch ihre
Größe und Geschmacklosigkeit aus. Um so seltener
und schöner sind aber die alten, noch ganz aus Holz
erbauten Kirchen und Kapellen, wie z. B. die in Laie
bei Kielmy stehende. Die schönste alte Synagoge mit
einem übereinander gebauten Schirmdach, ganz chi
nesisch wirkend, sah ich in Rogowo, sie ist aus Holz
erbaut und weist auch noch, wenn ich mich recht
erinnere, hübsche durchbrochene Außenfriese und
Fensterumrahmungen auf, wie sie auch Bauernhäuser
in der dortigen Gegend zeigen.
Schließlich will ich noch die Schönheit der primi
tiven handgefertigten Haus- und Ackergeräte nennen,
die durch ihre Einfachheit und Zweckmäßigkeit auf-
fallen, und den Reichtum der Farben und die Fülle
der Formen der einfachen Töpferwaren.
Bunt und wahllos, wie sich mir die Gegenstände
darboten, habe ich diese kleine Aufzählung gemacht,
vielleicht ist sie für manchen ein Hinweis zum künst
lerischen Genuß in einer Umgebung, die nicht viel
erwarten läßt. („Zeitung der 10. deutschen Armee“.)