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Internationale Sammler- Zeitung
Nr. 5
am meisten beigetragen, in denen eine alte künstleri
sche Kultur zu Hause ist: die Alpenländer vor allem
und Niederösterreich, aber auch Böhmen und nicht
zum wenigsten Dalmatien und die Reichslandc, Bosnien
und die Herzegowina, in deren Sammlung sich sehr
schöner und kostbarer mohammedanischer Hausrat
und Gegenstände des orientalischen Kunstgewerbes
befinden. Dalmatien wiederum hat viele altitalienische
Bronzen, Lampen, Ampeln und dergleichen geliefert,
während die Alpenländer namentlich durch die reichen
Spenden kirchlicher Altertümer hervorragen. Über
haupt muß man sagen, daß die Kirche mit dem besten
Beispiel der Opferfreudigkeit vorangegangen ist. Zahllos
sind die wertvollen Gegenstände des Kircheninventars,
die hier aufgehäuft sind, Hunderte von wertvollen
Kirchenleuchtern, Weihbrunnkesseln, Kirchenampeln,
Vortragskreuzen, Monstranzen, Marienkannen, Meß
kannen und Weihrauchbehältern. Sie machen, den
größeren Teil der Sammlung aus. Auch jüdische Tempel
geräte, häufig von großem Alter und künstlerisch
wertvoller Arbeit, sind zahlreich vertreten, namentlich
viele schöne Synagogenleuchter aus dem 18. Jahr
hundert. Dieses Jahrhundert, in dem namentlich der
Zinnguß zur Vollendung gediehen ist, hat am meisten
zu dieser Ausstellung beigetragen. Doch reicht das
Alter mancher wertvoller Gaben bis in das 16. Jahr-'
hundert zurück. Aus dem 17. Jahrhundert sind, na
mentlich sehr schöne Zinnsachen vertreten, u. a. auch
ein Teller aus der Werkstatt des Nürnbergers Michael
Hemersan, ein Zinnmedaillon mit dem Reiterporträt
Kaiser Ferdinands III., das dem bekannten Nürn
berger Meister Georg Hoss (1625—1675) zugeschrieben
wird, dann mancher schöne Zinnhumpen und mafiches
ziei'liche Meßkännchen. Zahllos sind die schönen Zinn
teller, darunter viele mit Schlaggenwalder, Karlsbader
und Wiener Meistermarke.
Die Ausstellung an künstlerisch wertvollen Kupfer-
gegenständen ist vielleicht etwas weniger reichhaltig,
enthält aber einige Stücke von großer Schönheit.
Ein hübsches Stück ist ein teilweise vergoldeter Kupfer
becher (um 1700). Die gepunzte Wandung zeigt drei
Rundmedaillons mit eingravierten Reiterfiguren und
am Rande die originelle Inschrift: „Mein Mutter war
das Eysen hart, gcbahr ein Kind von Kupier Art,
trägt Silber itzt ein Männlein klein und ist mit Gold
bekleidet fein.“ Sehr gute getriebene Arbeit findet
man auf manchen Röstpfannen und Küchenformen
und manches wertvolle Stück unter den vielen Kupfer
kannen. Der in dem oben zitierten Spruch ausge
sprochene Gedanke der Umwandlung von Eisen in
Kupfer findet sich auch auf einer getriebenen Kupfer
schale aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts
in der Aufschrift: „Die Ankunft mein haut Eysen ist,
das Ziment Wasser mich zu Kupfer frist, welches zu
ferwunden ist.“
Die Zinn- wie die Kupfersammlung zeigen jeden
falls, wie die hohe künstlerische Kultur des 17. und
18. Jahrhunderts und die damalige Entwicklung des
Kunstgewerbes auch den Dingen des täglichen Ge
brauchs ihren unverlöschlichen Stempel aufprägten.
Namentlich das alte Küchengeschirr aus Zinn und
Kupfer ließe sich mit der nüchternen Einrichtung
unserer modernen Küchen gewiß in keiner Weise ver
gleichen. Es sei hier nicht untersucht, ob das Bedürfnis,
die einfachen Gegenstände des menschlichen Gebrauchs
künstlerisch zu schmücken, dem Empfinden der Zeit
entsprang oder ob bloß das leichter zu verarbeitende
Material dazu verführte, während der Eisenguß, aus
dem unser Hausgerät größtenteils hergestellt ist,
sozusagen von Geburt aus prosaisch und nüchtern ist.
Im allgemeinen mag es aber doch der Übergang vom
individualisierenden Handwerk zum reinen Zwcck-
und Fabriksbetrieb gewesen sein, der uns heute in
dieser Beziehung so arm erscheinen läßt.
Unter den wenigen Spenden an Edelmetallen
nimmt wohl den ersten Rang ein aus Silber getriebener
Buchdeckel mit dem Wappen und dem Exlibris der
Fürsten Radziwill ein. Der Deckel stammt aus
Nieswicz in Litauen, wo um das Jahr 1700 Fürst
Johann Nicolaus Radziwill eine große Bibliothek
einrichtete. Der Buchdeckel, der 21 cm hoch ist und
in aufgeschlagenem Zustande 49-5 cm mißt, ist über
ein Kilogramm schwer und trägt das Regensburger
Beschauzeichen von 1700. Aus getriebenem Silber
finden wir auch einige Gegenstände der kirchlichen
Kunst, so eine große Marienkanne, süddeutsche Arbeit
aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts und einen
Meßkelch mit sechsteiligem Fuß aus dem 16. Jahr
hundert. Unter den Gegenständen der kirchlichen
Kunst, die, wie schon erwähnt, besonders zahlreich
vertreten sind, gibt es einige, deren Entstehungszeit
bis in den Anfang des 15. Jahrhunderts zurückreichen,
so mehrere Vortragskreuze aus Bronze und Kupfer
mit schöner-getriebener Arbeit. Besonders prachtvolle
Stücke findet man unter den vielen Meßkelchen und
den Monstranzen.
Eine eigene Abteilung bilden die Zifferblätter und
Werke deutscher Wand- urul Stadtuhren mit , sein-
guten Gravierungen und Beschlägen, die meisten aus
der Mitte und Ende des 18. Jahrhunderts; eine weitere
die Kirchenglocken und Pauken, an die dreißig, meist
mit interessanten Sprüchen geziert. So lesen wir auf
einer Stockerauer Kirchenpauke aus dem Jahre 1679
nicht ohne Wehmut:
„Gott seie Danekh weil Fried im Land
Im Himmel und auf dieser Erdt.“
Ein Wort sei noch den Dingen des orientalischen
Kunstgewerbes gewidmet, die zwei Abteilungen um
fassen. Zunächst wäre da die Sammlung mohammedani
schen Hausrates und orientalischen Kunstgewerbes
aus Bosnien und der Herzegowina. Hier sind sehr
viele hübsche und einige recht wertvolle Dinge, be
sonders gravierte Kupferkannen und -Schalen älteren
Datums zu sehen; eine zweite Abteilung umfaßt das
japanische und indische Kunstgewerbe, das natürlich
keine so große Ausbeute ergab. Die Abteilung für
alte Metallkleinkunst ist dafür desto größer und zeigte
eine außerordentliche Mannigfaltigkeit. Hier sind die
Dinge des religiösen Bedürfnisses mit denen des täg
lichen Gebrauchs, der Laune und Mode malerisch
vermischt. Alle Zeitepochen und alle Länder der
Monarchie haben zu dieser Sammlung beigetragen, die
viele Hunderte von Nummern umfaßt. Eines der
interessantesten Dinge ist in dieser Abteilung ein
russisch-griechisches Reisealt ärchen, das aus der Buko
wina stammt und aus vier in Bronze gegossenen,
ziselierten Flügeln besteht, die Darstellungen aus dem
Leben Jesu zeigen.
Zu erwähnen wäre noch die viele hundert Stücke
umfassende Sammlung von Münzen, Medaillen und
Plaketten, die auf Tafeln übersichtlich geordnet sind
und vor allem fast alle Werke der moderneren öster
reichischen Prägekunst umfassen.
Es ist natürlich in dieser kurzen Besprechung un
möglich, auf Einzelheiten dieser in ihrer Art sicher
einzigartigen^ Ausstellung einzugehen. Es sollte nur
ein kurzer ( berblick über die kaum zu übersehende
luille künstlerisch und kulturhistorisch interessanter
Dinge gegeben werden, die lripr plötzlich wie aus ver
borgenen liefen ans Tageslicht gezogen wurden, vom
Lärm des Weltkrieges wie aus jahrhundertelangem
tiefen Schlaf erweckt.