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Internationale Sammler-Zeitung
Nr. 6
Die Sammlung der Baronin besteht jetzt aus
ungefähr 300 Uhren, schon an und für sich eine statt
liche Ziffer; was sie aber zu einer der hervorragendsten
macht, ist die ganz offenbar hervortretende Liebe und
Sorgfalt, mit welcher sie zusammengestellt wurde und
die jedem einzelnen Stücke einen besonderen, vom
künstlerischen, wie fachmännischen Standpunkte aus
wichtigen Platz anweist.
In der Sammlung sind Taschenuhren so ziemlich
aller Arten und Zeiten seit deren Erfindung zu Beginn
des sechzehnten Jahrhunderts vertreten; auch sehr
hübsche, vorzüglich erhaltene vier- und sechseckige
Tischuhren der Renaissancezeit in feuervergoldeten
Bronzegehäusen finden sich da. Von diesen verdienen
einige reizende Stücke besonders hervorgehoben zu
werden. So: eine kleine, etwa 10 cm hohe Turmuhr
in vergoldetem Bronzegehäuse mit einer kleinen Kuppel
und Galerie mit Schlagwerk; Augsbutger Arbeit; ferner
eine reizende kleine Tischuhr, viereckig, in vergoldetem
Gehäuse, die Seitenwände mit facettierten Gläsern
versehen, durch welche das vorzüglich erhaltene Werk
sichtbar wird. Das Werk stammt von Mich. Hollmer
in Prag, besitzt Schlagwerk und Wecker, Silber-Ziffer
blätter und vergoldete Zeiger; das Gehäuse selbst ist
reich ornamentiert.
Eine andere, sehr schöne sechseckige Tischuhr ist
ebenfalls Prager Herkunft und entstammt der Hand
eines berühmten Meisters, Ferdinand Engelschalks.
Das Gehäuse ist aus vergoldeter Bronze, die Kanten
geschweift, reich graviert, mit seitlichen Facetten
gläsern; die Ecken von silberoxydierten Masken be
grenzt. Das Werk besitzt ebenfalls Schlagwerk und
Wecker.
Besondere Freude gewährte es der Ebner, in den
Besitz einiger kleiner, tragbarer Uhren aus der ersten
Zeit ihrer Herstellung gekommen zu sein. Das Werk
der einen ist aus Eisen und besitzt als Regulator eine
Löffelunruhe, das sogenannte Foliot. Es ist in eine
hübsch gravierte feuervergoldete Messingtrommel ein
gebaut; der Boden des Gehäuses zeigt in der alten
Art graviert Judith mit dem Haupte des Holofernes
und ruht auf drei niedlichen, kleine Löwen dar
stellenden Füßchen. Eine andere sehr wertvolle Uhr
ist dosenförmig, feuervergoldete Bronze, reich durch
brochen gearbeitet, eine sogenannte Halsuhr, das
Werk ganz aus Eisen, mit Schlagwerk und Wecker.
Viel Vergnügen wird der Kenner an den Nürnberger
Eierlein (nicht von der aus technischen Gründen ver
wendeten Eiform, sondern von der Bezeichnung Orrlein-
Ührlein-Eierlein abgeleitet) finden, die die Sammlung
birgt. Unter anderem fällt uns von ovalen Uhren
eine astronomische Uhr von Nikolaus Rugcndas in
Augsburg um 1605, auf. Das Gehäuse besteht aus
vergoldeter Bronze, ebenso das Zifferblatt, welches
eine Einteilung für die Stunde, für das Datum und
für . die Monate sowie einen Mondkalender besitzt.
Ein sehr wertvolles Stück holländischer Herkunft
ist eine achteckige Uhr von Hubert in La Haie,
16. Jahrhundert; das ringsum reich ornamentierte
Gehäuse ist aus Silber und besitzt auf dem einen
Deckel eine Gravierung, die durch zwei jugendliche,
leicht bekleidete Personen den Frühling darstellt,
während eine Gravierung auf dem zweiten Deckel
durch zwei alte Leute, die sich am Feuer des Kamins
erwärmen, den Winter andeutet. Auch einige acht
eckige Uhren mit Seitengläsern aus facettiertem Berg
kristall sind erwähnenswert.
Eine der schönsten Uhren der Sammlung ist
aber eine Uhr von Christoph Schöner, deren
Werk in einem lateinischen Kreuz aus Amethyst ein
gebaut ist.
Der Zeit Ludwig XIV. entstammen mehrere hoch
gebaute Uhren, die Gehäuse aus vergoldeter Bronze,
reich graviert; die Zifferblätter in Email oder Metall
mit aufgelegten Emailziffern, teils mit einem, teils
auch schon mit zwei Zeigern, einzelne mit Selbst
schlagwerken oder Weckern.
Ihnen folgen sehr hübsche, schon weniger hoch
gebaute Uhren mit und ohne Schlagwerke aus der
Zeit Ludwig XV.; die Gehäuse aus Gold und Silber,
teils durchbrochen, teils graviert, zumeist mit sehr
fein getriebenen Übergehäusen, deren Sujets mytholo
gischen, historischen oder allegorischen Inhaltes sind.
Eine sehr hübsche derartige Silberuhr ist von Samson,
London, gebaut; das Übergehäuse zeigt in feinster
Treibarbeit von D. C och in einen Krieger, welcher
einer Gesellschaft von Frauen seine Abenteuer erzählt.
Unter den prachtvollen, best erhaltenen Goldemail
uhren des 17. Jahrhunderts ist eine von IIuaut
gemalte von ganz hervorragender Schönheit. Der
Gehäuseboden zeigt Jupiter und Juno in den Wolken
thronend, in entzückender Farbenpracht; längs des
Gehäuserandes, von kleineren emaillierten Ornamenten
getrennt, vier reizende Landschaften und in kleinem
gelben Emailmedaillon die Inschrift: ,,Lcs deux frere
Huaut, pintre de son A. E. de Grandebouv.“ Auch der
innere Teil des Gehäusebodens weist eine sehr hübsch
gemalte Landschaft auf. Die Uhr besitzt ein mit
Schlangenhaut belegtes Übergehäuse, in welchem
mittels kleiner Goldnägelchen Ornamente sowie Wappen
und Monogramme eingezeichnet wurden.
Erwähnenswert als selten in ihrer Art sind auch
zwei von Julien Le Roy, Paris, stammende Uhren
in wunderschöner, sehr gut erhaltener Ausführung.
Eine derselben besitzt Repetierwerk; das Goldgehäuse
ist mit eingelegten vielfärbigen, prächtigen transluziden
Emailblumen, champ leve, versehen. Das Goldgehäuse
der zweiten Uhr besitzt eingelegte rosa Rosen in Email
pasteuse.
In weiterer Folge sehen wir Goldemailuhren der
Zeit Ludwig XV. und XVI. mit sehr zart ausgeführten,
von Perlen oder Edelsteinen umrahmten Emailporträts,
ferner schon flacher gebaute, emaillierte Uhren vom
Ende des 18. Jahrhunderts mit dem Geschmacke der
Zeit Maria Antoinettes entsprechenden Malereien:
Schäferszenen, kleine Idyllen, Frauen, Männer und
Kinder mit hübschen Landschaften als Hintergrund.
Diese Uhren sowie jene aus der Zeit des Direktoires
und aus der Empirezeit bilden durch die eigenartige
Gestaltung und Färbung der Figuren auch einen
interessanten Beitrag zur Kostümgeschichte.
Der Empirezeit entstammen auch reizende Gold-
emailuhren in Gestalt von. Petschaften, Lauten,
Äpfelchen, Ringen, Leiern, Körbchen, Muscheln,
Schmetterlingen und Uhren mit mechanischen Figuren.
Unter diesen finden sich einige besonders hübsche,
so eine goldemaillierte Uhr mit beweglichem Scheren
schleifer und Windmühle, eine hübsche Spieluhr, die
im Rückendeckel Zymbal- und violinspielende Figuren
aufweist, eine reizende kleine Uhr mit hutschenden
Figürchen in mehrfarbigem Golde auf emailliertem
Gartenhintergrunde, eine prachtvolle Uhr mit Spring
brunnen. und vorüberziehenden, beweglichen Figuren,
Jägern, Eseltreibern, Trinkern usw.
Eine Uhr stellt eine Tischlerwerkstätte dar, in
welcher ein Geselle hobelt, ein zweiter mit der Säge
einen Pflock bearbeitet und ein Lehrjunge einen Nagel
einschlägt. Drückt man bei einer dieser LThren am