Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
8. Jahrgang. Wien, 1. April 1916. Nr. 7.
Das Osterei als Sammelobjekt.
Von Hofrat A. M. Pachinger (Mönchen).
„Ab ovo“ - - vom Ei, das heißt vom entlegensten
Anfang aller Dinge, sagt Quintus Horatius Flaccus
in Anlehnung an die alten Naturforscher, in Bezug auf
die Schöpfung und Urexistenzmöglichkeit der gesamten
organischen Lebewelt. Der alte Spötter hat recht be
halten und traf damit den Kern der Sache. Dies be
stätigt heute noch jede stufenleitermäßig nach unten
greifende Empirie. Wir gehen zwar nicht mehr so weit,
daß wir von unseren Frauen Eier legen lassen, wie es
die Mutter der schönen Helena, die Lcda tat, auch
muten, wir keinem schwarzen Hahn dieses Geschäft
für die Geburt des Antichrist zu, aber wir stellen das
Ei doch als Voraussetzung der Existenz der gesamten
höher organisierten Welt hin und räumen ihm deshalb
seit Jahrhunderten in Brauch und Sitte eine gewisse
berechtigte, poetische Bedeutung ein. Selbst die christ
liche Kirche hat sich diesem Zuge der Volksseele nicht
völlig zu verschließen vermocht, sie hat aber, abhold
allem Naturalismus, dies uralte Sinnbild der Frucht
barkeit, der Auferstehung und des Lebens später in
die „Mandel“ verändert. In mehreren romanischen
Bildwerken sehen wir aber noch das Lamm mit der
Kreuzesfahne in einer rein ovalen Umrahmung stehen.
Häufiger begegnen wir in jener Kunstperiode dem
Salvator mundi, seltener der Madonna, beide meist in
segnender Haltung, in der von einer lodernden Strahlen -
aureole umflossenen „Mandorla“, deren eigentliche
Bedeutung wohl heute fast völlig verwischt ist. Ur
sprünglich mag sie als ein - allgemeines . Symbol der
Menschwerdung gedacht worden sein.
Ein grotesker Zug ist es, daß auch der furchtsame
Hase als Osterrepräsentant herangezogen wurde und
.man ihm zumutete, Eier zu legen und diese im Neste
auszubrüten! Dazu mag als Grund vielleicht die außer
ordentlich rasche Vermehrungsfähigkeit dieses Feld
bewohners gedient haben. Als Symbol der Frucht
barkeit war er der germanischen Frühlingsgöttin
Ostara geweiht, spielte aber auch bei den Frühlings
festen der Römer zur Zeit der Tag- und Nachtgleiche
eine Rolle. Die christliche Kirche übernahm den Hasen
nicht als Symbol der Osterzeit wie das Lamm und das
Hühnerei; einzelne Scholastiker des Mittelalters er
klärten den Hasen infolge seiner andauernden Ver
mehrungsgier als „Höllenvieh“. Umsomehr aber schloß
das Volk den putzigen Meister Lampe in sein Herz.
Im Ei mit dem „springenden Punkt“ sehen wir mit
Recht das Sinnbild des im Frühling wiedererwachenden
Naturlebens. Ein alter Klosterpoet, dessen Namen
wir nicht kennen, verglich den goldgelben Dotter mit
dem Sonnenball, der gleich diesem im Äther, dem
durchsichtigen Eiweiß, schwebt. Die zarte Schale
dünkte ihm die Rinde von Schnee und Eis, in die das
| Naturleben winterlich eingeschlossen sei. Zugleich gilt
ihm aber auch das Ei als der von keinem Schmutz der
I irdischen Sünde berührte Leib der Madonna, aus
1 deren Schoß der göttliche Lichtbringer geboren ward,
der uns am Auferstehungsmorgen im goldenen Strahlen
nimbus als Überwinder des Todes mit der Siegesfahne
entgegentritt. Wer wollte leugnen, daß diese Auf
fassung von hoher poetischer Schönheit ist ? Doch ihr
Kern ist älter als das Christentum. Es ist wohl kein
Zufall, daß das in der antiken Architektur verwendete
Ziermotiv des Eierstabes so auffällig oft auftritt!
Nach Ansicht altrömischer Schriftsteller bedeutete
hier schon der zwischen zwei Eiern eingeordnete Pfeil
ein Symbol der Zeugungskraft. Zum ersten Male soll
sich dieses Ziermotiv an einem Tempel des Apollon,
dem Sohne des Zeus und der Leto (Latona) finden.
Nach einer neueren Deduktion sei der „Eierstab“ aus
der antiken Opferbinde entstanden.
Im Geiste unserer Zeit liegen nicht solche tiefsinnige
Spekulationen. Der Nahrungschemiker taxiert das
Ei lediglich nach seinem Nährwerte und der Volks
wirtschaftler nach der Preisnotierung an der Produkten
börse.
In der gotischen Stilperiode hat sich die kirchliche
Kunst außer in der Form der „Mandorla“, in die sie
vorwiegend die Madonna stellte, wenig mehr um die
Symbolik des Eies gekümmert; nur die Kleinkunst
nahm sich noch seiner an und zwar meist auf dem
Gebiete des Frauen- und Tafelschmuckes. Dies steigerte
sich in der Renaissanceperiode. Der Pokal mit der
eiförmigen Kuppa (Cuppa) wurde ebenso volkstümlich
wie der ähnlich geformte Becher.
Das Miniaturei aus Edelmetall, Bergkristall, Rosen
oder Amethystquarz zum Aufklappen mit einem Heiligen-
figürchen im Innern, zum Abschrauben zur Aufnahme
von Balsam usw. in der Höhlung, begegnet uns in
Museen und Sammlungen nicht selten. Sogar die
Architektur nimmt das Ei wieder als Zierstab an
profilierten Leisten und Gesimsen, im Grundriß mancher
Kirche und deren ovalen Kuppeln.
Damit steigert sich nun auch die Volkstümlichkeit
des Ostereies, kann sich doch in der „galanten Zeit“