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Seite 62 
Internationale Sammler - Zeitung 
Nr. 7 
selbst Serenissimus der üblichen Osterspende, nicht 
entziehen. Vom Kurfürsten August dem Starken 
wird erzählt, daß er einst seiner Favoritin, dci schönen 
Gräfin Aurora von Königs mark, ein Osterei schenkte, 
das einen Wert von mehr als 5000 Reichstalcrn hatte. 
Selbst der küble Protestantismus versagte seine Sym- 
patie nicht dem gefärbten Osterei für die Familie, 
den Freunden und — für den Pfarrhof! 
Die heroische Zeitperiode erklärte die Sache, zwar 
als „alberne Kinderei“, doch die folgende ,romantische" 
der Biedermeierzeit brachte sie speziell in den Gebieten, 
wo der Katholizismus vorherrschte, wieder zu Ehren. 
Im Süden Deutschlands gehörte das gefärbte und 
kirchlich geweihte Ei zur Osterspende in der Familie 
„wie die aufgehende Sonne zum jungen Tag“. Die 
Ostereier pflegte man immei nur hartgekocht zu ver 
schenken. 
Seinen höchsten Triumph feiert aber das gefärbte 
und oft sehr kunstvoll verzierte Osterei noch heute 
in der griechisch-russischen Kirche. Wer auch nur 
einmal die nächtliche Auferstehungsfeier dieser Kon 
fession selbst in einer kleinen Gemeinde mitgemacht 
hat, dem wird der tiefe, poetische Eindruck jener 
Stunde unvergeßlich bleiben. 
Es ist das eine Szenerie voll packender, drama 
tischer Wirkung, wenn der Pope, beim drittmaligen 
Umschreiten des stets freistehenden Kirchleins, an 
dessen nun sich öffnendem Tore auf seine wiederholte 
Frage: „Ist Christus auferstanden?“ vom Archidiakon 
die Antwort erhält: „Ja, er ist wirklich auferstanden!" 
Mit einem Male quillt aus der vorher noch dunklen 
Kirche heller Lichterglanz hervor. Böller krachen, 
Gewehr- und Pistolenschüsse knallen und in das 
Knattern der Büchsen klingt feierlich das Lied der 
Osterglocken. Auf den Gräbern des die Kirche umge 
benden Friedhofes flammen Lichter auf, denn die 
Auferstehungsfeier ist sinniger Weise zugleich ein 
Totenfest. 
Nebenbei sind von diesem Augenblicke an durch 
24 Stunden alle sozialen Rangunterschiede aufgehoben. 
Man umarmt den Nächststehenden oder den Begeg 
nenden und fragt: „Ist Christus wirklich auferstanden ?“ 
Unter Austausch des roten Ostereies lautet die stereo 
type Antwort: „Ja, er ist wahrhaft auferstanden!" 
Der Moment, in dem der Archidiakon diese Worte 
hinausruft in seine Gemeinde, greift tief ins Herz 
aller dieser von Gewalthabern so lange geknechteten 
Balkanchristen. Noch mehr mag das freilich der Fall 
sein bei den noch übler behandelten russischen Stammes 
brüdern. Durch die Gemüter all dieser Armen schallt 
der Osterruf wie eine kommende Erlösung; die Hoff 
nung, es könne nun auch für sie besser werden, greift 
Platz für eine kurze Spanne Zeit. Wenn man nur ein 
klein wenig sich auf Physiognomik versteht, so kann 
man in den Mienen dieser von harter Arbeit und Ent 
behrung durchfurchten Gesichter all der Kleinbauern 
und Knechte lesen, daß die Hoffnung aufquillt, es 
sei der Lehrer der Nächstenliebe, der Erlöser, auch 
für sie auf Erden gewandelt und könne die kommenden 
Tage glücklicher gestalten. Freilich, wer das Osterfest 
in größeren donauländischen Städten, wie Belgrad, 
Sophia, Bukarest usw. mit ihrem Gemisch von west- 
und osteuropäischem Elend der Armen und Luxus der 
Begüterten gefeiert hat, der merkt wohl nur wenig 
oder nichts von der ergreifenden Tragik dieser Szenen. 
Er sieht nur den von der Kirche entfalteten, un 
geheuer blendenden Pomp, hört das Krachen und 
Knattern der Schüsse, das Läuten der Glocken, die 
frohen Rufe der sich drängenden Massen, sein Auge 
haftet auf Militär und geputztem Zivil und er wird 
mit dem Bewußtsein heimgehen, einem originellen, 
religiösen Spektakelstück beigewohnt zu haben. 
Fassen wir auch noch den ostchristlichen, kirchlichen 
Kunstcharakter ins Auge, der all die Jahrhunderte 
hindurch mit geringfügigen Ausnahmen schablonenhaft 
typisch blieb, so haben wir wohl eine weitere Erklärung 
für die Hochschätzung nicht nur des Ostei'eies, sondern 
des Eies überhaupt als ein Sinnbild der Erlösung von 
allen drückenden sozialen Fesseln. Alle die Heiligen 
bilder dieser Kirchenkunst vom Salvator mundi und 
der Madonna angefangen, bis herab zu dem geflügelten 
Seraph, haben etwas düster Ernstes, fast Drohendes 
im Ausdrucke; sie predigen alle nur Askese. 
Nun hat sich aber gerade hier in die Dekoration des 
bemalten Eies, das im ganzen Jahre als willkommenes 
Geschenk gilt, in jüngerer Zeit eine liebenswürdige 
Form eingeschlichen. Auf Jahrmärkten, bei den Krämern 
der Wallfahrtsorte usw. treffen wir nämlich Holzeier 
in allen Größen, die oft mit reizenden Szenen aus dem 
Volksleben bemalt sind. Namentlich die aus Rußland 
stammenden Fabrikate mit ihren leuchtenden, satten 
Lackfarben sind hochbeliebt und begehrt. Meist sind 
diese Eier zum Aufschrauben und bergen in ihrem 
Innern ein kleines Christusfigürchen, die Madonna von 
Kasan oder Nationalheilige wie Andreas, Georg, Iwan 
und andere. Da feilschen nun die Dorfromcos um solch, 
ein Ei, um es der von ihnen begehrten Schönen über 
reichen zu können. Nimmt sie es dann an und regaliert 
sic den Geber etwa auch noch mit Eierkuchen und 
Schnaps, dann blüht der Liebesfrühling. 
Auch Logiergäste pflegen der Tochter oder der 
Frau des Hauses gleichfalls irgend ein Prunkei zu 
spenden, das je nach dem Stande des Hauses und des 
Schenkers oft sogar aus Edelmetall gefertigt ist. Solche 
Gastgeschenke werden dann in der Schlafkammer vor 
dem obligaten Heiligenbilde in der Zimmerecke auf 
gehangen. 
Man findet solche Eier aus älterer Zeit oft prächtig 
in Metall getrieben, aus Silberfiligran oder mit Niello 
verziert oder in Tauschierarbeit und mit geätzten oder 
gravierten Zeichnungen geschmückt, manchmal auch 
aus Elfenbein oder seltenen Holzarten gedrechselt. 
Solche Erinnerungen bilden dann den Stolz der Haus 
frau und der Familie. 
Die Form des Eies ist aber auch, selbst in seiner 
primitivsten Gestalt, der geschlossenen, oder halbiert 
oben offenen oder senkrecht geteilten Raute heute noch 
im europäisch-christlichen Orient ein Schutz- und 
Segenszeichen. Der Bauer schlägt es in den Pfosten 
seiner Haus-, Garten-, Stall- oder Scheunentüre, der 
Forstmann in den Baum am Kreuzweg seines Revieres. 
Wir finden es in Hauswirtschaftsgeräten eingeschnitten, 
ja selbst in der Getreide- und Mehltruhe, am Salzfaß 
und im Leiterwagen. Weder der eine oder der andere 
dieser Leute weiß aber heute noch, daß dies zugleich 
das Zeichen und uralte Symbol der phönikischen 
Göttin der Nacht und Fruchtbarkeit, der Astarte, war. 
Bei uns im deutschen Süden hält „das Volk“ mit 
anerkennenswerter und gerechtfertigter Zähigkeit an 
den überkommenen Osterbräuchen fest. Im Süden 
bis an die Etsch, im Osten bis zur March rüstet die 
schlicht bürgerliche Hausfrau schon am Charsamstag 
abends den mit blüh weißem Linnen ausgelegten Korb 
zur morgendlichen Osterweihe. Ostern ist aber auch 
bei uns seit alten Zeiten ein Familienfest, bei dem 
kein Hausangehöriger leer ausgehen darf. Goldgelb 
leuchtet der das Sonnenrad versinnbildlichende „Oster 
fladen“, das flache, für dieses Fest speziell gefertigte 
Weißbrod, herausfordernd appetitlich duftet der ge 
räucherte Schweinsschinken, dessen schönstes Exemplar 
für diesen Tag im Rauchfang deponiert blieb. Die
	        
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