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Internationale Sammler- Zeitung
Nr. 7
zum Verbergen von Pralines und sonstigem Zucker
werk oder als Hülle für Ring und Armband, für echtes
Geschmeide mit Edelsteinen geziert, die gar oft die
Grabsteine der Tugend werden! Hie kostbarsten, in
Eiform gebundenen Blumenarrangements bergen in
ihrer Tiefe die teuersten Parfümerien, unter denen
Beelzebub für die Suchende seinen Pferdefuß heraus
streckt in Gestalt des Billetdoux, das die Beschenkte
zum verbotenen Stelldichein lädt. Und wie verhalten
sich zu all den schönen alten Osterbräuchen mit ihrem
Eimythus und Reimsprüchen jetzt die breiten Schichten
der Großstadtbevölkerung ? Man hat sich die Sache
sehr vereinfacht. Unter Verwandten und Bekannten
schickt man sich eine „Künstlerpostkarte zu mit der
Inschrift: „Fröhliche Ostern“ und die Sache ist ab
getan.
Der letzte Rest der echten Osterpoesie ist in die
weitabgelegene Bauernstube, die Kinderreiche des
Kleinbürgers und Proletariers geflüchtet. Der Himmel
möge sie uns wenigstens dort noch lange erhalten!
Verkauf der Halsey-Bibliothefc.
Wie „Publishers Weekly“ meldet, hat eine der
hervorragendsten Büchereien der Vereinigten Staaten,
die des Sammlers Frederic R. Halsey, New-York
City, kürzlich den Besitzer gewechselt. Sie wurde durch
Vermittlung von George D. Smith von dem bekannten
Bücherliebhaber Henry E. Huntington gekauft.
Über den gezahlten Preis gelangte nichts in die Öffent
lichkeit, er soll aber niedriger sein, als der Wert der
Werke einzeln genommen ergeben hätte, da Halsey
größtes Gewicht darauf legte, seine Sammlung an
jemanden zu verkaufen, der sie als Ganzes behalten
würde. Sie findet in Huntington allerdings einen sehr
würdigen Besitzer, denn dessen eigene Bibliothek
enthält schon viele der größten Seltenheiten. Ihr wurden
seinerzeit die besten Stücke der berühmten Robert
Hoe-Bibliothek zugeführt und sic weist unter anderem
auch die hervorragende Sammlung von Caxton-
Drucken und Shakespeares Quartos des Herzogs von
Devonshire auf. Huntington ist durch den Ankauf
in den Besitz von kostbaren Dubletten gelangt, die
er allerdings nach und nach veräußern will. Sonst aber
hat er erklärt, daß er seine Bücherei nie verkaufen
werde und daß sie nach. seinem Tode in öffentlichen
Besitz übergehen soll.
In der neu erworbenen Sammlung sind fast alle
Erstausgaben der alten und neuen Größen der eng
lischen und amerikanischen Literatur vertreten. Be
sonders möge hervorgehoben werden, daß alle vier
Shakespeare-Folios (1623, 1632, 1663 und 1635) vor
handen sind, die kürzlich in London mit M 205.000
bezahlt wurden. Fast noch seltener als diese ist das
vorkommende vollständige Shakespeares Sonnets, wo
von überhaupt nur 4 fehlerfreie Exemplare bekannt
sind. Man berechnet den Wert eines solchen mit un
gefähr M 102.500. Die Erstausgabe von Robinson
Crusoe ist ebenfalls vorhanden und wohl mit M 0000
bis M 10.000 einzuschätzen. Die Dickens und die
Goldsmith-Sammlungen enthalten viele sehr gesuchte
Sachen und stellen einen Wert von M 300.000 dar.
Die Zahl der amerikanischen Seltenheiten ist selbst
verständlich ebenfalls bedeutend. Welchen Sammler
würde es z. B. nicht reizen, das einzige bekannte un-
aufgeschnittene Exemplar vom ersten Jahrgange (1786)
des New-Yorker Adreßbuches zu besitzen? Von
Poe besaß Halsey den einzigen vollständigen Satz
der ersten Auflage und die von Benjamin
Franklin gedruckten Bücher sind auch stark ver
treten.
Vom Standpunkte der Erhaltung literarischer
Schätzeist es ja nur zu begrüßen, wenn hervorragende
Sammlungen vereinigt werden, um später einmal in
den Besitz des Volkes überzugehen, vorläufig aber
werden es die Althändler und Versteigerungsfirmen
beklagen, daß ein Bücherliebhaber weniger da ist,
der sich bei Erwerbung von Seltenheiten keine Schranken
auferlegen mußte.
Aus der Geschichte des Fälschertums.
Vor kurzem ging, von englischen Zeitungen geflissentlich
verbreitet, das Gerücht, Deutschland, habe englische Bank
noten hersteilen lassen, um dadurch den Gegner zu schädigen.
Von amtlicher deutscher Seite wurde solcher Mißbrauch
sofort in Abrede gestellt. Wenn jedoch England, um Deutsch
land in der öffentlichen Meinung zu diskreditieren, sich in
dieser Beziehung wieder einmal unter gewohnter Augen
verdrehung recht sittlich und tugendhaft zeigen will, so ist e -
niemand anderer, als gerade Napoleon I., der Albion eines
ähnlichen Vorganges ihm gegenüber beschuldigt, dessen es
die Deutschen anklagt. Napoleon beruft sich direkt darauf,'
daß England ihm als Muster dafür gegolten habe, wie man
falsche Banknoten zum Nachteile fremder Staaten fabrizieren
lassen könne. Diese fremden Länder, deren Banknoten der
Kaiser der Franzosen nach berühmten englischen Vorbild
nachahmen ließ, waren Österreich und Kußland.
Diese Sache, die jetzt wieder durch Englands Anschuldi
gung an Aktualität gewinnt, verhält sich folgendermaßen:
Unmittelbar vor Beginn des Feldzuges gegen Rußland im
Jahre 1812 kamen die mit der Überwachung der Druckereien
betrauten Polizeiorgane zu Pasquier, dem damaligen Polizei -
präfekten von Paris, dem sie eine Mitteilung machten, die ihn
in höchstes Erstaunen versetzte. Nach ihrer Angabe hätten
sie eine Druckerei entdeckt, wo Arbeiter tätig seien, die sich
gegen höhen Lohn und unter dem Versprechen tiefster Ver
schwiegenheit zur Nachtarbeit verpflichtet hätten. Eine ein
gehende Prüfung des Hauses selbst ergab, daß die Fenster
des Erdgeschoßes mit mächtigen Eisengittern versehen und
die lüren von einer Stärke waren, die einen etwa geplanten
Einbruch fast unmöglich erscheinen ließen. Als Pasquier
diese Meldung entgegengenommen, erteilte er den Befehl, das
verdächtige Gebäude um Mitternacht zu umzingeln und int