Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
8. Jahrgang. Wien, 15. April 1916. Nr. 8.
Amerling.
Von Friedrich Stern (Wien)*).
Amerlings Sammlungen, eigene Arbeiten und | bärtigem Kopf gesehen haben, der im schwarzen
Studien, Schätze der Kunst und des Kunstgewerbes | Samtflaus an, irgend einer Säule oder am Türpfosten
aus allen Ländern
und Zeiten, denen
die mäßige gericht
liche Schätzung da
mals, vor dreißig
Jahren, einen Geld
wert von 120.000
Gulden zusprach;
fielen nach seinem
Tode an die Gefähr
tin seiner letzten
Lebensjahre, . seine
Witwe, die spätere
Gräfin Marie Hoy o s,
die dieses Vermächt
nis treu bewahrt hat
und, als sie zu ster
ben kam, im Sinne
des großen Künstlers
über die Sammlung
verfügte; sie hat die
Wiener Künstlerge-
nossenschaft als ihre
Erbin eingesetzt, mit
der Anordnung, daß
aus dem Erlöse dieser
Kunstwerke ein
Friedrich und Marie
Amerling-Fonds zur
Unterstützung be
dürftiger Künstler
geschaffen werde.
Das ist die Vor
geschichte der Auk
tion, die, wie ein
Nachhall aus ferner
Zeit, uns mit einem
Schlage den großen
Altwiener Maler nicht
nur als Künstler,
sondern auch als
Menschen wieder le
bendig macht.
Wenn wir bei einer großen Festlichkeit mitten unter
den vielen Menschen in glänzender Uniform oder im
tadellosen ordenbesäten Frack einen, schmächtigen,
alten Herrn mit kleinem, feingeschnittenem, weiß-
Fig. 1.
Amerling, Selbstbildnis.
lehnte — das war
Amerling. Er trug
sich nun einmal nicht
anders, und dem
Alten sah man das
nach. Auch einen
Zylinderhut hat er
vielleicht sein gan-
zes Leben lang nicht
getragen; auf der
Straße bedeckte er
mit dem breitkräm-
pigen., spitzen sch War
zen Künstlerhut sein
Haupt und wenn er
einmal — es geschah
das selten genug
in der „Stadt“ er
schien, mußte er
jedermann auffallen.
In den letzten Jahren
seines Lebens mehr
noch als vorher, denn
da ging an seinem
Arm eine noch junge,
sehr schlanke Dame
; —: das war seine Frau.
Er kam selten in
die „Stadt“. Daheim
fühlte er sich auch
zu behaglich und
froh. Es war ein lu
stiges und merkwür
diges Häuschen, das
der greise Maler, da
draußen in der Mol-
lardgasse, auf der
Höhe desLiriienwalles
von Gumpendorf, be
wohnte. Der heitere
Giebel des J Hauses
sah hinter einer ho
hen Mauer hervor,
die das mit antiken Säulenkapitälen, Vasen und Urnen,
Torsos und Büsten geschmückte Vorgärtchen vor
*) Die feine, den Künstler voll erfassende Skizze, die
wir mit freundlicher Erlaubnis des Dorotheums abdrucken,