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Internationale Sammler- Zeitung
Nr. 8
Porträtaufträge abzmlehnen und eine a.lte Sehnsucht
zu befriedigen Rom zu sehen. Die Eindrücke, welche
er in der ewigen Stadt empfing, machten ihn an sich
und seinem Können irre. Bedrückt dachte er an die
Fig. 4.
Italienische Bronzestatue.
Heimkehr, der aber das Schwinden seines Reisegeldes
im Wege stand. In. dieser Zeit der Niedergeschlagenheit
und Bedrängnis traf ein offizielles Schreiben aus Wien
ein, das ihn zur sofortigen Rückkehr aufforderte;
er sollte das Porträt des Kaisers Franz malen. Der
nötige Reise Vorschuß stand sofort zur Verfügung.
Das Bild des Erzherzogs Rudolf hatte dem Kaiser
so gefallen, daß er von demselben Maler porträtiert
werden wollte.
Fortan war Amerling der Maler von Wien. Nicht
nur die Adelsfamilien im ganzen Reiche, auch Dichter
und Künstler finden wir in den unübersehbaren Werken
Amerlings zahlreich vertreten. Und der Maler war
populär. Das Burgtheater führte einmal ein Stück
auf, „Des Malers Meisterstück“. Amerling bekam das
Porträt der Hauptdarstellerin, der schönen Mlle.
Peche, zu malen. Als das Bild auf dem Theater ent
hüllt wurde, schrie alles auf: „Amerling!" Als das
dem Künstler berichtet wurde, sagte er: „Bin i froh,
daß i net drinn’ war, i.hätt’ mi’ furchtbar g’schamt!“
Ab und zu ließ Amerling Unterbrechungen in
seiner Wiener Tätigkeit eintreten — wir finden ihn
dann im Haag, wiederholt in Rom, auch in Kon
stantinopel, wo er den Sultan Abdul Medschid
malen sollte — bis er sich in seinem „Schlößchen“
seßhaft machte. Das war im Jahre 1858. Das Haus
umschloß ein neues Familien glück des Künstlers. Ein
ebenso stattlicher wie glänzender Freundeskreis hatte
hier seinen Mittelpunkt.
Die Jahre gingen und - die Menschen welkten.
Im Jahre 1880 starb Amerlings fürsorgliche, ihm in
inniger Liebe verbundene Gattin — es war seine dritte
Ehe, in der er nahezu drei Jahrzehnte das Glück einer
sonnigen Häuslichkeit genoß — seine Töchter waren
bis auf eine, die ein Jahr darauf sich auch vermählte,
wackeren Gatten gefolgt und Amerling war einsam
geworden in seinem hohen Alter. Da. durchflog eine
erstaunliche Kunde die Stadt: der Neunundsiebzig-
jährige habe sich verlobt. So war es. Marie Amerling
hat selbst erzählt, wie das so kam und Ludwig August
Frankl hat uns diese Mitteilungen in der schönen
umfassenden Monographie, die er dem dahingegangenen
Freunde widmete, aufbewahrt. Sie war die Gattin
des Kunsthändlers Paterno, als sie Amerling zu
einem Porträt saß und fortan als Freundin des Hauses
da verkehrte. Nach dem Tode seiner Frau suchte
Amerling durch häufigen Besuch bei den Eltern von
Frau Marie der Einsamkeit des eigenen Hauses zu
entfliehen und warme Sympathie mit dem unstet
Gewordenen bestimmte sie, die um so viele Jahrzehnte
Jüngere, ihm zu erklären, daß sie von seinem treu
herzigen Wesen und seiner Künstlerschaft bezaubert
sei und es selbst nicht scheuen würde, sich durch ein
inniges Band an ihn zu ketten. Die Trauung fand
am Abend des 20. November 1881 in der evangelischen
Kirche, A. B., statt und Marie Amerling hat die frei
willig übernommene Aufgabe, die letzten Lebensjahre
des Künstlers so sonnig, wie es nur möglich war, zu
gestalten, treulich erfüllt. Vor allem verstand sie es,
ihn durch weite Reisen, die dem Schönheitssucher
zahllose neue Eindrücke brachten, von häuslichen
Verdrießlichkeiten abzulenken; Spanien, Ägypten, Pa
lästina, selbst das Nordcap konnte Amerling unter
Obhut dieses umsichtigen Reiseleiters besuchen und
sich der ungeahnten Herrlichkeiten freuen. Er war
84 Jahre alt geworden, als er am 14. Jänner 1887,
umgeben von seinen Lieben, in seinem Hause entschlief.
Es war ein. großer Künstler von Weltruf, den Wien
in ihm verlor. Noch in seinem allerletzten Lebensjahre
hat er Schönes geschaffen und in seinem Sterbegemach
fanden, die da kamen, um von ihm Abschied zu nehmen,
ein fast vollendetes Christusbild auf der Staffelei. Er
war keiner von den Modemalern, die ihren Ruhm
überleben, so lange es ihm auch vergönnt war, zu
wandeln im rosigen Licht.
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Von unseren Abbildungen zeigt Fig. 1 eines der besten
Selbstporträts Amerlings. Man sieht den Künstler an der
Arbeit: er sitzt, mit Palette und Pinsel in den Händen, vor
seiner Staflelei.
Fig. 5.
Taschenuhr von Cabrier, London.
Die herrliche Waldlandschaft mit der Statue einer Göttin
und badenden Frauen im Vordergründe (Fig. 2) rechtfertigt
woul die ausgezeichnete Charakteristik, die ein Kenner wie