MAK
Seite 72 
Internationale Sammler- Zeitung 
Nr. 8 
Porträtaufträge abzmlehnen und eine a.lte Sehnsucht 
zu befriedigen Rom zu sehen. Die Eindrücke, welche 
er in der ewigen Stadt empfing, machten ihn an sich 
und seinem Können irre. Bedrückt dachte er an die 
Fig. 4. 
Italienische Bronzestatue. 
Heimkehr, der aber das Schwinden seines Reisegeldes 
im Wege stand. In. dieser Zeit der Niedergeschlagenheit 
und Bedrängnis traf ein offizielles Schreiben aus Wien 
ein, das ihn zur sofortigen Rückkehr aufforderte; 
er sollte das Porträt des Kaisers Franz malen. Der 
nötige Reise Vorschuß stand sofort zur Verfügung. 
Das Bild des Erzherzogs Rudolf hatte dem Kaiser 
so gefallen, daß er von demselben Maler porträtiert 
werden wollte. 
Fortan war Amerling der Maler von Wien. Nicht 
nur die Adelsfamilien im ganzen Reiche, auch Dichter 
und Künstler finden wir in den unübersehbaren Werken 
Amerlings zahlreich vertreten. Und der Maler war 
populär. Das Burgtheater führte einmal ein Stück 
auf, „Des Malers Meisterstück“. Amerling bekam das 
Porträt der Hauptdarstellerin, der schönen Mlle. 
Peche, zu malen. Als das Bild auf dem Theater ent 
hüllt wurde, schrie alles auf: „Amerling!" Als das 
dem Künstler berichtet wurde, sagte er: „Bin i froh, 
daß i net drinn’ war, i.hätt’ mi’ furchtbar g’schamt!“ 
Ab und zu ließ Amerling Unterbrechungen in 
seiner Wiener Tätigkeit eintreten — wir finden ihn 
dann im Haag, wiederholt in Rom, auch in Kon 
stantinopel, wo er den Sultan Abdul Medschid 
malen sollte — bis er sich in seinem „Schlößchen“ 
seßhaft machte. Das war im Jahre 1858. Das Haus 
umschloß ein neues Familien glück des Künstlers. Ein 
ebenso stattlicher wie glänzender Freundeskreis hatte 
hier seinen Mittelpunkt. 
Die Jahre gingen und - die Menschen welkten. 
Im Jahre 1880 starb Amerlings fürsorgliche, ihm in 
inniger Liebe verbundene Gattin — es war seine dritte 
Ehe, in der er nahezu drei Jahrzehnte das Glück einer 
sonnigen Häuslichkeit genoß — seine Töchter waren 
bis auf eine, die ein Jahr darauf sich auch vermählte, 
wackeren Gatten gefolgt und Amerling war einsam 
geworden in seinem hohen Alter. Da. durchflog eine 
erstaunliche Kunde die Stadt: der Neunundsiebzig- 
jährige habe sich verlobt. So war es. Marie Amerling 
hat selbst erzählt, wie das so kam und Ludwig August 
Frankl hat uns diese Mitteilungen in der schönen 
umfassenden Monographie, die er dem dahingegangenen 
Freunde widmete, aufbewahrt. Sie war die Gattin 
des Kunsthändlers Paterno, als sie Amerling zu 
einem Porträt saß und fortan als Freundin des Hauses 
da verkehrte. Nach dem Tode seiner Frau suchte 
Amerling durch häufigen Besuch bei den Eltern von 
Frau Marie der Einsamkeit des eigenen Hauses zu 
entfliehen und warme Sympathie mit dem unstet 
Gewordenen bestimmte sie, die um so viele Jahrzehnte 
Jüngere, ihm zu erklären, daß sie von seinem treu 
herzigen Wesen und seiner Künstlerschaft bezaubert 
sei und es selbst nicht scheuen würde, sich durch ein 
inniges Band an ihn zu ketten. Die Trauung fand 
am Abend des 20. November 1881 in der evangelischen 
Kirche, A. B., statt und Marie Amerling hat die frei 
willig übernommene Aufgabe, die letzten Lebensjahre 
des Künstlers so sonnig, wie es nur möglich war, zu 
gestalten, treulich erfüllt. Vor allem verstand sie es, 
ihn durch weite Reisen, die dem Schönheitssucher 
zahllose neue Eindrücke brachten, von häuslichen 
Verdrießlichkeiten abzulenken; Spanien, Ägypten, Pa 
lästina, selbst das Nordcap konnte Amerling unter 
Obhut dieses umsichtigen Reiseleiters besuchen und 
sich der ungeahnten Herrlichkeiten freuen. Er war 
84 Jahre alt geworden, als er am 14. Jänner 1887, 
umgeben von seinen Lieben, in seinem Hause entschlief. 
Es war ein. großer Künstler von Weltruf, den Wien 
in ihm verlor. Noch in seinem allerletzten Lebensjahre 
hat er Schönes geschaffen und in seinem Sterbegemach 
fanden, die da kamen, um von ihm Abschied zu nehmen, 
ein fast vollendetes Christusbild auf der Staffelei. Er 
war keiner von den Modemalern, die ihren Ruhm 
überleben, so lange es ihm auch vergönnt war, zu 
wandeln im rosigen Licht. 
* * 
* 
Von unseren Abbildungen zeigt Fig. 1 eines der besten 
Selbstporträts Amerlings. Man sieht den Künstler an der 
Arbeit: er sitzt, mit Palette und Pinsel in den Händen, vor 
seiner Staflelei. 
Fig. 5. 
Taschenuhr von Cabrier, London. 
Die herrliche Waldlandschaft mit der Statue einer Göttin 
und badenden Frauen im Vordergründe (Fig. 2) rechtfertigt 
woul die ausgezeichnete Charakteristik, die ein Kenner wie
	        
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