Nr. 8
Internationale Sammler-Zeitung
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her, das in freier Nachbildung von Kompositionen
Donatellos Maria mit dem neugierig sich umblickenden
Kinde beschäftigt zeigt (an der rechten Fensterwand).
Mittelitalien hat außerdem mehrere halbornamentale
Bildwerke beigesteuert (an der linken Fensterwand
rechts sowie an der Hauptwand rechts unten).
Zur Hochrenaissance führen zwei als Gegenbilder
gedachte kleine Marmortafeln hinüber, die unter dem
Mädchenbildnis des Civitali angebracht sind und
etwa dem zweiten Jahrzehnt des sechzehnten Jahr
hunderts angehören. Ein römischer Meister hat hier
zwei antike mythologische Genrestücke nachgebildet,
Amor, im Nachen angelnd, und einen Triton, der,
auf einem Delphin reitend, in eine gekrümmte Trom
pete stößt. Dazu kommen mehrere oberitalienische
Bildwerke. An der Schwelle des Cinquecento steht ein
Marmorrelief eines Lombarden,- wahrscheinlich des
Christoforo Solari (an der linken Fensterwand zu
unterst in der Mitte). Die in Halbfigur und voller
Frontansicht dargestellte, in die Zeittracht gekleidete
und frisierte Gottesmutter hält hier, von einem Engel
unterstützt, das vor ihr auf einer Brüstung sitzende
Kind, während sich rechts der kleine Johannesknabe
zum Fortgehen anschickt. Man erblickt ihn im Hinter
gründe, der als landschaftliche Ferne und Wolken
himmel ganz malerisch behandelt ist, nochmals in
optischer Verkleinerung, wie er, von seinen zurück
bleibenden Eltern gefolgt, in die Wüste hinauszieht.
Berührt sich diese Komposition mit der mailändischen
Malerei, so verrät ein reizvoller Rahmenfries mit
Cherubköpfen (Marmor) des sogenannten Meisters
von S. Trovaso (an der Hauptwand links unten)
sogar noch den Nachklang der Paduaner Schule Dona
tellos. Eine vortreffliche lombardische Arbeit ist das
(rechts in Mittelhöhe hängende) Profilbildnis einer
älteren Frau von scharfen Zügen (Marmor), wohl um
1500 von Antonio della Porta (genannt Tamagnini)
ausgeführt. Der venezianischen Schule des frühen
Cinquecento ist die einzige größere Marmorstatue der
Sammlung zuzurechnen, die dreiviertellebensgroße
Gestalt eines anbetenden Engels. Als Urheber kommt
am ehesten Tullio Lombardi in Betracht (vor der
linken Fensterwand). Die Reihe der größeren Bild
werke schließt endlich ein sehr wirkungsvolles Flach
relief eines venezianischen Meisters (vielleicht des
Ger. Campagna) aus der zweiten Hälfte des sechzehnten
Jahrhunderts, das den toten Christus in sitzender
Stellung mit überhängendem Haupt im Profil nach
rechts wiedergibt. Seine auf kräftige Schattenwirkung
berechnete Marmorbehandlung steht unter dem un
verkennbaren Einfluß der gleichzeitigen Malerei eines
Tintoretto.
Die Hauptbedeutung der neuerworbenen Sammlung
liegt aber vielleicht in den rund dreißig Bronzen,
um die durch sie die Bestände des Kaiser Friedrich-
Museums vermehrt werden. Von diesen mögen daher
die schönsten Stücke noch in Kürze hervorgehoben
werden. Vor der Fensterwand zur Linken ist die
viertellebensgroße Statuette des Paulus von Antonio
Lombardi auf einem schönen Marmorkandelaber frei
aufgestellt, daneben links ein großes Rundrelief
(Rohguß) des hl. Antonius (Halbfigur) von einem
Paduaner Meister befestigt. Die Mehrzahl der kleineren
Bronzen entfällt auf Venedig und ist in der gegenüber-
stehenden Vitrine vereinigt. Das prächtige Mittelstück
gibt hier der auf einem Delphin kniende Jüngling ab,
der in seiner breit entfalteten Bewegung an ein früher
Raffael zugeschriebenes Marmorwerk erinnert (um 1570).
Daß man in Venedig an Darstellungen der niederen
Seegötter besonderes Gefallen fand, bezeugen noch
mehrere andere, ungefähr gleichzeitige Arbeiten, vor
allem eine auf dem Bordbrett über der Vitrine auf
gestellte, die den Triton in das Muschelhorn blasend
darstellt. Die Art des Paduaners Rico io (um 1500)
vertritt die Statuette eines kculenbewehrten Kentauren,
zu dem ein schreitender Stier das Gegenstück bildet.
Die hinteren Ecken der Vitrine nehmen zwei Nach
bildungen der Antike ein, ein stehender jugendlicher
Herkules, von einem Nachfolger des Florentiners
Bcrtoldo, und ein sitzender, von einem jüngeren ober
italienischen Meister. In der Mitte der Rückwand ist
ein kleines Madonnenrelief, eine Komposition des
Jac. Sansovino, angebracht. Die launige Statuette
des jugendlichen Bacchus, der, auf dem Rande eines-
Bottichs sitzend, eine Traube auspreßt, entstammt
dem Umkreis des italienisierten Niederländers Giovanni
da Bologna (1529 -1608), wie auch zwei größere
Figuren der Astronomie und der kauernden Venus
auf dem Bordbrett, während die klassizistische Statuette
des Apostels Jacobus (zu äußerst links) der Art
des Pietro Francavilla, (1548—-1615) sehr nahe
kommt.
Ein Nürnberger Elfenbein-Bildhauer.
Aus Nürnberg wird der „Frankfurter Zeitung“ geschrieben:
F.in altes Kunstgewerbe, die Elfenbein-Bildhauerei,
wird zurzeit bei uns zu neuem Leben nach jahrhundertlanger
Stagnation erweckt. Seit der romanischen Periode unseres
Kunsthandwerks hat die sonst nur in Japan betriebene
Elfenbein-Technik nur in der handwerksmäßigen Schnitzerei
ihr Dasein gefristet, die in einer wenig materialgerechten
Behandlungsweise nichts Besseres wußte, als Gebrauchs
gegenstände nach künstlerischen Originalen mehr oder weniger
plump zu kopieren. Jetzt hat es sich der hier lebende Bildhauer
Emil Kellermann zur Aufgabe gemacht, dem edlen Material
seine alte längst vergessene Stellung im künstlerischen Schaffen
zurückzugeben. Er arbeitet als erster wieder nach dem lebenden
Modell und hat vor allem den weiblichen Körper als vorzüglich
geeignet befunden, um in der zarten Tönung, der schimmernden
Transparenz des fein gemaserten, leuchtend glatten Elfen
beins künstlerisch reproduziert zu werden. Enorme Schwierig
keiten waren dabei zu überwinden schon wegen der äußeren,
vom Willen des bildenden Künstlers unabhängigen Form des
Rohstoffes, dessen Behandlung zudem noch durch dessen
innere Sprödigkeit, die nur durch längere Praxis erkennbare
Lagerung der weichen und harten Stellen sowie durch den
den ganzen Zahn von unten bis oben durchziehenden „Kern“,
den Zahnnerv erschwert wird. Die Dimensionen jedes Kunst
werks aus Elfenbein sind an sehr eng gezogene Grenzen ge
halten, vor allem sind in der Breiten- und Tiefen-Ausdehnung
nur bescheidene Ausmaße möglich. Dann muß jede Figur der
artig aus der Masse geschnitten werden, daß der Kern stets
im Innern der Figur verläuft. Tritt er als schwarzer Streifen
irgendwo sichtbar zu Tage, so ist der künstlerische Wert der
Plastik wesentlich beeinträchtigt. Eine weitere Schwierigkeit
bilden die durch Temperatureinflüsse hervorgerufenen Risse