Nr. 9
Internationale Sammler-Zeitung
Seite 85
Chronik.
Bibliophilie.
(Die 4.8 Exemplare der ersten Shakespeare-
Ausgabe.) Anläßlich des 300. Todestages Shakespeares
mag daran erinnert sein, daß das gesamte Lebenswerk des
Dichters einmal in Gefahr schwebte, durch eine Feuersbrunst
vernichtet zu werden, und daß die unsterblichen Dramen
nur durch einen glücklichen Zufall auf uns gekommen sind.
Der Dichter wurde so wenig gelesen, so wenig gedruckt, daß
es im Jahre 1666 nur eine einzige, aus 300 Exemplaren be
stehende Ausgabe seiner Werke gab, die von Heminge und
Condeil. Von diesen 300 Exemplaren waren fast alle in
London noch auf Lager, als im Jahre 1666 die Stadt in Flammen
aufging. Und bei der gewaltigen, Feuersbrunst verschwand
die ganze Ausgabe Heminge und Condeil, mit Ausnahme
von 48 Exemplaren, die im Laufe eines Zeitraumes von
fünfzig Jahren verkauft worden waren. Die 48 Käufer haben
Shakespeares Werke, die heute die ganze Welt mit Bewun
derung erfüllen, vor dem Untergang bewahrt . . .
(Eine Hamletausstellung in Kopenhagen.) Die
kgl. Bibliothek in Kopenhagen hat aus ihren Sammlungen
eine Shakespeare-Ausstellung veranstaltet, die u. a. eine
Übersicht über die ältesten Shakespeare-Ausgaben und -Über
setzungen enthält; unter ihnen befindet sich auch die älteste
deutsche, 1764 von Wieland besorgte Übersetzung des
Dichters. Dann ist eine Fülle altdänischer Ansichten und
Drucke zusammengetragen, die sich auf die Geschichte des
sagenhaften Dänenprinzen und auf die erste Hamlet-Auf
führung am königlichen Theater in Kopenhagen am 12. Mai
1813 beziehen.
Bilder.
(Ein Bilderschwindler.) Auf Anzeige des Wiener
Bilderhändlers Alexander Ortony wurde der 52jährig.e Bilder
agent Alexander Laszlo verhaftet. Laszlo hat dem Ortony
das Angebot gemacht, ihm 15 wertvolle Bilder aus dem Nach
lasse des kürzlich verstorbenen Wiener Sammlers Hauer
zu verkaufen und sich von ihm zu diesem Zwecke 20.000 Kronen
geben lassen. Das Geld hat er nur zum geringsten Teile zum
Ankäufe dreier minderwertiger Bilder, die überdies nicht aus
dem Haucrschen Nachlasse stammen, verwendet.
Handschriften.
(Ein Heine-Fund.) Heinrich Heine hat im Jahre 1838
eine „Deutsche Pariser Zeitung“ geplant, die unparteiisch
sein und „preußischen Interessen willfahren“ sollte. Nun hat
der Wiener Heineforscher Professor Friedrich Hirtli im
Wiener Antiquariat Gilhofer und Ranschburg den Entwurf
zu dem Prospekt dieses Zeitungsunternehmens gefunden, ein
vielfach korrigiertes, chaotisch zusammengestrichenes Ma
nuskript, das den Ziseleur am Worte in seiner leidenschaft
lichen Bossel- und Feilarbeit zeigt. Aus dem Unternehmen
wurde nichts, dieser Entwurf aber, in dem Heine 1838 das
Bekenntnis ablegt: „Wir sind auch Patrioten, denn wir glauben
an das große heilige Deutschland der Zukunft“, ist für die
Beurteilung Heines, der an ein freundschaftliches Neben
einander Deutschlands und Frankreichs glaubte und es er
sehnte, von größter Bedeutung.
(Der Sachsenspiegel in weißrussischer Über
setzung.) Wie die in Wilna erscheinende kleinrussische
Zeitschrift „Homan“ mitteilt, wurde in einer Bibliothek die
Handschrift einer weißrussischen Übersetzung des
Sachsenspiegels aus dem 15. Jahrhundert entdeckt. Im
Jahre 1387 wurde Wilna das Magdeburger Recht verliehen.
Numismatik.
(Lagergeld.) An österreichischem Lagergeld (siehe die
Nrn, 4 und 6) liegen uns weiters vor: Gutscheine des k. u. k.
Gewerbelagers in Brunn am Gebirge (Niederösterreich)
zu 10, 20, 50 Hellern, 1, 2 und 5 Kronen. Die Scheine sind
einseitig bedruckt und enthalten den Wertbetrag auch in
russischer Sprache und Schrift. Auch diese Gutscheine sind
vom k. u. k. Kriegsfürsorgeamt in Wien, IX., Berg
gasse Nr. 16 zu beziehen. Der ganze Satz kostet K 9'68.
(Falsche Zweimarkstücke) wurden in den letzten
Wochen in Stuttgart ausgegeben. Die gefälschten Münzen
tragen die Jahreszahl 1905, das Münzzeichen A und das
Bildnis Kaiser Wilhelms II.; sie sind hergestellt aus einer
Blei- und Zinnlegierung (Löt-Zinn) durch Gießen in eine
Sand- oder Gipsform. Die Ausführung ist ziemlich schlecht,
die linke Hälfte leicht verschwommen, die Riffelung unregel
mäßig und der Rand bei der Eingußstelle abgefeilt, Zwischen
den Worten „Deutscher“ und „Kaiser“ und rechts von dem
Münzzeichen A befinden sich zwei erhöhte runde Punkte,
offenbar von den Kerben der Gußformen herrührend. Am
Auge des Münzbildes ist eine kleine Erhöhung, ähnlich einer
Träne, zu sehen.
Philatelie.
(Ein Briefumschlag für vier Briefe.) Zur Ersparnis
von Papier hat die württembergische Postverwaltung
eine bemerkenswerte Neuerung eingeführt. Es handelt sich
um Briefumschläge, die in vier Adressenfelder eingeteilt sind
und mit Verschlußmarken verschlossen werden. Diese Marken
werden von den württembsrgischen Postanstalten zum Preise
von 30 Pf. für 1000 Stück abgegeben. Selbst diese vierfach
benutzbaren Umschläge können fortgelassen werden, wenn
man einseitig beschriebene Bogen faltet und mit der Marke
verschließt; ein Verfahren, das noch den Vorzug hat, den
Postaufgabestempel mit dpm Schriftstück zu vereinigen.
Verschiedenes.
(Die Besteuerung von Kunsterwerbungen in
Deutschland.) Der Reichstagsausschuß, der das Kriegs
steuergesetz durchberiet, hat die Erwartungen der deutschen
Künstlerschaft schwer enttäuscht. Die Sachlage ist folgende:
Ursprünglich war beabsichtigt, jeden, der Kunstwerke im
Werte von zusammen M 1000 erwirbt, mit dcmKaufbetrage
zur Vermögenssteuer heranzuziehen. Auf die begründeten
Bitten der Künstlerschaft aber beschloß dann der Bundesrat
folgenden Zusatz zu dem betreffenden Paragraphen 5: „Die
Vorschrift findet keine Anwendung auf den Erwerb von
Kunstwerken lebender oder seit dem 1. Jänner 1910 ver
storbener deutscher Künstler sowie im Deutschen Reiche
wohnender Künstler.“ Dieser Zusatz ist jetzt vom Reichstags
ausschuß abgelehnt worden. Was die Ausschußmitglieder
bewogen hat, jenen Zusatz zu streichen, erscheint nicht ver
ständlich. Vielleicht ist ihnen der Gesamtbetrag als zu un
wesentlich erschienen, als daß er die Betroffenen gar zu sehr
belasten würde. Soweit das die Erwerber von Kunstwerken
betrifft, mag das gelten. Für die Künstler aber bedeutet es
einen vernichtenden Schlag, denn diese Steuer muß not
gedrungen die Wirkung haben, daß sie die Künstler in höchstem
Maße in ihren Lebensbedingungen beeinträchtigt. Das ist in
den Eingaben der deutschen Künstlervcrbände unwiderleglich
begründet worden. Doch ist nicht alle Hoffnung verloren.
Denn es dürfte wohl anzunehmen sein, daß die zweite Lesung
des Gesetzes, die im Mai stattfindet, dem Vorschlag des Bundes-
rates, mit dem die Künstler sehr zufrieden sein konnten und
auch zufrieden waren, doch zur Annahme. verhelfen wird.
Hat doch der Reichsschatzsekretär in seiner Antwort auf die
Eingaben der Künstlerverbände ausdrücklich betont, daß